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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der Überfluß an Gerichtsassessoren

gemachten Vorschlüge ohne Zweifel entstehenden dauernden Mehrkosten wegzu-
beweisen, denn natürlich kann der Staat, wenn er plötzlich über tausend bisher
unbesoldete Beamte besoldet, das nicht ohne dauernde Mehraufwendungen
durchführen; es soll aber gezeigt werden, daß diese Mehrkosten geringer sind, als
sie wahrscheinlich angeschlagen werden, wenn bei einem solchen Anschlage z. V.
der Wegfall andrer Staatsausgaben (wie im vorliegenden Vorschlage der Be¬
soldungen der jetzigen Amtsanwälte) nicht in Aussicht genommen wird. Daß
ein jährlicher Mehraufwand von einigen hunderttausend Mark in den Kauf ge¬
nommen werden müßte, halten wir für ebenso sicher, wie dnß weiten Kreisen
dieser Mehraufwand nicht zu groß erscheinen würde, wo es gilt, eine Art
Ehrenpflicht des Staates zu erfüllen, Beamte, deren Dienste er in Anspruch
nimmt, zu bezahlen und einer wachsenden sozialen Gefahr vorzubeugen.

Schließlich bleibt uoch zu erörtern, ob die Einrichtung der Amtsanwalt-
schnft sachlich die vvrgeschlagne Änderung vertragen würde. Die Annahme,
daß in den Händen zum Richteramt geeigneter Assessoren sowohl die jetzigen an¬
klagebehördlichen Aufgaben der Amtsanwülte, als auch die Vorsteherschaft kleiner
Gefängnisse, die Aufsicht über das Strafregisterwesen und die Vernehmungs¬
thätigkeit im strafprozessualischen Vorverfahren voraussichtlich sachgemäß und
zweckdienlich erledigt werden würden, wird füglich nicht zu begründeten Zweifeln
Anlaß geben. Das einzig bedenkliche könnte der voraussichtlich häufigere
Wechsel in der Person der Amtsanwälte sein. Immerhin wird aber ein mit
der Amtsanwaltschaft betrauter Assessor durchschnittlich mindestens ein Jahr --
in Zeiten der "Hochflut," wie jetzt, meist viel länger -- in derselben Stellung
bleiben, und das dürfte genügen , eine sachliche Gefährlichkeit des häufigern
Personenwechsels in diesen immerhin nicht sonderlich schwierigen Stellungen
auszuschließen. Amtsräume für die vergrößerten Amtsanwaltschcisten würden
ebenfalls infolge der Entlastung der Amtsgerichte in deren Dienstrüumen sast
überall ohne Schwierigkeit zu beschaffen sein.

Soweit unsre Vorschläge. Denkt man sie sich durchgeführt, so würde der
"unbesoldete Assessor" zu vieler Freude und niemandes Leide ans der preu¬
ßischen Jnstizverwaltuug verschwinden, und der dienstliche Beschäftigungsgang
eines Aspiranten des Richter- oder Staatsanwaltsamtes würde dann der
sein, daß er sofort oder doch sicherlich sehr bald nach der Staatsprüfung zum
Amtsanwalt mit 150 Mark monatlichen Gehalt bestellt würde (jeder Assessor
würde natürlich unbedingt zur Übernahme solcher Stellung verpflichtet sein)
und als älterer Assessor zur kommissarischen Verwaltung einer Richter- oder
Staatsanwaltsstelle oder zu der Stellung eines "ersten Amtsanwalts" bei
einem, größern Amtsgericht gelangen und daun höhern Gehalt beziehen würde.
Die "Anciennität" würde sehr gut darin zu beobachten sein, daß immer ge¬
rade die ältesten Assessoren die Kommissorien mit den höhern Gehaltssätzen
erhalten würden.


Der Überfluß an Gerichtsassessoren

gemachten Vorschlüge ohne Zweifel entstehenden dauernden Mehrkosten wegzu-
beweisen, denn natürlich kann der Staat, wenn er plötzlich über tausend bisher
unbesoldete Beamte besoldet, das nicht ohne dauernde Mehraufwendungen
durchführen; es soll aber gezeigt werden, daß diese Mehrkosten geringer sind, als
sie wahrscheinlich angeschlagen werden, wenn bei einem solchen Anschlage z. V.
der Wegfall andrer Staatsausgaben (wie im vorliegenden Vorschlage der Be¬
soldungen der jetzigen Amtsanwälte) nicht in Aussicht genommen wird. Daß
ein jährlicher Mehraufwand von einigen hunderttausend Mark in den Kauf ge¬
nommen werden müßte, halten wir für ebenso sicher, wie dnß weiten Kreisen
dieser Mehraufwand nicht zu groß erscheinen würde, wo es gilt, eine Art
Ehrenpflicht des Staates zu erfüllen, Beamte, deren Dienste er in Anspruch
nimmt, zu bezahlen und einer wachsenden sozialen Gefahr vorzubeugen.

Schließlich bleibt uoch zu erörtern, ob die Einrichtung der Amtsanwalt-
schnft sachlich die vvrgeschlagne Änderung vertragen würde. Die Annahme,
daß in den Händen zum Richteramt geeigneter Assessoren sowohl die jetzigen an¬
klagebehördlichen Aufgaben der Amtsanwülte, als auch die Vorsteherschaft kleiner
Gefängnisse, die Aufsicht über das Strafregisterwesen und die Vernehmungs¬
thätigkeit im strafprozessualischen Vorverfahren voraussichtlich sachgemäß und
zweckdienlich erledigt werden würden, wird füglich nicht zu begründeten Zweifeln
Anlaß geben. Das einzig bedenkliche könnte der voraussichtlich häufigere
Wechsel in der Person der Amtsanwälte sein. Immerhin wird aber ein mit
der Amtsanwaltschaft betrauter Assessor durchschnittlich mindestens ein Jahr —
in Zeiten der „Hochflut," wie jetzt, meist viel länger — in derselben Stellung
bleiben, und das dürfte genügen , eine sachliche Gefährlichkeit des häufigern
Personenwechsels in diesen immerhin nicht sonderlich schwierigen Stellungen
auszuschließen. Amtsräume für die vergrößerten Amtsanwaltschcisten würden
ebenfalls infolge der Entlastung der Amtsgerichte in deren Dienstrüumen sast
überall ohne Schwierigkeit zu beschaffen sein.

Soweit unsre Vorschläge. Denkt man sie sich durchgeführt, so würde der
„unbesoldete Assessor" zu vieler Freude und niemandes Leide ans der preu¬
ßischen Jnstizverwaltuug verschwinden, und der dienstliche Beschäftigungsgang
eines Aspiranten des Richter- oder Staatsanwaltsamtes würde dann der
sein, daß er sofort oder doch sicherlich sehr bald nach der Staatsprüfung zum
Amtsanwalt mit 150 Mark monatlichen Gehalt bestellt würde (jeder Assessor
würde natürlich unbedingt zur Übernahme solcher Stellung verpflichtet sein)
und als älterer Assessor zur kommissarischen Verwaltung einer Richter- oder
Staatsanwaltsstelle oder zu der Stellung eines „ersten Amtsanwalts" bei
einem, größern Amtsgericht gelangen und daun höhern Gehalt beziehen würde.
Die „Anciennität" würde sehr gut darin zu beobachten sein, daß immer ge¬
rade die ältesten Assessoren die Kommissorien mit den höhern Gehaltssätzen
erhalten würden.


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[0239] Der Überfluß an Gerichtsassessoren gemachten Vorschlüge ohne Zweifel entstehenden dauernden Mehrkosten wegzu- beweisen, denn natürlich kann der Staat, wenn er plötzlich über tausend bisher unbesoldete Beamte besoldet, das nicht ohne dauernde Mehraufwendungen durchführen; es soll aber gezeigt werden, daß diese Mehrkosten geringer sind, als sie wahrscheinlich angeschlagen werden, wenn bei einem solchen Anschlage z. V. der Wegfall andrer Staatsausgaben (wie im vorliegenden Vorschlage der Be¬ soldungen der jetzigen Amtsanwälte) nicht in Aussicht genommen wird. Daß ein jährlicher Mehraufwand von einigen hunderttausend Mark in den Kauf ge¬ nommen werden müßte, halten wir für ebenso sicher, wie dnß weiten Kreisen dieser Mehraufwand nicht zu groß erscheinen würde, wo es gilt, eine Art Ehrenpflicht des Staates zu erfüllen, Beamte, deren Dienste er in Anspruch nimmt, zu bezahlen und einer wachsenden sozialen Gefahr vorzubeugen. Schließlich bleibt uoch zu erörtern, ob die Einrichtung der Amtsanwalt- schnft sachlich die vvrgeschlagne Änderung vertragen würde. Die Annahme, daß in den Händen zum Richteramt geeigneter Assessoren sowohl die jetzigen an¬ klagebehördlichen Aufgaben der Amtsanwülte, als auch die Vorsteherschaft kleiner Gefängnisse, die Aufsicht über das Strafregisterwesen und die Vernehmungs¬ thätigkeit im strafprozessualischen Vorverfahren voraussichtlich sachgemäß und zweckdienlich erledigt werden würden, wird füglich nicht zu begründeten Zweifeln Anlaß geben. Das einzig bedenkliche könnte der voraussichtlich häufigere Wechsel in der Person der Amtsanwälte sein. Immerhin wird aber ein mit der Amtsanwaltschaft betrauter Assessor durchschnittlich mindestens ein Jahr — in Zeiten der „Hochflut," wie jetzt, meist viel länger — in derselben Stellung bleiben, und das dürfte genügen , eine sachliche Gefährlichkeit des häufigern Personenwechsels in diesen immerhin nicht sonderlich schwierigen Stellungen auszuschließen. Amtsräume für die vergrößerten Amtsanwaltschcisten würden ebenfalls infolge der Entlastung der Amtsgerichte in deren Dienstrüumen sast überall ohne Schwierigkeit zu beschaffen sein. Soweit unsre Vorschläge. Denkt man sie sich durchgeführt, so würde der „unbesoldete Assessor" zu vieler Freude und niemandes Leide ans der preu¬ ßischen Jnstizverwaltuug verschwinden, und der dienstliche Beschäftigungsgang eines Aspiranten des Richter- oder Staatsanwaltsamtes würde dann der sein, daß er sofort oder doch sicherlich sehr bald nach der Staatsprüfung zum Amtsanwalt mit 150 Mark monatlichen Gehalt bestellt würde (jeder Assessor würde natürlich unbedingt zur Übernahme solcher Stellung verpflichtet sein) und als älterer Assessor zur kommissarischen Verwaltung einer Richter- oder Staatsanwaltsstelle oder zu der Stellung eines „ersten Amtsanwalts" bei einem, größern Amtsgericht gelangen und daun höhern Gehalt beziehen würde. Die „Anciennität" würde sehr gut darin zu beobachten sein, daß immer ge¬ rade die ältesten Assessoren die Kommissorien mit den höhern Gehaltssätzen erhalten würden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/239>, abgerufen am 23.07.2024.