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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Albrecht Dürer

neue Biograph nicht viel wissen. Wir erkennen darin eine gesunde Reaktion
gegen Thausings Bemühungen, den Lehrer Dürers zu einem hervorragende"
Künstler, einem geistig bedeutenden Manne, einem der ersten Vertreter
humanistischer Anschauungen und kirchlichen Freisinns in Nürnberg zu stem¬
peln. Diese Ansicht Thausings gründete sich auf eine Hypothese betreffs des
vielbesprochueu Meisters 'A. Eine Anzahl humanistisch beeinflußter Kupfer¬
stiche aus Dürers Jugendzeit sind auch in Exemplaren erhalten, die mit der
Chiffre ^ bezeichnet sind. Diese Exemplare, die man früher meistens als
Kopien des Wenzel von Olmütz nach den Originalen Dürers betrachtete, wollte
Thausing umgekehrt als die Originale der Dürerschen Stiche auffassen, und
indem er nun in der Chiffre Wolgemut erkannte, fiel der Ruhm dieser
Kompositionen natürlich ganz dem altern Nürnberger Meister zu. Seitdem
jedoch Lehrs in seinem "Wenzel von Olmütz" endgiltig nachgewiesen hat, daß
diese Stiche in der That Kopien nach Dürer sind, und daß sie mit Wolgemut
nichts zu thun haben, ist die Thausingsche Hypothese, wie es scheint, auch von
denen aufgegeben worden, die sie in geschickter Weise weitergebildet hatten. Ist
aber Wolgemut nicht der Erfinder dieser Kompositionen, ist er überhaupt
kein Kupferstecher, sondern einfacher Altarmaler und Holzschneider gewesen, so
gilt, was Springer von ihm sagt: "Er war nicht ein Mann, welcher sich
über die Kunst besondre Gedanken machte und die Seele des Lehrlings in
gührende Unruhe versetzte." Vollkommen negativ ist Springers Stellung zu
dem neuerdings gemachten Versuche, statt Wolgemuts dessen Stiefsohn und
Mitarbeiter Wilhelm Pleydenwurff als eigentlichen Lehrer Dürers hinzustellen.
Nicht einmal der Name kommt in der Biographie vor, und wir finden
Dürers Verhältnis zu den Gesellen Wolgemuts nur in folgender Weise
charakterisirt: "Daß er die letztern mit den kurzen harten Worten abspeist, er
Hütte viel von den Knechten leiden müssen, spricht nicht für ein besonders
inniges Verhältnis zu ihnen oder für eine dankbare Anerkennung ihrer Ver¬
dienste um seine künstlerische Erziehung."

Immerhin hätte hervorgehoben werden können, daß Wolgemut wenigstens im
Holzschnitt sicher Dürers Lehrer gewesen ist, und daß sich Dürers Jugendstil
im Porträt sowohl wie in der Landschaft vielfach mit dem berührt, der in
dem Atelier seines Meisters herrschte. Auch die ältern Nürnberger Bild¬
schnitzer und Erzgießer, vor allen Veit Stoß, hätten in einer populären Schil¬
derung Dürers vielleicht eine Erwähnung verdient. Denn sie waren älter als
Dürer und künstlerisch bedeutender als Wolgemut. Und wenn man auch
darauf verzichten wird, Einzelheiten in seinem Stil auf ihr Vorbild zurück¬
zuführen, so war es doch für seine stilistische Entwicklung nicht gleichgiltig,
daß er als Jüngling plastische Werke vor seinen Angen entstehen sah, an denen
er den Sinn für energische Formgebung entwickeln konnte.

Bedauere habe ich besonders, daß Springer Schougauers Einfluß auf


Albrecht Dürer

neue Biograph nicht viel wissen. Wir erkennen darin eine gesunde Reaktion
gegen Thausings Bemühungen, den Lehrer Dürers zu einem hervorragende»
Künstler, einem geistig bedeutenden Manne, einem der ersten Vertreter
humanistischer Anschauungen und kirchlichen Freisinns in Nürnberg zu stem¬
peln. Diese Ansicht Thausings gründete sich auf eine Hypothese betreffs des
vielbesprochueu Meisters 'A. Eine Anzahl humanistisch beeinflußter Kupfer¬
stiche aus Dürers Jugendzeit sind auch in Exemplaren erhalten, die mit der
Chiffre ^ bezeichnet sind. Diese Exemplare, die man früher meistens als
Kopien des Wenzel von Olmütz nach den Originalen Dürers betrachtete, wollte
Thausing umgekehrt als die Originale der Dürerschen Stiche auffassen, und
indem er nun in der Chiffre Wolgemut erkannte, fiel der Ruhm dieser
Kompositionen natürlich ganz dem altern Nürnberger Meister zu. Seitdem
jedoch Lehrs in seinem „Wenzel von Olmütz" endgiltig nachgewiesen hat, daß
diese Stiche in der That Kopien nach Dürer sind, und daß sie mit Wolgemut
nichts zu thun haben, ist die Thausingsche Hypothese, wie es scheint, auch von
denen aufgegeben worden, die sie in geschickter Weise weitergebildet hatten. Ist
aber Wolgemut nicht der Erfinder dieser Kompositionen, ist er überhaupt
kein Kupferstecher, sondern einfacher Altarmaler und Holzschneider gewesen, so
gilt, was Springer von ihm sagt: „Er war nicht ein Mann, welcher sich
über die Kunst besondre Gedanken machte und die Seele des Lehrlings in
gührende Unruhe versetzte." Vollkommen negativ ist Springers Stellung zu
dem neuerdings gemachten Versuche, statt Wolgemuts dessen Stiefsohn und
Mitarbeiter Wilhelm Pleydenwurff als eigentlichen Lehrer Dürers hinzustellen.
Nicht einmal der Name kommt in der Biographie vor, und wir finden
Dürers Verhältnis zu den Gesellen Wolgemuts nur in folgender Weise
charakterisirt: „Daß er die letztern mit den kurzen harten Worten abspeist, er
Hütte viel von den Knechten leiden müssen, spricht nicht für ein besonders
inniges Verhältnis zu ihnen oder für eine dankbare Anerkennung ihrer Ver¬
dienste um seine künstlerische Erziehung."

Immerhin hätte hervorgehoben werden können, daß Wolgemut wenigstens im
Holzschnitt sicher Dürers Lehrer gewesen ist, und daß sich Dürers Jugendstil
im Porträt sowohl wie in der Landschaft vielfach mit dem berührt, der in
dem Atelier seines Meisters herrschte. Auch die ältern Nürnberger Bild¬
schnitzer und Erzgießer, vor allen Veit Stoß, hätten in einer populären Schil¬
derung Dürers vielleicht eine Erwähnung verdient. Denn sie waren älter als
Dürer und künstlerisch bedeutender als Wolgemut. Und wenn man auch
darauf verzichten wird, Einzelheiten in seinem Stil auf ihr Vorbild zurück¬
zuführen, so war es doch für seine stilistische Entwicklung nicht gleichgiltig,
daß er als Jüngling plastische Werke vor seinen Angen entstehen sah, an denen
er den Sinn für energische Formgebung entwickeln konnte.

Bedauere habe ich besonders, daß Springer Schougauers Einfluß auf


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[0342] Albrecht Dürer neue Biograph nicht viel wissen. Wir erkennen darin eine gesunde Reaktion gegen Thausings Bemühungen, den Lehrer Dürers zu einem hervorragende» Künstler, einem geistig bedeutenden Manne, einem der ersten Vertreter humanistischer Anschauungen und kirchlichen Freisinns in Nürnberg zu stem¬ peln. Diese Ansicht Thausings gründete sich auf eine Hypothese betreffs des vielbesprochueu Meisters 'A. Eine Anzahl humanistisch beeinflußter Kupfer¬ stiche aus Dürers Jugendzeit sind auch in Exemplaren erhalten, die mit der Chiffre ^ bezeichnet sind. Diese Exemplare, die man früher meistens als Kopien des Wenzel von Olmütz nach den Originalen Dürers betrachtete, wollte Thausing umgekehrt als die Originale der Dürerschen Stiche auffassen, und indem er nun in der Chiffre Wolgemut erkannte, fiel der Ruhm dieser Kompositionen natürlich ganz dem altern Nürnberger Meister zu. Seitdem jedoch Lehrs in seinem „Wenzel von Olmütz" endgiltig nachgewiesen hat, daß diese Stiche in der That Kopien nach Dürer sind, und daß sie mit Wolgemut nichts zu thun haben, ist die Thausingsche Hypothese, wie es scheint, auch von denen aufgegeben worden, die sie in geschickter Weise weitergebildet hatten. Ist aber Wolgemut nicht der Erfinder dieser Kompositionen, ist er überhaupt kein Kupferstecher, sondern einfacher Altarmaler und Holzschneider gewesen, so gilt, was Springer von ihm sagt: „Er war nicht ein Mann, welcher sich über die Kunst besondre Gedanken machte und die Seele des Lehrlings in gührende Unruhe versetzte." Vollkommen negativ ist Springers Stellung zu dem neuerdings gemachten Versuche, statt Wolgemuts dessen Stiefsohn und Mitarbeiter Wilhelm Pleydenwurff als eigentlichen Lehrer Dürers hinzustellen. Nicht einmal der Name kommt in der Biographie vor, und wir finden Dürers Verhältnis zu den Gesellen Wolgemuts nur in folgender Weise charakterisirt: „Daß er die letztern mit den kurzen harten Worten abspeist, er Hütte viel von den Knechten leiden müssen, spricht nicht für ein besonders inniges Verhältnis zu ihnen oder für eine dankbare Anerkennung ihrer Ver¬ dienste um seine künstlerische Erziehung." Immerhin hätte hervorgehoben werden können, daß Wolgemut wenigstens im Holzschnitt sicher Dürers Lehrer gewesen ist, und daß sich Dürers Jugendstil im Porträt sowohl wie in der Landschaft vielfach mit dem berührt, der in dem Atelier seines Meisters herrschte. Auch die ältern Nürnberger Bild¬ schnitzer und Erzgießer, vor allen Veit Stoß, hätten in einer populären Schil¬ derung Dürers vielleicht eine Erwähnung verdient. Denn sie waren älter als Dürer und künstlerisch bedeutender als Wolgemut. Und wenn man auch darauf verzichten wird, Einzelheiten in seinem Stil auf ihr Vorbild zurück¬ zuführen, so war es doch für seine stilistische Entwicklung nicht gleichgiltig, daß er als Jüngling plastische Werke vor seinen Angen entstehen sah, an denen er den Sinn für energische Formgebung entwickeln konnte. Bedauere habe ich besonders, daß Springer Schougauers Einfluß auf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/342>, abgerufen am 23.07.2024.