Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Insel Capri, wo Tiberius, wie man meinte, den wildesten Ausschweifungen
fröhnte, mit Anklang an o-Mimr inire, L^xrinvuin nannten oder wenn Caelius
von Clodia sagte, sie wäre in triviinio Lo" ("ä e-oiwin cüiioivns, zugleich und
Anklang an die Insel Kos), in eudicmlo Z>sviÄ (noions, und Anklang an die
Stadt Nola). Zu diesen geographischen Witzen, an denen andre Sprachen
überreich sind, gehört in: Lateinischen schließlich auch der Ausdruck M Um-
bovmm, geh uach Krankheitshansen!

In frühern Zeiten scheint der Volkswitz auch unter den Römern stärker
.auf die Sprache eingewirkt zu haben, wenigstens ans dem Gebiete der Namen¬
gebung. Zahlreiche römische Beinamen sind dem Volkswitz entsprungen, es
sind Tiernamen oder Spottnamen, die den körperlichen oder geistigen Gebrechen
ihres Trägers entnommen sind. Wenn wir freilich die tönenden Namen eines
I'. LvrnölinL ^oixio UA-zioa, eines N. LalvurnwL Uidulus oder eines I/u-
tatin" (Atoms nachsprechen, so denken wir wohl nur selten daran, daß ^iiiÄvil
die Spitznase, Uibnlus einen Süffliug und (^WIu8 das Hündchen bedeutete,
und so mögen auch die Römer selbst später über dem Klänge der Namen und
dem Ruhm ihrer Träger die ursprüugliche Bedeutung dieser Beinamen ver¬
gessen haben.

Mächtiger als Volkswitz und Wortwitz waren im Lateinischen Unverstand
"ut Mißverständnisse bei der Ausbildung der Sprache thätig, in der Umwand¬
lung von Wörtern des eignen Sprachschatzes, wie in der Umgestaltung von
Lehnwörtern aus fremden Sprachen, besonders aus dem Griechischen. Keller
hat zunächst die Lehnwörter im ersten Teile seines Buches in Klassen zusammen¬
gestellt; im zweitem Teile folgen einzelne ausführlicher behandelte Etymologien
und Formen von Lehnwörtern. In einem zweiten Buche, das binnen Jahres¬
frist nachfolgen soll, will Keller dann die Etymologie vieler einzelnen echt¬
lateinischen Wörter besprechen. Wir hoffen und wünschen, daß die Ausbeute
ebenso reichlich sein möge, wie in diesem ersten Buche. Schon dies giebt eine
Fülle von scharfsinnigen nud geistreichen Bemerkungen und erntet auf einem
Gebiete der lateinischen Sprachgeschichte, das bisher fast ganz brach gelegen
hat, reiche Frucht. Wie mannigfaltig sind die Veründeruugeu, die allein die
Ortsnamen bei ihrer Aufnahme ins Lateinische durch Volksetymologie erlitten
haben! Da ist die keltische Argenzburg, die von dem Flüßchen Argeuza, das
bei Straßburg in die Ill fließt, den Namen hatte, zu einer Silberstadt,
^rMnwrÄtum geworden. Unser deutsches Regensburg, das uach dein Flusse
Regen genannt worden war, ist dein Römer zum königlichen Lager, (ÄsU-"
ULAinÄ geworden. Aus den ^rvvvri haben die Römer in Anklang an ihre
U'ösviri (Dreimünner) I'rsviri gemacht. Sie sprechen von den ^Ipes ?0füllen<z,
als Hütten diese den Namen von deu ?ovni, die unter Hannibals Führung
nach Italien zogen, während in dein Worte?öillvu3 offenbar dieselbe keltische
Wurzel verborgen ist, wie in ^vvsnmnus, nämlich psu, pM", Kopf oder


Insel Capri, wo Tiberius, wie man meinte, den wildesten Ausschweifungen
fröhnte, mit Anklang an o-Mimr inire, L^xrinvuin nannten oder wenn Caelius
von Clodia sagte, sie wäre in triviinio Lo» (»ä e-oiwin cüiioivns, zugleich und
Anklang an die Insel Kos), in eudicmlo Z>sviÄ (noions, und Anklang an die
Stadt Nola). Zu diesen geographischen Witzen, an denen andre Sprachen
überreich sind, gehört in: Lateinischen schließlich auch der Ausdruck M Um-
bovmm, geh uach Krankheitshansen!

In frühern Zeiten scheint der Volkswitz auch unter den Römern stärker
.auf die Sprache eingewirkt zu haben, wenigstens ans dem Gebiete der Namen¬
gebung. Zahlreiche römische Beinamen sind dem Volkswitz entsprungen, es
sind Tiernamen oder Spottnamen, die den körperlichen oder geistigen Gebrechen
ihres Trägers entnommen sind. Wenn wir freilich die tönenden Namen eines
I'. LvrnölinL ^oixio UA-zioa, eines N. LalvurnwL Uidulus oder eines I/u-
tatin» (Atoms nachsprechen, so denken wir wohl nur selten daran, daß ^iiiÄvil
die Spitznase, Uibnlus einen Süffliug und (^WIu8 das Hündchen bedeutete,
und so mögen auch die Römer selbst später über dem Klänge der Namen und
dem Ruhm ihrer Träger die ursprüugliche Bedeutung dieser Beinamen ver¬
gessen haben.

Mächtiger als Volkswitz und Wortwitz waren im Lateinischen Unverstand
»ut Mißverständnisse bei der Ausbildung der Sprache thätig, in der Umwand¬
lung von Wörtern des eignen Sprachschatzes, wie in der Umgestaltung von
Lehnwörtern aus fremden Sprachen, besonders aus dem Griechischen. Keller
hat zunächst die Lehnwörter im ersten Teile seines Buches in Klassen zusammen¬
gestellt; im zweitem Teile folgen einzelne ausführlicher behandelte Etymologien
und Formen von Lehnwörtern. In einem zweiten Buche, das binnen Jahres¬
frist nachfolgen soll, will Keller dann die Etymologie vieler einzelnen echt¬
lateinischen Wörter besprechen. Wir hoffen und wünschen, daß die Ausbeute
ebenso reichlich sein möge, wie in diesem ersten Buche. Schon dies giebt eine
Fülle von scharfsinnigen nud geistreichen Bemerkungen und erntet auf einem
Gebiete der lateinischen Sprachgeschichte, das bisher fast ganz brach gelegen
hat, reiche Frucht. Wie mannigfaltig sind die Veründeruugeu, die allein die
Ortsnamen bei ihrer Aufnahme ins Lateinische durch Volksetymologie erlitten
haben! Da ist die keltische Argenzburg, die von dem Flüßchen Argeuza, das
bei Straßburg in die Ill fließt, den Namen hatte, zu einer Silberstadt,
^rMnwrÄtum geworden. Unser deutsches Regensburg, das uach dein Flusse
Regen genannt worden war, ist dein Römer zum königlichen Lager, (ÄsU-»
ULAinÄ geworden. Aus den ^rvvvri haben die Römer in Anklang an ihre
U'ösviri (Dreimünner) I'rsviri gemacht. Sie sprechen von den ^Ipes ?0füllen<z,
als Hütten diese den Namen von deu ?ovni, die unter Hannibals Führung
nach Italien zogen, während in dein Worte?öillvu3 offenbar dieselbe keltische
Wurzel verborgen ist, wie in ^vvsnmnus, nämlich psu, pM», Kopf oder


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211623"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1349" prev="#ID_1348"> Insel Capri, wo Tiberius, wie man meinte, den wildesten Ausschweifungen<lb/>
fröhnte, mit Anklang an o-Mimr inire, L^xrinvuin nannten oder wenn Caelius<lb/>
von Clodia sagte, sie wäre in triviinio Lo» (»ä e-oiwin cüiioivns, zugleich und<lb/>
Anklang an die Insel Kos), in eudicmlo Z&gt;sviÄ (noions, und Anklang an die<lb/>
Stadt Nola). Zu diesen geographischen Witzen, an denen andre Sprachen<lb/>
überreich sind, gehört in: Lateinischen schließlich auch der Ausdruck M Um-<lb/>
bovmm, geh uach Krankheitshansen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1350"> In frühern Zeiten scheint der Volkswitz auch unter den Römern stärker<lb/>
.auf die Sprache eingewirkt zu haben, wenigstens ans dem Gebiete der Namen¬<lb/>
gebung. Zahlreiche römische Beinamen sind dem Volkswitz entsprungen, es<lb/>
sind Tiernamen oder Spottnamen, die den körperlichen oder geistigen Gebrechen<lb/>
ihres Trägers entnommen sind. Wenn wir freilich die tönenden Namen eines<lb/>
I'. LvrnölinL ^oixio UA-zioa, eines N. LalvurnwL Uidulus oder eines I/u-<lb/>
tatin» (Atoms nachsprechen, so denken wir wohl nur selten daran, daß ^iiiÄvil<lb/>
die Spitznase, Uibnlus einen Süffliug und (^WIu8 das Hündchen bedeutete,<lb/>
und so mögen auch die Römer selbst später über dem Klänge der Namen und<lb/>
dem Ruhm ihrer Träger die ursprüugliche Bedeutung dieser Beinamen ver¬<lb/>
gessen haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1351" next="#ID_1352"> Mächtiger als Volkswitz und Wortwitz waren im Lateinischen Unverstand<lb/>
»ut Mißverständnisse bei der Ausbildung der Sprache thätig, in der Umwand¬<lb/>
lung von Wörtern des eignen Sprachschatzes, wie in der Umgestaltung von<lb/>
Lehnwörtern aus fremden Sprachen, besonders aus dem Griechischen. Keller<lb/>
hat zunächst die Lehnwörter im ersten Teile seines Buches in Klassen zusammen¬<lb/>
gestellt; im zweitem Teile folgen einzelne ausführlicher behandelte Etymologien<lb/>
und Formen von Lehnwörtern. In einem zweiten Buche, das binnen Jahres¬<lb/>
frist nachfolgen soll, will Keller dann die Etymologie vieler einzelnen echt¬<lb/>
lateinischen Wörter besprechen. Wir hoffen und wünschen, daß die Ausbeute<lb/>
ebenso reichlich sein möge, wie in diesem ersten Buche. Schon dies giebt eine<lb/>
Fülle von scharfsinnigen nud geistreichen Bemerkungen und erntet auf einem<lb/>
Gebiete der lateinischen Sprachgeschichte, das bisher fast ganz brach gelegen<lb/>
hat, reiche Frucht. Wie mannigfaltig sind die Veründeruugeu, die allein die<lb/>
Ortsnamen bei ihrer Aufnahme ins Lateinische durch Volksetymologie erlitten<lb/>
haben! Da ist die keltische Argenzburg, die von dem Flüßchen Argeuza, das<lb/>
bei Straßburg in die Ill fließt, den Namen hatte, zu einer Silberstadt,<lb/>
^rMnwrÄtum geworden. Unser deutsches Regensburg, das uach dein Flusse<lb/>
Regen genannt worden war, ist dein Römer zum königlichen Lager, (ÄsU-»<lb/>
ULAinÄ geworden. Aus den ^rvvvri haben die Römer in Anklang an ihre<lb/>
U'ösviri (Dreimünner) I'rsviri gemacht. Sie sprechen von den ^Ipes ?0füllen&lt;z,<lb/>
als Hütten diese den Namen von deu ?ovni, die unter Hannibals Führung<lb/>
nach Italien zogen, während in dein Worte?öillvu3 offenbar dieselbe keltische<lb/>
Wurzel verborgen ist, wie in ^vvsnmnus, nämlich psu, pM», Kopf oder</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] Insel Capri, wo Tiberius, wie man meinte, den wildesten Ausschweifungen fröhnte, mit Anklang an o-Mimr inire, L^xrinvuin nannten oder wenn Caelius von Clodia sagte, sie wäre in triviinio Lo» (»ä e-oiwin cüiioivns, zugleich und Anklang an die Insel Kos), in eudicmlo Z>sviÄ (noions, und Anklang an die Stadt Nola). Zu diesen geographischen Witzen, an denen andre Sprachen überreich sind, gehört in: Lateinischen schließlich auch der Ausdruck M Um- bovmm, geh uach Krankheitshansen! In frühern Zeiten scheint der Volkswitz auch unter den Römern stärker .auf die Sprache eingewirkt zu haben, wenigstens ans dem Gebiete der Namen¬ gebung. Zahlreiche römische Beinamen sind dem Volkswitz entsprungen, es sind Tiernamen oder Spottnamen, die den körperlichen oder geistigen Gebrechen ihres Trägers entnommen sind. Wenn wir freilich die tönenden Namen eines I'. LvrnölinL ^oixio UA-zioa, eines N. LalvurnwL Uidulus oder eines I/u- tatin» (Atoms nachsprechen, so denken wir wohl nur selten daran, daß ^iiiÄvil die Spitznase, Uibnlus einen Süffliug und (^WIu8 das Hündchen bedeutete, und so mögen auch die Römer selbst später über dem Klänge der Namen und dem Ruhm ihrer Träger die ursprüugliche Bedeutung dieser Beinamen ver¬ gessen haben. Mächtiger als Volkswitz und Wortwitz waren im Lateinischen Unverstand »ut Mißverständnisse bei der Ausbildung der Sprache thätig, in der Umwand¬ lung von Wörtern des eignen Sprachschatzes, wie in der Umgestaltung von Lehnwörtern aus fremden Sprachen, besonders aus dem Griechischen. Keller hat zunächst die Lehnwörter im ersten Teile seines Buches in Klassen zusammen¬ gestellt; im zweitem Teile folgen einzelne ausführlicher behandelte Etymologien und Formen von Lehnwörtern. In einem zweiten Buche, das binnen Jahres¬ frist nachfolgen soll, will Keller dann die Etymologie vieler einzelnen echt¬ lateinischen Wörter besprechen. Wir hoffen und wünschen, daß die Ausbeute ebenso reichlich sein möge, wie in diesem ersten Buche. Schon dies giebt eine Fülle von scharfsinnigen nud geistreichen Bemerkungen und erntet auf einem Gebiete der lateinischen Sprachgeschichte, das bisher fast ganz brach gelegen hat, reiche Frucht. Wie mannigfaltig sind die Veründeruugeu, die allein die Ortsnamen bei ihrer Aufnahme ins Lateinische durch Volksetymologie erlitten haben! Da ist die keltische Argenzburg, die von dem Flüßchen Argeuza, das bei Straßburg in die Ill fließt, den Namen hatte, zu einer Silberstadt, ^rMnwrÄtum geworden. Unser deutsches Regensburg, das uach dein Flusse Regen genannt worden war, ist dein Römer zum königlichen Lager, (ÄsU-» ULAinÄ geworden. Aus den ^rvvvri haben die Römer in Anklang an ihre U'ösviri (Dreimünner) I'rsviri gemacht. Sie sprechen von den ^Ipes ?0füllen<z, als Hütten diese den Namen von deu ?ovni, die unter Hannibals Führung nach Italien zogen, während in dein Worte?öillvu3 offenbar dieselbe keltische Wurzel verborgen ist, wie in ^vvsnmnus, nämlich psu, pM», Kopf oder

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/455>, abgerufen am 23.07.2024.