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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zur Bonrtoilnng der Rogee

bau und Gewerbe darnieder. Der Sparsinn ist wenig entwickelt. Der Regel
fehlen nicht glänzende Ausnahmen, aber noch ist deren Zahl zu klein. Im
äußern Leben tritt die Putzsucht, aber auch das soziale Talent des Negers her¬
vor, denn er bewegt sich nicht ohne Takt und Gemessenheit in den "höhern
Kreisen" Monrovias. Dem, hoch entwickelten Vereins- und Kirchenleben steht
die schlechte Besoldung der Geistlichen und Lehrer gegenüber. Die Mäßigkeits¬
vereine haben nicht ohne Erfolg gearbeitet. Ganz wie in Amerika zeigt auch
hier der Neger eine gleichsam angeborne Neigung zum Methodismus und
Baptismus, deren "Camp-Meetings" blühen chübsche Beschreibung S. IK5 f.),
bekundet aber weniger Neigung, als man erwarten sollte, die Eingebornen, die
Iinstl-eng'g'ers zu erleuchten. Immerhin ist eine gewisse Bildung verbreitet, und
Büttikofer hat sogar eine Reisebeschreibung eiues Liberianers'') zu verzeichnen.
Aber wenn er sich auch mit vollem Recht gegen die wendet, die den Stab
über Liberia brechen, muß er doch zugeben, daß seit der Gründung sehr
wenig Fortschritte, in einigen Richtungen unzweifelhaft Rückschritte gemacht
worden sind.

Das durchaus nicht lichtvolle Bild des selbständigen Negerstaates gewinnt
nicht an Helle durch die Gegenüberstellung der ganz nahe gelegenen und ebenfalls
aus der Ansiedlung befreiter Negersklaven hervorgegangncn britischen Kolonie
Sierra Leone. Der Vergleich ihrer Hauptstadt Monrovia mit der Liberias ist
sehr lehrreich. Wohl hat Monrovia den Vorzug einer gesundem, kühlern und
schönern Lage, wohl wandelt es sich angenehmer in seinen mit Grün bewachsenen
breiten Straßen und auf deu breiten Trottoirs, und es macht überhaupt die
Stadt in ihrem Nahmen von ewigem Grün, von schattenspendenden Mango¬
bäumen, mit ihren Kokospalmen und den mit Gebüsch bewachsenen leeren Par¬
zellen einen wohlthuenden Eindruck als Freetvwn, ans dessen sauber gehaltene,
aber schattenlose Straßen die Sonne mit mörderischer Glut herniederbrenut.
Dagegen hat Freetowu seine Wasserleitung, die jahrein und -aus die Stadt
mit vortrefflichem, kaltem Trinkwasser versieht, und gut erhaltene, wenn auch
nicht gerade schöne öffentliche und Privatgebäude. In Freetvwn findet man
Pferde und Wagen, Esel und Zugochsen, während man sich in Liberia, selbst
in Monrovia, mit eingebornen Negern als Lastträgern behelfen muß. Sierra
Leone erzeugt viel mehr und manuichfaltigeres als Liberia, der Markt vou
Monrovia bietet das Bild der Armut neben der üppigen Fülle Freetowns.
Sogar die einfache Tracht der Weiber -- sie gehen hier in langem blauen
Gürteltalar und kleinem Turban -- ist erfreulicher als die Karikaturen euro¬
päischer und nordamerikanischen Moden in Liberia.

Über die politische Lage entnehmen wir Büttikofers zweitem Bande folgende
Angaben. Die Bevölkerung Liberias besteht aus frühern Negersklave" Mulatten),



') Benj. Anderson, 5I"ri'!>.divo ot' ^om'nsz? de" NnstU'as. Newyork, 1870.
Zur Bonrtoilnng der Rogee

bau und Gewerbe darnieder. Der Sparsinn ist wenig entwickelt. Der Regel
fehlen nicht glänzende Ausnahmen, aber noch ist deren Zahl zu klein. Im
äußern Leben tritt die Putzsucht, aber auch das soziale Talent des Negers her¬
vor, denn er bewegt sich nicht ohne Takt und Gemessenheit in den „höhern
Kreisen" Monrovias. Dem, hoch entwickelten Vereins- und Kirchenleben steht
die schlechte Besoldung der Geistlichen und Lehrer gegenüber. Die Mäßigkeits¬
vereine haben nicht ohne Erfolg gearbeitet. Ganz wie in Amerika zeigt auch
hier der Neger eine gleichsam angeborne Neigung zum Methodismus und
Baptismus, deren „Camp-Meetings" blühen chübsche Beschreibung S. IK5 f.),
bekundet aber weniger Neigung, als man erwarten sollte, die Eingebornen, die
Iinstl-eng'g'ers zu erleuchten. Immerhin ist eine gewisse Bildung verbreitet, und
Büttikofer hat sogar eine Reisebeschreibung eiues Liberianers'') zu verzeichnen.
Aber wenn er sich auch mit vollem Recht gegen die wendet, die den Stab
über Liberia brechen, muß er doch zugeben, daß seit der Gründung sehr
wenig Fortschritte, in einigen Richtungen unzweifelhaft Rückschritte gemacht
worden sind.

Das durchaus nicht lichtvolle Bild des selbständigen Negerstaates gewinnt
nicht an Helle durch die Gegenüberstellung der ganz nahe gelegenen und ebenfalls
aus der Ansiedlung befreiter Negersklaven hervorgegangncn britischen Kolonie
Sierra Leone. Der Vergleich ihrer Hauptstadt Monrovia mit der Liberias ist
sehr lehrreich. Wohl hat Monrovia den Vorzug einer gesundem, kühlern und
schönern Lage, wohl wandelt es sich angenehmer in seinen mit Grün bewachsenen
breiten Straßen und auf deu breiten Trottoirs, und es macht überhaupt die
Stadt in ihrem Nahmen von ewigem Grün, von schattenspendenden Mango¬
bäumen, mit ihren Kokospalmen und den mit Gebüsch bewachsenen leeren Par¬
zellen einen wohlthuenden Eindruck als Freetvwn, ans dessen sauber gehaltene,
aber schattenlose Straßen die Sonne mit mörderischer Glut herniederbrenut.
Dagegen hat Freetowu seine Wasserleitung, die jahrein und -aus die Stadt
mit vortrefflichem, kaltem Trinkwasser versieht, und gut erhaltene, wenn auch
nicht gerade schöne öffentliche und Privatgebäude. In Freetvwn findet man
Pferde und Wagen, Esel und Zugochsen, während man sich in Liberia, selbst
in Monrovia, mit eingebornen Negern als Lastträgern behelfen muß. Sierra
Leone erzeugt viel mehr und manuichfaltigeres als Liberia, der Markt vou
Monrovia bietet das Bild der Armut neben der üppigen Fülle Freetowns.
Sogar die einfache Tracht der Weiber — sie gehen hier in langem blauen
Gürteltalar und kleinem Turban — ist erfreulicher als die Karikaturen euro¬
päischer und nordamerikanischen Moden in Liberia.

Über die politische Lage entnehmen wir Büttikofers zweitem Bande folgende
Angaben. Die Bevölkerung Liberias besteht aus frühern Negersklave» Mulatten),



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[0030] Zur Bonrtoilnng der Rogee bau und Gewerbe darnieder. Der Sparsinn ist wenig entwickelt. Der Regel fehlen nicht glänzende Ausnahmen, aber noch ist deren Zahl zu klein. Im äußern Leben tritt die Putzsucht, aber auch das soziale Talent des Negers her¬ vor, denn er bewegt sich nicht ohne Takt und Gemessenheit in den „höhern Kreisen" Monrovias. Dem, hoch entwickelten Vereins- und Kirchenleben steht die schlechte Besoldung der Geistlichen und Lehrer gegenüber. Die Mäßigkeits¬ vereine haben nicht ohne Erfolg gearbeitet. Ganz wie in Amerika zeigt auch hier der Neger eine gleichsam angeborne Neigung zum Methodismus und Baptismus, deren „Camp-Meetings" blühen chübsche Beschreibung S. IK5 f.), bekundet aber weniger Neigung, als man erwarten sollte, die Eingebornen, die Iinstl-eng'g'ers zu erleuchten. Immerhin ist eine gewisse Bildung verbreitet, und Büttikofer hat sogar eine Reisebeschreibung eiues Liberianers'') zu verzeichnen. Aber wenn er sich auch mit vollem Recht gegen die wendet, die den Stab über Liberia brechen, muß er doch zugeben, daß seit der Gründung sehr wenig Fortschritte, in einigen Richtungen unzweifelhaft Rückschritte gemacht worden sind. Das durchaus nicht lichtvolle Bild des selbständigen Negerstaates gewinnt nicht an Helle durch die Gegenüberstellung der ganz nahe gelegenen und ebenfalls aus der Ansiedlung befreiter Negersklaven hervorgegangncn britischen Kolonie Sierra Leone. Der Vergleich ihrer Hauptstadt Monrovia mit der Liberias ist sehr lehrreich. Wohl hat Monrovia den Vorzug einer gesundem, kühlern und schönern Lage, wohl wandelt es sich angenehmer in seinen mit Grün bewachsenen breiten Straßen und auf deu breiten Trottoirs, und es macht überhaupt die Stadt in ihrem Nahmen von ewigem Grün, von schattenspendenden Mango¬ bäumen, mit ihren Kokospalmen und den mit Gebüsch bewachsenen leeren Par¬ zellen einen wohlthuenden Eindruck als Freetvwn, ans dessen sauber gehaltene, aber schattenlose Straßen die Sonne mit mörderischer Glut herniederbrenut. Dagegen hat Freetowu seine Wasserleitung, die jahrein und -aus die Stadt mit vortrefflichem, kaltem Trinkwasser versieht, und gut erhaltene, wenn auch nicht gerade schöne öffentliche und Privatgebäude. In Freetvwn findet man Pferde und Wagen, Esel und Zugochsen, während man sich in Liberia, selbst in Monrovia, mit eingebornen Negern als Lastträgern behelfen muß. Sierra Leone erzeugt viel mehr und manuichfaltigeres als Liberia, der Markt vou Monrovia bietet das Bild der Armut neben der üppigen Fülle Freetowns. Sogar die einfache Tracht der Weiber — sie gehen hier in langem blauen Gürteltalar und kleinem Turban — ist erfreulicher als die Karikaturen euro¬ päischer und nordamerikanischen Moden in Liberia. Über die politische Lage entnehmen wir Büttikofers zweitem Bande folgende Angaben. Die Bevölkerung Liberias besteht aus frühern Negersklave» Mulatten), ') Benj. Anderson, 5I»ri'!>.divo ot' ^om'nsz? de» NnstU'as. Newyork, 1870.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/30>, abgerufen am 23.07.2024.