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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zur Beurteilung der Neger

"sofern er weiß oder den Umständen nach annehmen muß" zu erklären. Sie
ist dem Verfasser vielleicht entschlüpft in der Erinnerung an h 259 des Straf¬
gesetzbuchs, der den als Hehler bestraft, der seines Vorteils wegen Sachen, von
denen er "weiß oder den Umständen nach annehmen muß," daß sie durch eine
strafbare Handlung erlangt worden sind, verheimlicht u. s. w. Im letztern
Falle handelt es sich um etwas Geschehenes. Dies kann Gegenstand des
Wissens sein. Ob das Borgen von geistigem Getränk dem Hange des Em¬
pfängers zum Trunk Vorschub leiste, ist dagegen lediglich Sache der Beurteilung
von Ursache und Wirkung. Ein über eine "Annahme" hinausgehendes Wissen
ist logisch ausgeschlossen.

Ganz zuletzt müssen wir noch darauf hinweisen, wie große Bedenken der
§ 15 dem gewissenhaften Wirt bereiten und wie verführerisch der von ihm ge¬
währte Spielraum auf den gewinnsüchtigen Wirt würde einwirken müssen.

"Schluß folgt,




Zur Beurteilung der Neger

ir h aben alle Ursache, uns um den Charakter und die Fähigkeiten
der Neger zu kümmern. Zu dem Anteil an dem Werke der Er¬
ziehung der heidnischen Afrikaner, den schon seit zwei Jahrhun¬
derten unsre Missionare übernehmen, ist durch die Besitzergreifung
ein viel größerer und noch verantwortungsvollerer der weltlichen
Macht zugefallen. Man kann die Aufgabe der Kolonialpolitik fassen, wie man
will, selbst rein als Ausbeutung politischer Güter und wirtschaftlicher Reich¬
tümer, man stößt immer auf die Frage der Erziehung, und in höherer Auf¬
fassung ist die ganze Kolonialpolitik Erziehungspolitik. Die Religion, die
politischen Erwägungen, das wirtschaftliche Interesse und jene Summe von Ge¬
fühlen und Mitgefühlen, die wir Menschlichkeit nennen, weisen alle aus diesen
Punkt. Der Neger muß aus seinem Heidentum herausgerissen, aus seiner
Sklaverei gelöst, ans seiner Trägheit vertrieben werden, und das ist vor allem
notwendig wegen seiner Unentbehrlichkeit auf dem Boden, den er innehat, und
auf dem wir oder andre ihn nicht ersetzen können, auf dem er aber in seinem
wie in unserm Interesse mehr leisten muß als bisher. Der Neger trägt anch
in seinem Charakter Merkmale, die der Kindheit und nicht der Reise eigen sind;
er wird deswegen vielleicht niemals ganz selbständig werden können. Um so
schwerer ist die Ausgabe der Europäer, die ihn in die Schule zu nehmen haben.


Zur Beurteilung der Neger

„sofern er weiß oder den Umständen nach annehmen muß" zu erklären. Sie
ist dem Verfasser vielleicht entschlüpft in der Erinnerung an h 259 des Straf¬
gesetzbuchs, der den als Hehler bestraft, der seines Vorteils wegen Sachen, von
denen er „weiß oder den Umständen nach annehmen muß," daß sie durch eine
strafbare Handlung erlangt worden sind, verheimlicht u. s. w. Im letztern
Falle handelt es sich um etwas Geschehenes. Dies kann Gegenstand des
Wissens sein. Ob das Borgen von geistigem Getränk dem Hange des Em¬
pfängers zum Trunk Vorschub leiste, ist dagegen lediglich Sache der Beurteilung
von Ursache und Wirkung. Ein über eine „Annahme" hinausgehendes Wissen
ist logisch ausgeschlossen.

Ganz zuletzt müssen wir noch darauf hinweisen, wie große Bedenken der
§ 15 dem gewissenhaften Wirt bereiten und wie verführerisch der von ihm ge¬
währte Spielraum auf den gewinnsüchtigen Wirt würde einwirken müssen.

«Schluß folgt,




Zur Beurteilung der Neger

ir h aben alle Ursache, uns um den Charakter und die Fähigkeiten
der Neger zu kümmern. Zu dem Anteil an dem Werke der Er¬
ziehung der heidnischen Afrikaner, den schon seit zwei Jahrhun¬
derten unsre Missionare übernehmen, ist durch die Besitzergreifung
ein viel größerer und noch verantwortungsvollerer der weltlichen
Macht zugefallen. Man kann die Aufgabe der Kolonialpolitik fassen, wie man
will, selbst rein als Ausbeutung politischer Güter und wirtschaftlicher Reich¬
tümer, man stößt immer auf die Frage der Erziehung, und in höherer Auf¬
fassung ist die ganze Kolonialpolitik Erziehungspolitik. Die Religion, die
politischen Erwägungen, das wirtschaftliche Interesse und jene Summe von Ge¬
fühlen und Mitgefühlen, die wir Menschlichkeit nennen, weisen alle aus diesen
Punkt. Der Neger muß aus seinem Heidentum herausgerissen, aus seiner
Sklaverei gelöst, ans seiner Trägheit vertrieben werden, und das ist vor allem
notwendig wegen seiner Unentbehrlichkeit auf dem Boden, den er innehat, und
auf dem wir oder andre ihn nicht ersetzen können, auf dem er aber in seinem
wie in unserm Interesse mehr leisten muß als bisher. Der Neger trägt anch
in seinem Charakter Merkmale, die der Kindheit und nicht der Reise eigen sind;
er wird deswegen vielleicht niemals ganz selbständig werden können. Um so
schwerer ist die Ausgabe der Europäer, die ihn in die Schule zu nehmen haben.


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[0028] Zur Beurteilung der Neger „sofern er weiß oder den Umständen nach annehmen muß" zu erklären. Sie ist dem Verfasser vielleicht entschlüpft in der Erinnerung an h 259 des Straf¬ gesetzbuchs, der den als Hehler bestraft, der seines Vorteils wegen Sachen, von denen er „weiß oder den Umständen nach annehmen muß," daß sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden sind, verheimlicht u. s. w. Im letztern Falle handelt es sich um etwas Geschehenes. Dies kann Gegenstand des Wissens sein. Ob das Borgen von geistigem Getränk dem Hange des Em¬ pfängers zum Trunk Vorschub leiste, ist dagegen lediglich Sache der Beurteilung von Ursache und Wirkung. Ein über eine „Annahme" hinausgehendes Wissen ist logisch ausgeschlossen. Ganz zuletzt müssen wir noch darauf hinweisen, wie große Bedenken der § 15 dem gewissenhaften Wirt bereiten und wie verführerisch der von ihm ge¬ währte Spielraum auf den gewinnsüchtigen Wirt würde einwirken müssen. «Schluß folgt, Zur Beurteilung der Neger ir h aben alle Ursache, uns um den Charakter und die Fähigkeiten der Neger zu kümmern. Zu dem Anteil an dem Werke der Er¬ ziehung der heidnischen Afrikaner, den schon seit zwei Jahrhun¬ derten unsre Missionare übernehmen, ist durch die Besitzergreifung ein viel größerer und noch verantwortungsvollerer der weltlichen Macht zugefallen. Man kann die Aufgabe der Kolonialpolitik fassen, wie man will, selbst rein als Ausbeutung politischer Güter und wirtschaftlicher Reich¬ tümer, man stößt immer auf die Frage der Erziehung, und in höherer Auf¬ fassung ist die ganze Kolonialpolitik Erziehungspolitik. Die Religion, die politischen Erwägungen, das wirtschaftliche Interesse und jene Summe von Ge¬ fühlen und Mitgefühlen, die wir Menschlichkeit nennen, weisen alle aus diesen Punkt. Der Neger muß aus seinem Heidentum herausgerissen, aus seiner Sklaverei gelöst, ans seiner Trägheit vertrieben werden, und das ist vor allem notwendig wegen seiner Unentbehrlichkeit auf dem Boden, den er innehat, und auf dem wir oder andre ihn nicht ersetzen können, auf dem er aber in seinem wie in unserm Interesse mehr leisten muß als bisher. Der Neger trägt anch in seinem Charakter Merkmale, die der Kindheit und nicht der Reise eigen sind; er wird deswegen vielleicht niemals ganz selbständig werden können. Um so schwerer ist die Ausgabe der Europäer, die ihn in die Schule zu nehmen haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/28>, abgerufen am 23.07.2024.