Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

fassen wollen, aber Thatsache ist, das; er so lange nach Rat suchte, bis er den Rat¬
geber fand, der ihm riet, was er selber wollte." Dieser Ratgeber, der dem
Monarchen nie unbequem wurde durch hartnäckige Behauptung der eignen Meinung,
der sich vielmehr stets seinen Neigungen und Abneigungen, seinen Wünschen und
Besorgnissen nachgiebig anpaßte, dieser Ratgeber -- und darin besteht seine ver¬
hängnisvolle Bedeutung für die preußische Geschichte dieser Zeit -- ist Lombard
gewesen. Man hat ihm zuviel Ehre angethan, wenn man ihm eine selbständige
Politik und einen entscheidenden Einfluß beigemessen hat, man hat ihn verleumdet,
wenn man ihn einen Intriganten nannte oder einen Verräter, der sich den Fran¬
zosen verkauft habe -- nichts von alledem war der Fall. Er war ein ehrlicher
Mensch, aber von ähnlichem Maugel an klarem und energischem Wollen wie der
König selbst, und er hat seinen Herrn und Gebieter in all den schwächlichen Ent¬
schlüssen bestärkt und festgehalten, in denen die auswärtige Politik Preußens in dem
Jahrzehnt von 1797 bis 1806 ihren beklagenswerten'Ausdruck fand. Die Neu¬
tralitätspolitik des .Königs hatte in ihm jederzeit einen willfährige" Vertreter. Eben
darauf beruht das Geheimnis seiner Stellung, seine Unentbehrlichkeit für den König.
Nicht die Denkschrift Steins oder die der Prinzen des königlichen Hauses, nicht
der Einfluß der Königin vermochten seine Stellung zu erschüttern. Er fiel erst,
als sich mit dem Zusammenbruch des alten Preußens die Grundlagen der bis¬
herigen Politik des Königs dauernd verschoben.

Hüffer verfolgt die Geschicke und Wandlungen des Kabinets auch über den
Sturz des Mannes hiucius, dessen Name sich in der geschichtlichen Erinnerung
um engsten mit dieser Institution verknüpft hat. Ans den trüben Zeiten staatlichen
Niedergangs führt er den Leser noch in jene unvergleichliche Zeit, wo die
schöpferische Arbeit Steins und Hardenbergs den preußischen Staatsbäu ans neuer
Grundlage aufbaute. Es ist uicht zufällig, daß diese Reform mit der Beseitigung
des königliche" Kabinets in seiner bisherigen Form ihren Anfang nahm. Denn
das war die Bedingung alles weitern ersprießlichen staatsmännischen Wirkens, daß
die unverantwortliche Nebenrcgiernng Subalterner Beamten aufhörte und in die
oberste Staatsverwaltung Einheit und Kraft kam. Unendlich schwer ist es dem
König geworden, sich von der Institution zu trennen, die so ganz den Bedürfnissen
und Schwächen seiner Natur entsprach. Aber er hat zu so vielen andern Opfern,
die der Feind ihm auferlegte, auch dieses freiwillige Opfer persönlichster Natur
dein Stnatswohl gebracht. Bereits Stein, mehr aber "och Hnrdenberg vereinigte
in seiner Hand die gesamte oberste Verwaltung, eine Machtvollkommenheit, wie
sie vorher kein preußischer Minister besessen hatte. Seitdem hat das königliche
Kabinet, obwohl bis auf den heutigen Tag unter veränderten Formen erhalten,
keine politische Rolle im Leben des preußischen Staates mehr gespielt.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Curt Marquart in Leipzig.

fassen wollen, aber Thatsache ist, das; er so lange nach Rat suchte, bis er den Rat¬
geber fand, der ihm riet, was er selber wollte." Dieser Ratgeber, der dem
Monarchen nie unbequem wurde durch hartnäckige Behauptung der eignen Meinung,
der sich vielmehr stets seinen Neigungen und Abneigungen, seinen Wünschen und
Besorgnissen nachgiebig anpaßte, dieser Ratgeber — und darin besteht seine ver¬
hängnisvolle Bedeutung für die preußische Geschichte dieser Zeit — ist Lombard
gewesen. Man hat ihm zuviel Ehre angethan, wenn man ihm eine selbständige
Politik und einen entscheidenden Einfluß beigemessen hat, man hat ihn verleumdet,
wenn man ihn einen Intriganten nannte oder einen Verräter, der sich den Fran¬
zosen verkauft habe — nichts von alledem war der Fall. Er war ein ehrlicher
Mensch, aber von ähnlichem Maugel an klarem und energischem Wollen wie der
König selbst, und er hat seinen Herrn und Gebieter in all den schwächlichen Ent¬
schlüssen bestärkt und festgehalten, in denen die auswärtige Politik Preußens in dem
Jahrzehnt von 1797 bis 1806 ihren beklagenswerten'Ausdruck fand. Die Neu¬
tralitätspolitik des .Königs hatte in ihm jederzeit einen willfährige» Vertreter. Eben
darauf beruht das Geheimnis seiner Stellung, seine Unentbehrlichkeit für den König.
Nicht die Denkschrift Steins oder die der Prinzen des königlichen Hauses, nicht
der Einfluß der Königin vermochten seine Stellung zu erschüttern. Er fiel erst,
als sich mit dem Zusammenbruch des alten Preußens die Grundlagen der bis¬
herigen Politik des Königs dauernd verschoben.

Hüffer verfolgt die Geschicke und Wandlungen des Kabinets auch über den
Sturz des Mannes hiucius, dessen Name sich in der geschichtlichen Erinnerung
um engsten mit dieser Institution verknüpft hat. Ans den trüben Zeiten staatlichen
Niedergangs führt er den Leser noch in jene unvergleichliche Zeit, wo die
schöpferische Arbeit Steins und Hardenbergs den preußischen Staatsbäu ans neuer
Grundlage aufbaute. Es ist uicht zufällig, daß diese Reform mit der Beseitigung
des königliche« Kabinets in seiner bisherigen Form ihren Anfang nahm. Denn
das war die Bedingung alles weitern ersprießlichen staatsmännischen Wirkens, daß
die unverantwortliche Nebenrcgiernng Subalterner Beamten aufhörte und in die
oberste Staatsverwaltung Einheit und Kraft kam. Unendlich schwer ist es dem
König geworden, sich von der Institution zu trennen, die so ganz den Bedürfnissen
und Schwächen seiner Natur entsprach. Aber er hat zu so vielen andern Opfern,
die der Feind ihm auferlegte, auch dieses freiwillige Opfer persönlichster Natur
dein Stnatswohl gebracht. Bereits Stein, mehr aber »och Hnrdenberg vereinigte
in seiner Hand die gesamte oberste Verwaltung, eine Machtvollkommenheit, wie
sie vorher kein preußischer Minister besessen hatte. Seitdem hat das königliche
Kabinet, obwohl bis auf den heutigen Tag unter veränderten Formen erhalten,
keine politische Rolle im Leben des preußischen Staates mehr gespielt.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Curt Marquart in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211640"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_1386" prev="#ID_1385"> fassen wollen, aber Thatsache ist, das; er so lange nach Rat suchte, bis er den Rat¬<lb/>
geber fand, der ihm riet, was er selber wollte." Dieser Ratgeber, der dem<lb/>
Monarchen nie unbequem wurde durch hartnäckige Behauptung der eignen Meinung,<lb/>
der sich vielmehr stets seinen Neigungen und Abneigungen, seinen Wünschen und<lb/>
Besorgnissen nachgiebig anpaßte, dieser Ratgeber &#x2014; und darin besteht seine ver¬<lb/>
hängnisvolle Bedeutung für die preußische Geschichte dieser Zeit &#x2014; ist Lombard<lb/>
gewesen. Man hat ihm zuviel Ehre angethan, wenn man ihm eine selbständige<lb/>
Politik und einen entscheidenden Einfluß beigemessen hat, man hat ihn verleumdet,<lb/>
wenn man ihn einen Intriganten nannte oder einen Verräter, der sich den Fran¬<lb/>
zosen verkauft habe &#x2014; nichts von alledem war der Fall. Er war ein ehrlicher<lb/>
Mensch, aber von ähnlichem Maugel an klarem und energischem Wollen wie der<lb/>
König selbst, und er hat seinen Herrn und Gebieter in all den schwächlichen Ent¬<lb/>
schlüssen bestärkt und festgehalten, in denen die auswärtige Politik Preußens in dem<lb/>
Jahrzehnt von 1797 bis 1806 ihren beklagenswerten'Ausdruck fand. Die Neu¬<lb/>
tralitätspolitik des .Königs hatte in ihm jederzeit einen willfährige» Vertreter. Eben<lb/>
darauf beruht das Geheimnis seiner Stellung, seine Unentbehrlichkeit für den König.<lb/>
Nicht die Denkschrift Steins oder die der Prinzen des königlichen Hauses, nicht<lb/>
der Einfluß der Königin vermochten seine Stellung zu erschüttern. Er fiel erst,<lb/>
als sich mit dem Zusammenbruch des alten Preußens die Grundlagen der bis¬<lb/>
herigen Politik des Königs dauernd verschoben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1387"> Hüffer verfolgt die Geschicke und Wandlungen des Kabinets auch über den<lb/>
Sturz des Mannes hiucius, dessen Name sich in der geschichtlichen Erinnerung<lb/>
um engsten mit dieser Institution verknüpft hat. Ans den trüben Zeiten staatlichen<lb/>
Niedergangs führt er den Leser noch in jene unvergleichliche Zeit, wo die<lb/>
schöpferische Arbeit Steins und Hardenbergs den preußischen Staatsbäu ans neuer<lb/>
Grundlage aufbaute. Es ist uicht zufällig, daß diese Reform mit der Beseitigung<lb/>
des königliche« Kabinets in seiner bisherigen Form ihren Anfang nahm. Denn<lb/>
das war die Bedingung alles weitern ersprießlichen staatsmännischen Wirkens, daß<lb/>
die unverantwortliche Nebenrcgiernng Subalterner Beamten aufhörte und in die<lb/>
oberste Staatsverwaltung Einheit und Kraft kam. Unendlich schwer ist es dem<lb/>
König geworden, sich von der Institution zu trennen, die so ganz den Bedürfnissen<lb/>
und Schwächen seiner Natur entsprach. Aber er hat zu so vielen andern Opfern,<lb/>
die der Feind ihm auferlegte, auch dieses freiwillige Opfer persönlichster Natur<lb/>
dein Stnatswohl gebracht. Bereits Stein, mehr aber »och Hnrdenberg vereinigte<lb/>
in seiner Hand die gesamte oberste Verwaltung, eine Machtvollkommenheit, wie<lb/>
sie vorher kein preußischer Minister besessen hatte. Seitdem hat das königliche<lb/>
Kabinet, obwohl bis auf den heutigen Tag unter veränderten Formen erhalten,<lb/>
keine politische Rolle im Leben des preußischen Staates mehr gespielt.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig &#x2014; Druck von Curt Marquart in Leipzig.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] fassen wollen, aber Thatsache ist, das; er so lange nach Rat suchte, bis er den Rat¬ geber fand, der ihm riet, was er selber wollte." Dieser Ratgeber, der dem Monarchen nie unbequem wurde durch hartnäckige Behauptung der eignen Meinung, der sich vielmehr stets seinen Neigungen und Abneigungen, seinen Wünschen und Besorgnissen nachgiebig anpaßte, dieser Ratgeber — und darin besteht seine ver¬ hängnisvolle Bedeutung für die preußische Geschichte dieser Zeit — ist Lombard gewesen. Man hat ihm zuviel Ehre angethan, wenn man ihm eine selbständige Politik und einen entscheidenden Einfluß beigemessen hat, man hat ihn verleumdet, wenn man ihn einen Intriganten nannte oder einen Verräter, der sich den Fran¬ zosen verkauft habe — nichts von alledem war der Fall. Er war ein ehrlicher Mensch, aber von ähnlichem Maugel an klarem und energischem Wollen wie der König selbst, und er hat seinen Herrn und Gebieter in all den schwächlichen Ent¬ schlüssen bestärkt und festgehalten, in denen die auswärtige Politik Preußens in dem Jahrzehnt von 1797 bis 1806 ihren beklagenswerten'Ausdruck fand. Die Neu¬ tralitätspolitik des .Königs hatte in ihm jederzeit einen willfährige» Vertreter. Eben darauf beruht das Geheimnis seiner Stellung, seine Unentbehrlichkeit für den König. Nicht die Denkschrift Steins oder die der Prinzen des königlichen Hauses, nicht der Einfluß der Königin vermochten seine Stellung zu erschüttern. Er fiel erst, als sich mit dem Zusammenbruch des alten Preußens die Grundlagen der bis¬ herigen Politik des Königs dauernd verschoben. Hüffer verfolgt die Geschicke und Wandlungen des Kabinets auch über den Sturz des Mannes hiucius, dessen Name sich in der geschichtlichen Erinnerung um engsten mit dieser Institution verknüpft hat. Ans den trüben Zeiten staatlichen Niedergangs führt er den Leser noch in jene unvergleichliche Zeit, wo die schöpferische Arbeit Steins und Hardenbergs den preußischen Staatsbäu ans neuer Grundlage aufbaute. Es ist uicht zufällig, daß diese Reform mit der Beseitigung des königliche« Kabinets in seiner bisherigen Form ihren Anfang nahm. Denn das war die Bedingung alles weitern ersprießlichen staatsmännischen Wirkens, daß die unverantwortliche Nebenrcgiernng Subalterner Beamten aufhörte und in die oberste Staatsverwaltung Einheit und Kraft kam. Unendlich schwer ist es dem König geworden, sich von der Institution zu trennen, die so ganz den Bedürfnissen und Schwächen seiner Natur entsprach. Aber er hat zu so vielen andern Opfern, die der Feind ihm auferlegte, auch dieses freiwillige Opfer persönlichster Natur dein Stnatswohl gebracht. Bereits Stein, mehr aber »och Hnrdenberg vereinigte in seiner Hand die gesamte oberste Verwaltung, eine Machtvollkommenheit, wie sie vorher kein preußischer Minister besessen hatte. Seitdem hat das königliche Kabinet, obwohl bis auf den heutigen Tag unter veränderten Formen erhalten, keine politische Rolle im Leben des preußischen Staates mehr gespielt. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Curt Marquart in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/472>, abgerufen am 23.07.2024.