Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
^"r Geschichte der napoleonischen Kriege

den Höhen hinunter auf die preußischen Bataillone und warf sie in einem
Ansturm zurück. Der Prinz Louis verlor alle Ruhe, er erkannte seinen Fehler
und wollte ihn mit seiner Reiterei wieder gut machen. Mit Ungestüm warf
er sich auf das neunte und zehnte Husarenregiment lind gewann anfangs
einige Vorteile. Als aber die französischen Reiter nochmals angriffen, warfen
sie die Preußen in die Sümpfe. Im Handgemenge war der Prinz mit dem
Unteroffizier Guindet von den zehnten Husaren zusammengeraten, der ihn auf¬
forderte, sich zu ergeben. Der Prinz beantwortete das mit einem wuchtigen
Säbelhiebe, der den Franzosen ins Gesicht traf. Dieser stieß um dem Prinzen
den Säbel durch die Brust, sodaß er auf der Stelle tot vom Pferde saut.
Nach dem Kampfe und der vollständigen Flucht der Preußen wurde der
Körper des Prinzen gefunden und auf Befehl des Marschalls Lannes in
ehrenvoller Weise auf das Saatfelder Schloß gebracht, wo er der fürstlichen
Familie, die mit Preußen verbündet war, übergeben wurde.

Interessant ist eine Mitteilung, die Marbot über die Schlacht bei Jena
macht; er behauptet, daß sie ohne den Verrat des Jenischen Pfarrers für
Napoleon nicht siegreich ausgefallen wäre. Um den Feind zu erreichen, blieb
Napoleon mir eine Straße übrig, die von Weimar dnrch das Mühlthal führt.
Die Straße, ein Engpaß, der in ein Wäldchen auslief, war am Endpunkte von
sächsischen Truppen besetzt, die auf Preußens Seite standen. Diese zu um¬
gehen schien unmöglich. Da bot dein Kaiser, erzählt Marbot, l'KöurouM ötoilv
ein unerwartetes Hilfsmittel, das von keinem Geschichtschreiber erwähnt wird,
über das ich aber mit Genauigkeit berichten kann. Ein Pfarrer ans Jena,
der die Preußen haßte und sie als die eigentlichen Feinde seines Vaterlandes
ansah, glaubte Napoleon das Mittel angeben zu können, wie die Preußen
zu vernichten wären. Er verriet ihm einen geheimen Pfad, auf dem Fu߬
soldaten die steile Höhe des Landgrafenberges erklettern konnten. Dorthin
führte er eine Abteilung und einige Offiziere des Generalstabs. Die Preußen
hatten diesen Weg für unbenützbar gehalten und ihn nicht bewacht. Aber
Napoleon urteilte anders; auf den Bericht, den ihm die Offiziere erstatteten,
machte er sich, von dem Marschall Lannes begleitet und von dem sächsischen
Pfarrer geführt, auf den Weg. Er erkannte sofort die Wichtigkeit dieses Weges
über deu Landgrafeuberg und ließ schnell alle Bataillone heranrücken, um,
den schmalen Pfad anch für die Artillerie gangbar zu machen. Jedes Bataillon
mußte eine Stunde in der Nacht bei Fackelbeleuchtung arbeiten, und da das
dahinterliegende Jena in Brand stand, so fielen die beleuchteten Stellen auf
dem Berge den Preußen nicht ans. Noch ehe der Tag anbrach, standen die
Korps der Marschälle Lannes und Soult, die erste Division Augerecms und
die Garde zu Fuß auf dem Laudgrafenberge bereit. Während des Morgen-
nebels rückten die französischen Truppen die andre Seite des Berges hinunter
auf das freie Gelände, wo sie die überraschten Preußen und Sachsen sofort


^»r Geschichte der napoleonischen Kriege

den Höhen hinunter auf die preußischen Bataillone und warf sie in einem
Ansturm zurück. Der Prinz Louis verlor alle Ruhe, er erkannte seinen Fehler
und wollte ihn mit seiner Reiterei wieder gut machen. Mit Ungestüm warf
er sich auf das neunte und zehnte Husarenregiment lind gewann anfangs
einige Vorteile. Als aber die französischen Reiter nochmals angriffen, warfen
sie die Preußen in die Sümpfe. Im Handgemenge war der Prinz mit dem
Unteroffizier Guindet von den zehnten Husaren zusammengeraten, der ihn auf¬
forderte, sich zu ergeben. Der Prinz beantwortete das mit einem wuchtigen
Säbelhiebe, der den Franzosen ins Gesicht traf. Dieser stieß um dem Prinzen
den Säbel durch die Brust, sodaß er auf der Stelle tot vom Pferde saut.
Nach dem Kampfe und der vollständigen Flucht der Preußen wurde der
Körper des Prinzen gefunden und auf Befehl des Marschalls Lannes in
ehrenvoller Weise auf das Saatfelder Schloß gebracht, wo er der fürstlichen
Familie, die mit Preußen verbündet war, übergeben wurde.

Interessant ist eine Mitteilung, die Marbot über die Schlacht bei Jena
macht; er behauptet, daß sie ohne den Verrat des Jenischen Pfarrers für
Napoleon nicht siegreich ausgefallen wäre. Um den Feind zu erreichen, blieb
Napoleon mir eine Straße übrig, die von Weimar dnrch das Mühlthal führt.
Die Straße, ein Engpaß, der in ein Wäldchen auslief, war am Endpunkte von
sächsischen Truppen besetzt, die auf Preußens Seite standen. Diese zu um¬
gehen schien unmöglich. Da bot dein Kaiser, erzählt Marbot, l'KöurouM ötoilv
ein unerwartetes Hilfsmittel, das von keinem Geschichtschreiber erwähnt wird,
über das ich aber mit Genauigkeit berichten kann. Ein Pfarrer ans Jena,
der die Preußen haßte und sie als die eigentlichen Feinde seines Vaterlandes
ansah, glaubte Napoleon das Mittel angeben zu können, wie die Preußen
zu vernichten wären. Er verriet ihm einen geheimen Pfad, auf dem Fu߬
soldaten die steile Höhe des Landgrafenberges erklettern konnten. Dorthin
führte er eine Abteilung und einige Offiziere des Generalstabs. Die Preußen
hatten diesen Weg für unbenützbar gehalten und ihn nicht bewacht. Aber
Napoleon urteilte anders; auf den Bericht, den ihm die Offiziere erstatteten,
machte er sich, von dem Marschall Lannes begleitet und von dem sächsischen
Pfarrer geführt, auf den Weg. Er erkannte sofort die Wichtigkeit dieses Weges
über deu Landgrafeuberg und ließ schnell alle Bataillone heranrücken, um,
den schmalen Pfad anch für die Artillerie gangbar zu machen. Jedes Bataillon
mußte eine Stunde in der Nacht bei Fackelbeleuchtung arbeiten, und da das
dahinterliegende Jena in Brand stand, so fielen die beleuchteten Stellen auf
dem Berge den Preußen nicht ans. Noch ehe der Tag anbrach, standen die
Korps der Marschälle Lannes und Soult, die erste Division Augerecms und
die Garde zu Fuß auf dem Laudgrafenberge bereit. Während des Morgen-
nebels rückten die französischen Truppen die andre Seite des Berges hinunter
auf das freie Gelände, wo sie die überraschten Preußen und Sachsen sofort


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211480"/>
          <fw type="header" place="top"> ^»r Geschichte der napoleonischen Kriege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_936" prev="#ID_935"> den Höhen hinunter auf die preußischen Bataillone und warf sie in einem<lb/>
Ansturm zurück. Der Prinz Louis verlor alle Ruhe, er erkannte seinen Fehler<lb/>
und wollte ihn mit seiner Reiterei wieder gut machen. Mit Ungestüm warf<lb/>
er sich auf das neunte und zehnte Husarenregiment lind gewann anfangs<lb/>
einige Vorteile. Als aber die französischen Reiter nochmals angriffen, warfen<lb/>
sie die Preußen in die Sümpfe. Im Handgemenge war der Prinz mit dem<lb/>
Unteroffizier Guindet von den zehnten Husaren zusammengeraten, der ihn auf¬<lb/>
forderte, sich zu ergeben. Der Prinz beantwortete das mit einem wuchtigen<lb/>
Säbelhiebe, der den Franzosen ins Gesicht traf. Dieser stieß um dem Prinzen<lb/>
den Säbel durch die Brust, sodaß er auf der Stelle tot vom Pferde saut.<lb/>
Nach dem Kampfe und der vollständigen Flucht der Preußen wurde der<lb/>
Körper des Prinzen gefunden und auf Befehl des Marschalls Lannes in<lb/>
ehrenvoller Weise auf das Saatfelder Schloß gebracht, wo er der fürstlichen<lb/>
Familie, die mit Preußen verbündet war, übergeben wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_937" next="#ID_938"> Interessant ist eine Mitteilung, die Marbot über die Schlacht bei Jena<lb/>
macht; er behauptet, daß sie ohne den Verrat des Jenischen Pfarrers für<lb/>
Napoleon nicht siegreich ausgefallen wäre. Um den Feind zu erreichen, blieb<lb/>
Napoleon mir eine Straße übrig, die von Weimar dnrch das Mühlthal führt.<lb/>
Die Straße, ein Engpaß, der in ein Wäldchen auslief, war am Endpunkte von<lb/>
sächsischen Truppen besetzt, die auf Preußens Seite standen.  Diese zu um¬<lb/>
gehen schien unmöglich. Da bot dein Kaiser, erzählt Marbot, l'KöurouM ötoilv<lb/>
ein unerwartetes Hilfsmittel, das von keinem Geschichtschreiber erwähnt wird,<lb/>
über das ich aber mit Genauigkeit berichten kann.  Ein Pfarrer ans Jena,<lb/>
der die Preußen haßte und sie als die eigentlichen Feinde seines Vaterlandes<lb/>
ansah, glaubte Napoleon das Mittel angeben zu können, wie die Preußen<lb/>
zu vernichten wären.  Er verriet ihm einen geheimen Pfad, auf dem Fu߬<lb/>
soldaten die steile Höhe des Landgrafenberges erklettern konnten. Dorthin<lb/>
führte er eine Abteilung und einige Offiziere des Generalstabs. Die Preußen<lb/>
hatten diesen Weg für unbenützbar gehalten und ihn nicht bewacht. Aber<lb/>
Napoleon urteilte anders; auf den Bericht, den ihm die Offiziere erstatteten,<lb/>
machte er sich, von dem Marschall Lannes begleitet und von dem sächsischen<lb/>
Pfarrer geführt, auf den Weg.  Er erkannte sofort die Wichtigkeit dieses Weges<lb/>
über deu Landgrafeuberg und ließ schnell alle Bataillone heranrücken, um,<lb/>
den schmalen Pfad anch für die Artillerie gangbar zu machen. Jedes Bataillon<lb/>
mußte eine Stunde in der Nacht bei Fackelbeleuchtung arbeiten, und da das<lb/>
dahinterliegende Jena in Brand stand, so fielen die beleuchteten Stellen auf<lb/>
dem Berge den Preußen nicht ans.  Noch ehe der Tag anbrach, standen die<lb/>
Korps der Marschälle Lannes und Soult, die erste Division Augerecms und<lb/>
die Garde zu Fuß auf dem Laudgrafenberge bereit.  Während des Morgen-<lb/>
nebels rückten die französischen Truppen die andre Seite des Berges hinunter<lb/>
auf das freie Gelände, wo sie die überraschten Preußen und Sachsen sofort</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0312] ^»r Geschichte der napoleonischen Kriege den Höhen hinunter auf die preußischen Bataillone und warf sie in einem Ansturm zurück. Der Prinz Louis verlor alle Ruhe, er erkannte seinen Fehler und wollte ihn mit seiner Reiterei wieder gut machen. Mit Ungestüm warf er sich auf das neunte und zehnte Husarenregiment lind gewann anfangs einige Vorteile. Als aber die französischen Reiter nochmals angriffen, warfen sie die Preußen in die Sümpfe. Im Handgemenge war der Prinz mit dem Unteroffizier Guindet von den zehnten Husaren zusammengeraten, der ihn auf¬ forderte, sich zu ergeben. Der Prinz beantwortete das mit einem wuchtigen Säbelhiebe, der den Franzosen ins Gesicht traf. Dieser stieß um dem Prinzen den Säbel durch die Brust, sodaß er auf der Stelle tot vom Pferde saut. Nach dem Kampfe und der vollständigen Flucht der Preußen wurde der Körper des Prinzen gefunden und auf Befehl des Marschalls Lannes in ehrenvoller Weise auf das Saatfelder Schloß gebracht, wo er der fürstlichen Familie, die mit Preußen verbündet war, übergeben wurde. Interessant ist eine Mitteilung, die Marbot über die Schlacht bei Jena macht; er behauptet, daß sie ohne den Verrat des Jenischen Pfarrers für Napoleon nicht siegreich ausgefallen wäre. Um den Feind zu erreichen, blieb Napoleon mir eine Straße übrig, die von Weimar dnrch das Mühlthal führt. Die Straße, ein Engpaß, der in ein Wäldchen auslief, war am Endpunkte von sächsischen Truppen besetzt, die auf Preußens Seite standen. Diese zu um¬ gehen schien unmöglich. Da bot dein Kaiser, erzählt Marbot, l'KöurouM ötoilv ein unerwartetes Hilfsmittel, das von keinem Geschichtschreiber erwähnt wird, über das ich aber mit Genauigkeit berichten kann. Ein Pfarrer ans Jena, der die Preußen haßte und sie als die eigentlichen Feinde seines Vaterlandes ansah, glaubte Napoleon das Mittel angeben zu können, wie die Preußen zu vernichten wären. Er verriet ihm einen geheimen Pfad, auf dem Fu߬ soldaten die steile Höhe des Landgrafenberges erklettern konnten. Dorthin führte er eine Abteilung und einige Offiziere des Generalstabs. Die Preußen hatten diesen Weg für unbenützbar gehalten und ihn nicht bewacht. Aber Napoleon urteilte anders; auf den Bericht, den ihm die Offiziere erstatteten, machte er sich, von dem Marschall Lannes begleitet und von dem sächsischen Pfarrer geführt, auf den Weg. Er erkannte sofort die Wichtigkeit dieses Weges über deu Landgrafeuberg und ließ schnell alle Bataillone heranrücken, um, den schmalen Pfad anch für die Artillerie gangbar zu machen. Jedes Bataillon mußte eine Stunde in der Nacht bei Fackelbeleuchtung arbeiten, und da das dahinterliegende Jena in Brand stand, so fielen die beleuchteten Stellen auf dem Berge den Preußen nicht ans. Noch ehe der Tag anbrach, standen die Korps der Marschälle Lannes und Soult, die erste Division Augerecms und die Garde zu Fuß auf dem Laudgrafenberge bereit. Während des Morgen- nebels rückten die französischen Truppen die andre Seite des Berges hinunter auf das freie Gelände, wo sie die überraschten Preußen und Sachsen sofort

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/312
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/312>, abgerufen am 23.07.2024.