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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Lateinische Volksetymologie und verwandtes

regelmäßig in der Form larilsm, und 'larasm ist auch in einer Inschrift des
elften Jahrhunderts für Veremnnds II. Tochter Therese überliefert. Nur
als Nebenformen kommen "I^röLM, "I'g.rösa, MarWia, ^lior""in und endlich
auch I'Li'ösiÄ vor. Aus diesem ältesten läßt sich der Ursprung des

Namens leicht nachweisen. Zu weiblichem lÄr^in gehört als Maunes-
naine Laraslas, wie von ?s1agins VelaZi" und von KuloZing LuloZi" gebildet
worden sind. Nach katholischer Sitte wurde das Kind eben gern nach dem
Heiligen des Geburtstags getauft. War ein Mädchen an einem Tage geboren,
der einem männlichen Heiligen gehörte, so wurde der Mannesname einfach
durch weibliche Endung in einen Frauennamen verwandelt. Man kann sogar
Fälle nachweisen, wo der Heiligenname ohne weiteres auf ein Taufkind andern
Geschlechts übertragen worden ist; in Italien sind Männer sehr hänfig Nurm
genannt worden, und ebenfalls in Italien ist ZZgMstÄ anch ein Fraueuncnne.
Diesem Brauch verdanken ja auch so wunderliche Namen wie Petri Ketten¬
feier Rvsegger ihre Entstehung.

Unter den Trügern des Namens I'kUÄsius oder un-aÄvs ist nun ein recht
berühmter: Tarasios, der Patriarch von Konstantinopel, bekannt durch das
zweite Konzil von Nicüa, im Jahre 787; er ist als Heiliger in die ^.vo
L-motorurn aufgenommen worden, sein Tag ist der 25. Februar. Nach diesem
Heiligen Tarasivs ist offenbar eine spanische Prinzessin ^rr-z-hin getauft worden,
sei es daß sie an diesem Tage geboren worden war oder daß verwandtschaft¬
liche Beziehungen mit Byzanz oder andre uns unbekannte Verhältnisse die
Wahl auf diesen Namen lenkten. Daß er gerade vom Königsgeschlecht auf¬
genommen wurde, erleichterte seine Verbreitung im spanischen Volke, und der
Umstand, daß unter den zahlreichen spanischen Prinzessinnen dieses Namens
eine Heilige war, ließ den Namen über die Grenze" Spaniens zu andern
Völkern dringen. Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß der Name Therese
auf karg-Lig. und schließlich auf den Heiligen 1'arA8lo8 zurückgeht. Die Be¬
deutung des Namens bleibt freilich dunkel. Von den alten Schriftstellern wird
ein Tarasios vor dem Heiligen Tarasios überhaupt uicht erwähnt. In In¬
schriften kommt er zum erstenmal im fünften nachchristlichen Jahrhundert im
südlichen Kleinasien vor; auch die spätern Inschriften, die den Namen haben,
sind sämtlich in Cilicien oder den Nachbarlandschaften gefunden worden. Wahr¬
scheinlich stammt der Name also ans keiner griechischen Wurzel, sondern aus
einer barbarischen Sprache.

Mit ^öiresiak hat also Therese gewiß nichts zu thun. Man erkennt aber
aus diesen etwas breit gewordnen Ausführungen, wie leicht bei ethnologischen
Forschungen der Gleichklang auf Irrwege führt. Nur das eine bleibt an den
Behauptungen Kellers wahr, daß bei der Übertragung eines Namens aus
einer Sprache in die andre zuweilen ganz wunderbare Mißverständnisse mit¬
wirken, und zwar nicht nur unter "sehr ungebildeten" Leuten. Die franzö-


Lateinische Volksetymologie und verwandtes

regelmäßig in der Form larilsm, und 'larasm ist auch in einer Inschrift des
elften Jahrhunderts für Veremnnds II. Tochter Therese überliefert. Nur
als Nebenformen kommen "I^röLM, "I'g.rösa, MarWia, ^lior»»in und endlich
auch I'Li'ösiÄ vor. Aus diesem ältesten läßt sich der Ursprung des

Namens leicht nachweisen. Zu weiblichem lÄr^in gehört als Maunes-
naine Laraslas, wie von ?s1agins VelaZi» und von KuloZing LuloZi» gebildet
worden sind. Nach katholischer Sitte wurde das Kind eben gern nach dem
Heiligen des Geburtstags getauft. War ein Mädchen an einem Tage geboren,
der einem männlichen Heiligen gehörte, so wurde der Mannesname einfach
durch weibliche Endung in einen Frauennamen verwandelt. Man kann sogar
Fälle nachweisen, wo der Heiligenname ohne weiteres auf ein Taufkind andern
Geschlechts übertragen worden ist; in Italien sind Männer sehr hänfig Nurm
genannt worden, und ebenfalls in Italien ist ZZgMstÄ anch ein Fraueuncnne.
Diesem Brauch verdanken ja auch so wunderliche Namen wie Petri Ketten¬
feier Rvsegger ihre Entstehung.

Unter den Trügern des Namens I'kUÄsius oder un-aÄvs ist nun ein recht
berühmter: Tarasios, der Patriarch von Konstantinopel, bekannt durch das
zweite Konzil von Nicüa, im Jahre 787; er ist als Heiliger in die ^.vo
L-motorurn aufgenommen worden, sein Tag ist der 25. Februar. Nach diesem
Heiligen Tarasivs ist offenbar eine spanische Prinzessin ^rr-z-hin getauft worden,
sei es daß sie an diesem Tage geboren worden war oder daß verwandtschaft¬
liche Beziehungen mit Byzanz oder andre uns unbekannte Verhältnisse die
Wahl auf diesen Namen lenkten. Daß er gerade vom Königsgeschlecht auf¬
genommen wurde, erleichterte seine Verbreitung im spanischen Volke, und der
Umstand, daß unter den zahlreichen spanischen Prinzessinnen dieses Namens
eine Heilige war, ließ den Namen über die Grenze» Spaniens zu andern
Völkern dringen. Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß der Name Therese
auf karg-Lig. und schließlich auf den Heiligen 1'arA8lo8 zurückgeht. Die Be¬
deutung des Namens bleibt freilich dunkel. Von den alten Schriftstellern wird
ein Tarasios vor dem Heiligen Tarasios überhaupt uicht erwähnt. In In¬
schriften kommt er zum erstenmal im fünften nachchristlichen Jahrhundert im
südlichen Kleinasien vor; auch die spätern Inschriften, die den Namen haben,
sind sämtlich in Cilicien oder den Nachbarlandschaften gefunden worden. Wahr¬
scheinlich stammt der Name also ans keiner griechischen Wurzel, sondern aus
einer barbarischen Sprache.

Mit ^öiresiak hat also Therese gewiß nichts zu thun. Man erkennt aber
aus diesen etwas breit gewordnen Ausführungen, wie leicht bei ethnologischen
Forschungen der Gleichklang auf Irrwege führt. Nur das eine bleibt an den
Behauptungen Kellers wahr, daß bei der Übertragung eines Namens aus
einer Sprache in die andre zuweilen ganz wunderbare Mißverständnisse mit¬
wirken, und zwar nicht nur unter „sehr ungebildeten" Leuten. Die franzö-


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[0452] Lateinische Volksetymologie und verwandtes regelmäßig in der Form larilsm, und 'larasm ist auch in einer Inschrift des elften Jahrhunderts für Veremnnds II. Tochter Therese überliefert. Nur als Nebenformen kommen "I^röLM, "I'g.rösa, MarWia, ^lior»»in und endlich auch I'Li'ösiÄ vor. Aus diesem ältesten läßt sich der Ursprung des Namens leicht nachweisen. Zu weiblichem lÄr^in gehört als Maunes- naine Laraslas, wie von ?s1agins VelaZi» und von KuloZing LuloZi» gebildet worden sind. Nach katholischer Sitte wurde das Kind eben gern nach dem Heiligen des Geburtstags getauft. War ein Mädchen an einem Tage geboren, der einem männlichen Heiligen gehörte, so wurde der Mannesname einfach durch weibliche Endung in einen Frauennamen verwandelt. Man kann sogar Fälle nachweisen, wo der Heiligenname ohne weiteres auf ein Taufkind andern Geschlechts übertragen worden ist; in Italien sind Männer sehr hänfig Nurm genannt worden, und ebenfalls in Italien ist ZZgMstÄ anch ein Fraueuncnne. Diesem Brauch verdanken ja auch so wunderliche Namen wie Petri Ketten¬ feier Rvsegger ihre Entstehung. Unter den Trügern des Namens I'kUÄsius oder un-aÄvs ist nun ein recht berühmter: Tarasios, der Patriarch von Konstantinopel, bekannt durch das zweite Konzil von Nicüa, im Jahre 787; er ist als Heiliger in die ^.vo L-motorurn aufgenommen worden, sein Tag ist der 25. Februar. Nach diesem Heiligen Tarasivs ist offenbar eine spanische Prinzessin ^rr-z-hin getauft worden, sei es daß sie an diesem Tage geboren worden war oder daß verwandtschaft¬ liche Beziehungen mit Byzanz oder andre uns unbekannte Verhältnisse die Wahl auf diesen Namen lenkten. Daß er gerade vom Königsgeschlecht auf¬ genommen wurde, erleichterte seine Verbreitung im spanischen Volke, und der Umstand, daß unter den zahlreichen spanischen Prinzessinnen dieses Namens eine Heilige war, ließ den Namen über die Grenze» Spaniens zu andern Völkern dringen. Es kann gar nicht zweifelhaft sein, daß der Name Therese auf karg-Lig. und schließlich auf den Heiligen 1'arA8lo8 zurückgeht. Die Be¬ deutung des Namens bleibt freilich dunkel. Von den alten Schriftstellern wird ein Tarasios vor dem Heiligen Tarasios überhaupt uicht erwähnt. In In¬ schriften kommt er zum erstenmal im fünften nachchristlichen Jahrhundert im südlichen Kleinasien vor; auch die spätern Inschriften, die den Namen haben, sind sämtlich in Cilicien oder den Nachbarlandschaften gefunden worden. Wahr¬ scheinlich stammt der Name also ans keiner griechischen Wurzel, sondern aus einer barbarischen Sprache. Mit ^öiresiak hat also Therese gewiß nichts zu thun. Man erkennt aber aus diesen etwas breit gewordnen Ausführungen, wie leicht bei ethnologischen Forschungen der Gleichklang auf Irrwege führt. Nur das eine bleibt an den Behauptungen Kellers wahr, daß bei der Übertragung eines Namens aus einer Sprache in die andre zuweilen ganz wunderbare Mißverständnisse mit¬ wirken, und zwar nicht nur unter „sehr ungebildeten" Leuten. Die franzö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/452>, abgerufen am 23.07.2024.