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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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frühern polytechnischen Schulen gehabt hat, denken wir zunächst an andre Un¬
zuträglichsten, als an die Zweiteilung der höchsten wissenschaftlichen Bildungs¬
stätte. Ein verhältnismäßig geringfügiges Übel ist es noch, daß sich von der
Zeit der unablässigen Umwandlungen und Schlangeuhäutungen der technischen
Lehranstalten her im großen Publikum die Vorstellung erhalten hat, daß das
Polytechnikum eine Art erhöhter Mittelschule (wie etwa seiner Zeit das
imÄuin ÄvÄäömioum) sei und daß die unerläßliche Forderung der Abiturienten¬
reife in zahlreichen Kreisen einem fortgesetzten stillen und lauten Widerstande
begegnet. Während es keinem halbwegs verständigen Menschen einfällt, seinen
Sohn mit u "zulänglich er Vorbildung ans die Universität zu schicken, wird
jede technische Hochschule unablässig von Leuten belagert, die sich den Eintritt
ohne diese Vorbildung erzwingen wollen. Der Student zweiter Klasse, der
Zuhörer, der, auf Staatsprüfung und akademische Diplomprüfung verzichtend,
sich ein erspartes Gymnasialjahr zu einem höchst zweifelhaften Gewinn rechnet
und sich darauf verläßt, daß er für seine sogenannte Praxis immer uoch
Wissenschaft genug erschnappen werde, bleibt eine sehr unerfreuliche Beigabe
der technischen Hochschulen, wenn er auch an den alten Universitäten hie und
da ein Seitenstück hat. Gewiß haben die technischen Hochschule" in noch
weit stärkeren Maße als die alten Universitäten Anlaß, außergelvöhnliche
und in irgend einer Weise hervorragende Talente ihres Gebiets, die Mlts-
mg.as mein der Engländer, wenn diese noch akademische Bildung erlangen
wollen, durchaus nach der Anschauung des Hans Suess zu behandeln'


Der Regel Güte daraus "um erwägt,
Das; sie auch mal 'ne Ausnahm' verträgt!

Aber von solchen Ausnahmen ist hier nicht die Rede, sonder" von leidigen
Nachwirkungen unklarer Anschauungen und Zustände.

Viel schwerer fällt es ins Gewicht, daß infolge der frühern Verhältnisse
in einer großen Anzahl von wichtigen Ämtern und höhern Stellungen Tech¬
niker sitzen, die mit der neuen Gestaltung der technischen Hochschulen, mit
nner wissenschaftlichen Bildung, deren Vorteile ihnen nicht zu Teil geworden
sind und die sie nun bei jungen Untergebnen antreffen, durchaus unzufrieden
sind. Natürlich ist hier nicht von jenen ausgezeichnete" Männern die Rede,
die aus eigner Kraft dem Fortschritt ihrer Wissenschaft gefolgt sind und sich
auf der Höhe dieser Wissenschaft behauptet haben. Sie wissen viel zu gut,
was sie das erreichte Ziel gekostet hat und mit welchen Hindernissen sie auf
dem Wege gekämpft haben, als daß sie den jünger" Nachfolgern die Segnungen
der gründlichen wissenschaftlichen Schulung und den spornenden Einfluß der
Hochschule mißgönnen sollten. Aber neben und nnter ihnen sitzen die alten
Herren, die mit dem, was zu ihrer Zeit in der technischen Bildungsanstalt
oder der höhern Gewerbeschule getrieben und erlernt wurde, gerade durchs


frühern polytechnischen Schulen gehabt hat, denken wir zunächst an andre Un¬
zuträglichsten, als an die Zweiteilung der höchsten wissenschaftlichen Bildungs¬
stätte. Ein verhältnismäßig geringfügiges Übel ist es noch, daß sich von der
Zeit der unablässigen Umwandlungen und Schlangeuhäutungen der technischen
Lehranstalten her im großen Publikum die Vorstellung erhalten hat, daß das
Polytechnikum eine Art erhöhter Mittelschule (wie etwa seiner Zeit das
imÄuin ÄvÄäömioum) sei und daß die unerläßliche Forderung der Abiturienten¬
reife in zahlreichen Kreisen einem fortgesetzten stillen und lauten Widerstande
begegnet. Während es keinem halbwegs verständigen Menschen einfällt, seinen
Sohn mit u »zulänglich er Vorbildung ans die Universität zu schicken, wird
jede technische Hochschule unablässig von Leuten belagert, die sich den Eintritt
ohne diese Vorbildung erzwingen wollen. Der Student zweiter Klasse, der
Zuhörer, der, auf Staatsprüfung und akademische Diplomprüfung verzichtend,
sich ein erspartes Gymnasialjahr zu einem höchst zweifelhaften Gewinn rechnet
und sich darauf verläßt, daß er für seine sogenannte Praxis immer uoch
Wissenschaft genug erschnappen werde, bleibt eine sehr unerfreuliche Beigabe
der technischen Hochschulen, wenn er auch an den alten Universitäten hie und
da ein Seitenstück hat. Gewiß haben die technischen Hochschule« in noch
weit stärkeren Maße als die alten Universitäten Anlaß, außergelvöhnliche
und in irgend einer Weise hervorragende Talente ihres Gebiets, die Mlts-
mg.as mein der Engländer, wenn diese noch akademische Bildung erlangen
wollen, durchaus nach der Anschauung des Hans Suess zu behandeln'


Der Regel Güte daraus »um erwägt,
Das; sie auch mal 'ne Ausnahm' verträgt!

Aber von solchen Ausnahmen ist hier nicht die Rede, sonder» von leidigen
Nachwirkungen unklarer Anschauungen und Zustände.

Viel schwerer fällt es ins Gewicht, daß infolge der frühern Verhältnisse
in einer großen Anzahl von wichtigen Ämtern und höhern Stellungen Tech¬
niker sitzen, die mit der neuen Gestaltung der technischen Hochschulen, mit
nner wissenschaftlichen Bildung, deren Vorteile ihnen nicht zu Teil geworden
sind und die sie nun bei jungen Untergebnen antreffen, durchaus unzufrieden
sind. Natürlich ist hier nicht von jenen ausgezeichnete» Männern die Rede,
die aus eigner Kraft dem Fortschritt ihrer Wissenschaft gefolgt sind und sich
auf der Höhe dieser Wissenschaft behauptet haben. Sie wissen viel zu gut,
was sie das erreichte Ziel gekostet hat und mit welchen Hindernissen sie auf
dem Wege gekämpft haben, als daß sie den jünger» Nachfolgern die Segnungen
der gründlichen wissenschaftlichen Schulung und den spornenden Einfluß der
Hochschule mißgönnen sollten. Aber neben und nnter ihnen sitzen die alten
Herren, die mit dem, was zu ihrer Zeit in der technischen Bildungsanstalt
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[0435] frühern polytechnischen Schulen gehabt hat, denken wir zunächst an andre Un¬ zuträglichsten, als an die Zweiteilung der höchsten wissenschaftlichen Bildungs¬ stätte. Ein verhältnismäßig geringfügiges Übel ist es noch, daß sich von der Zeit der unablässigen Umwandlungen und Schlangeuhäutungen der technischen Lehranstalten her im großen Publikum die Vorstellung erhalten hat, daß das Polytechnikum eine Art erhöhter Mittelschule (wie etwa seiner Zeit das imÄuin ÄvÄäömioum) sei und daß die unerläßliche Forderung der Abiturienten¬ reife in zahlreichen Kreisen einem fortgesetzten stillen und lauten Widerstande begegnet. Während es keinem halbwegs verständigen Menschen einfällt, seinen Sohn mit u »zulänglich er Vorbildung ans die Universität zu schicken, wird jede technische Hochschule unablässig von Leuten belagert, die sich den Eintritt ohne diese Vorbildung erzwingen wollen. Der Student zweiter Klasse, der Zuhörer, der, auf Staatsprüfung und akademische Diplomprüfung verzichtend, sich ein erspartes Gymnasialjahr zu einem höchst zweifelhaften Gewinn rechnet und sich darauf verläßt, daß er für seine sogenannte Praxis immer uoch Wissenschaft genug erschnappen werde, bleibt eine sehr unerfreuliche Beigabe der technischen Hochschulen, wenn er auch an den alten Universitäten hie und da ein Seitenstück hat. Gewiß haben die technischen Hochschule« in noch weit stärkeren Maße als die alten Universitäten Anlaß, außergelvöhnliche und in irgend einer Weise hervorragende Talente ihres Gebiets, die Mlts- mg.as mein der Engländer, wenn diese noch akademische Bildung erlangen wollen, durchaus nach der Anschauung des Hans Suess zu behandeln' Der Regel Güte daraus »um erwägt, Das; sie auch mal 'ne Ausnahm' verträgt! Aber von solchen Ausnahmen ist hier nicht die Rede, sonder» von leidigen Nachwirkungen unklarer Anschauungen und Zustände. Viel schwerer fällt es ins Gewicht, daß infolge der frühern Verhältnisse in einer großen Anzahl von wichtigen Ämtern und höhern Stellungen Tech¬ niker sitzen, die mit der neuen Gestaltung der technischen Hochschulen, mit nner wissenschaftlichen Bildung, deren Vorteile ihnen nicht zu Teil geworden sind und die sie nun bei jungen Untergebnen antreffen, durchaus unzufrieden sind. Natürlich ist hier nicht von jenen ausgezeichnete» Männern die Rede, die aus eigner Kraft dem Fortschritt ihrer Wissenschaft gefolgt sind und sich auf der Höhe dieser Wissenschaft behauptet haben. Sie wissen viel zu gut, was sie das erreichte Ziel gekostet hat und mit welchen Hindernissen sie auf dem Wege gekämpft haben, als daß sie den jünger» Nachfolgern die Segnungen der gründlichen wissenschaftlichen Schulung und den spornenden Einfluß der Hochschule mißgönnen sollten. Aber neben und nnter ihnen sitzen die alten Herren, die mit dem, was zu ihrer Zeit in der technischen Bildungsanstalt oder der höhern Gewerbeschule getrieben und erlernt wurde, gerade durchs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/435>, abgerufen am 23.07.2024.