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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Das Volksschulgesetz

bindung zu bringen. Dies ist nun insofern geschehen, als eine neue Kreis¬
behörde oder Stadtbehörde eingerichtet worden ist, was wir aus mehr als
einem Grunde willkommen heißen.

Es ist vor einiger Zeit in den Grenzboten gezeigt worden, daß in
der preußischen Verwaltung die Neigung herrscht, den Einfluß der
untern Instanzen durch die obern aufzusaugen. Das muß im Interesse einer
kräftigen, sachlich unterrichteten und sachlich entscheidenden Verwaltung beklagt
werden. Wir können heutzutage nichts weniger brauchen als den grünen
Tisch und den juristischen Formalismus. Eine Dezentralisation der Verwaltung
ist also wünschenswert. Eine solche wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf
eingerichtet. Die Kreisbehörde besteht aus dem Kreislandrate und dein Kreis¬
schulinspektor. Ihr treten in einer Anzahl von Füllen, die in dem Gesetze
bestimmt werden, gewühlte Mitglieder des Kreisausschusses bei. Diese Be¬
hörde überblickt einen genügend großen Kreis und steht zugleich den konkreten
Dingen nahe genng, unter persönlicher Kenntnis der Lage der Dinge urteilen
zu können. Gegenwärtig sind die Kreisinstanzen nur Durchgangsstatioueu,
und was das übelste ist, die rechte Hand weiß nicht, was die linke thut, da
Landrat und Kreisschulinspektor nicht mit einander in Verbindung stehen.

Die Städte bilden ihre eignen Schulbezirke. An Stelle der Kreisbehörde
tritt hier der Bürgermeister und der Kreisschulinspektor. Bedenklich erscheint,
daß der Minister keinen Unterschied in Bezug auf die Größe der Stadt machen will.
Es ist nach Einführung der Gemeindeordnung eigentlich kein Grund vorhanden,
die kleine Stadt günstiger zu behandeln als das daneben liegende ebenso
städtische Dorf. Daß in der Hand eines Bürgermeisters einer kleinen Stadt
die Befugnisse zweier Instanzen vereinigt werden, ist nicht zu billigen.

Die staatliche Verwaltung des Regierungsbezirks soll in den Händen des
Regierungspräsidenten ruhen. Damit fällt die Schuhabteilung der Negierung
weg. Doch das ist mehr eine formale als eine sachliche Anordnung.

Träger der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Volksschulen sind die bür¬
gerlichen Gemeinden. Ihnen liegt also die Aufbringung der Kosten für die
Errichtung und Erhaltung der Schulen ob; die Kosten werden wie die Kosten
der allgemeinen Verwaltung aufgebracht, also nicht durch besondre Schulsteuer,
sondern durch Gemeindesteuer. Vermögensverwaltung, Rechnung und Beschlu߬
fassung fallen also in das Gebiet des Gemeindehanshaltes und unter die Be¬
stimmungen der Gemeindeordnung. Die von dein allgemeinen Landrecht ein¬
geführte Schulgemeinde füllt weg, was an sich kein Schade ist, aber mit der
scharfen Betonung des konfessionellen Charakters der Schule nicht zusammen
Passen will. Der konfessionellen Schule entspricht doch eigentlich nur die Körper¬
schaft der Hausväter gleicher Konfession.

Für jede einzelne Schule wird ein besondrer Schnlvvrstand eingesetzt.
Der Schnlvvrstand hat die Interessen der Schule wahrzunehmen und den


Das Volksschulgesetz

bindung zu bringen. Dies ist nun insofern geschehen, als eine neue Kreis¬
behörde oder Stadtbehörde eingerichtet worden ist, was wir aus mehr als
einem Grunde willkommen heißen.

Es ist vor einiger Zeit in den Grenzboten gezeigt worden, daß in
der preußischen Verwaltung die Neigung herrscht, den Einfluß der
untern Instanzen durch die obern aufzusaugen. Das muß im Interesse einer
kräftigen, sachlich unterrichteten und sachlich entscheidenden Verwaltung beklagt
werden. Wir können heutzutage nichts weniger brauchen als den grünen
Tisch und den juristischen Formalismus. Eine Dezentralisation der Verwaltung
ist also wünschenswert. Eine solche wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf
eingerichtet. Die Kreisbehörde besteht aus dem Kreislandrate und dein Kreis¬
schulinspektor. Ihr treten in einer Anzahl von Füllen, die in dem Gesetze
bestimmt werden, gewühlte Mitglieder des Kreisausschusses bei. Diese Be¬
hörde überblickt einen genügend großen Kreis und steht zugleich den konkreten
Dingen nahe genng, unter persönlicher Kenntnis der Lage der Dinge urteilen
zu können. Gegenwärtig sind die Kreisinstanzen nur Durchgangsstatioueu,
und was das übelste ist, die rechte Hand weiß nicht, was die linke thut, da
Landrat und Kreisschulinspektor nicht mit einander in Verbindung stehen.

Die Städte bilden ihre eignen Schulbezirke. An Stelle der Kreisbehörde
tritt hier der Bürgermeister und der Kreisschulinspektor. Bedenklich erscheint,
daß der Minister keinen Unterschied in Bezug auf die Größe der Stadt machen will.
Es ist nach Einführung der Gemeindeordnung eigentlich kein Grund vorhanden,
die kleine Stadt günstiger zu behandeln als das daneben liegende ebenso
städtische Dorf. Daß in der Hand eines Bürgermeisters einer kleinen Stadt
die Befugnisse zweier Instanzen vereinigt werden, ist nicht zu billigen.

Die staatliche Verwaltung des Regierungsbezirks soll in den Händen des
Regierungspräsidenten ruhen. Damit fällt die Schuhabteilung der Negierung
weg. Doch das ist mehr eine formale als eine sachliche Anordnung.

Träger der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Volksschulen sind die bür¬
gerlichen Gemeinden. Ihnen liegt also die Aufbringung der Kosten für die
Errichtung und Erhaltung der Schulen ob; die Kosten werden wie die Kosten
der allgemeinen Verwaltung aufgebracht, also nicht durch besondre Schulsteuer,
sondern durch Gemeindesteuer. Vermögensverwaltung, Rechnung und Beschlu߬
fassung fallen also in das Gebiet des Gemeindehanshaltes und unter die Be¬
stimmungen der Gemeindeordnung. Die von dein allgemeinen Landrecht ein¬
geführte Schulgemeinde füllt weg, was an sich kein Schade ist, aber mit der
scharfen Betonung des konfessionellen Charakters der Schule nicht zusammen
Passen will. Der konfessionellen Schule entspricht doch eigentlich nur die Körper¬
schaft der Hausväter gleicher Konfession.

Für jede einzelne Schule wird ein besondrer Schnlvvrstand eingesetzt.
Der Schnlvvrstand hat die Interessen der Schule wahrzunehmen und den


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[0315] Das Volksschulgesetz bindung zu bringen. Dies ist nun insofern geschehen, als eine neue Kreis¬ behörde oder Stadtbehörde eingerichtet worden ist, was wir aus mehr als einem Grunde willkommen heißen. Es ist vor einiger Zeit in den Grenzboten gezeigt worden, daß in der preußischen Verwaltung die Neigung herrscht, den Einfluß der untern Instanzen durch die obern aufzusaugen. Das muß im Interesse einer kräftigen, sachlich unterrichteten und sachlich entscheidenden Verwaltung beklagt werden. Wir können heutzutage nichts weniger brauchen als den grünen Tisch und den juristischen Formalismus. Eine Dezentralisation der Verwaltung ist also wünschenswert. Eine solche wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf eingerichtet. Die Kreisbehörde besteht aus dem Kreislandrate und dein Kreis¬ schulinspektor. Ihr treten in einer Anzahl von Füllen, die in dem Gesetze bestimmt werden, gewühlte Mitglieder des Kreisausschusses bei. Diese Be¬ hörde überblickt einen genügend großen Kreis und steht zugleich den konkreten Dingen nahe genng, unter persönlicher Kenntnis der Lage der Dinge urteilen zu können. Gegenwärtig sind die Kreisinstanzen nur Durchgangsstatioueu, und was das übelste ist, die rechte Hand weiß nicht, was die linke thut, da Landrat und Kreisschulinspektor nicht mit einander in Verbindung stehen. Die Städte bilden ihre eignen Schulbezirke. An Stelle der Kreisbehörde tritt hier der Bürgermeister und der Kreisschulinspektor. Bedenklich erscheint, daß der Minister keinen Unterschied in Bezug auf die Größe der Stadt machen will. Es ist nach Einführung der Gemeindeordnung eigentlich kein Grund vorhanden, die kleine Stadt günstiger zu behandeln als das daneben liegende ebenso städtische Dorf. Daß in der Hand eines Bürgermeisters einer kleinen Stadt die Befugnisse zweier Instanzen vereinigt werden, ist nicht zu billigen. Die staatliche Verwaltung des Regierungsbezirks soll in den Händen des Regierungspräsidenten ruhen. Damit fällt die Schuhabteilung der Negierung weg. Doch das ist mehr eine formale als eine sachliche Anordnung. Träger der Rechtsverhältnisse der öffentlichen Volksschulen sind die bür¬ gerlichen Gemeinden. Ihnen liegt also die Aufbringung der Kosten für die Errichtung und Erhaltung der Schulen ob; die Kosten werden wie die Kosten der allgemeinen Verwaltung aufgebracht, also nicht durch besondre Schulsteuer, sondern durch Gemeindesteuer. Vermögensverwaltung, Rechnung und Beschlu߬ fassung fallen also in das Gebiet des Gemeindehanshaltes und unter die Be¬ stimmungen der Gemeindeordnung. Die von dein allgemeinen Landrecht ein¬ geführte Schulgemeinde füllt weg, was an sich kein Schade ist, aber mit der scharfen Betonung des konfessionellen Charakters der Schule nicht zusammen Passen will. Der konfessionellen Schule entspricht doch eigentlich nur die Körper¬ schaft der Hausväter gleicher Konfession. Für jede einzelne Schule wird ein besondrer Schnlvvrstand eingesetzt. Der Schnlvvrstand hat die Interessen der Schule wahrzunehmen und den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/315>, abgerufen am 23.07.2024.