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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Der Überfluß an Gerichtsassessoreu

vollauf in Anspruch genommenen Pvlizeiverwalter gerade diese Seite ihrer
Thätigkeit, insbesondre die Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen,
mehr oder weniger ihren Polizei- oder Amtssekretären überlassen. Würden
also die Polizeibehörden der Regelnach von diesen Geschäften befreit, so würde
das sicherlich auch im sachlichen Interesse liegen, und gerade die Übertragung
an Amtsanwälte, die der Klasse der Gerichtsassessoren angehören, würde recht
zweckdienlich sein. In sehr vielen Fällen würde dann anch von jeder richter¬
lichen Vernehmung im Vorermittluugsverfahreu abgesehen werdeu können, was
wieder den Amtsgerichten manche Arbeit ersparen würde, die sie jetzt bloß
deshalb erledigen müssen, weil -- namentlich aus den erwähnte"? Ursachen --
die Polizeibehörden nicht durchgängig hinreichende Sicherheit für sachgemäße
Erledigung der staatsanwaltschaftlicheu Veruehmungscrsuche" bieten. Der zur
Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen im Vorverfahren berufene Amts-
auwalt würde nach diesem Vorschlage sowohl in den Sachen, in denen er selbst
als Anklagebehördc zum Einschreiten berufen ist, thätig sein, als auch aus An¬
ordnung seines vorgesetzten ersten Staatsanwalts und auf Ersuchen andrer
Staats- und Amtsauwaltschaften.

Es ist ohne weiteres klar, daß der Amtsanwalt, der neben seinen jetzigen
Geschäfte" noch die drei eben erörterten zu übernehmen hätte, anch eiues Bureaus
und einer Kanzlei bedürfen würde, und daß ihm auch bei den kleinsten Amts¬
gerichten wenigstens ein Büreanbeamter nud ein Kanzlist zur Seite stehen
müßte (zumal da dann auch bei den Amtsgerichten den Amtsanwältcn alle die
Büreaugcschäfte obliegen müßten, die die Staatsanwaltschaften bei den Land¬
gerichten besorgen, vor allem das Ladungs- und Zustellnugsweseu), sowie daß
bei einer größern Zahl umfänglicherer Amtsgerichte mehrere Amtsanwältc zu
bestellen sein würden. Dennoch dürften die Kosten dafür nicht so groß sein,
wie es auf deu ersten Blick den Anschein hat.

Auch jetzt erhalten die Amtsanwülte Gehalt. Mag dieser auch im Durch¬
schnitt viel niedriger sein, als die Summe, die der Assessor als Amtsanwalt
erhalten müßte ^ die doch wohl nicht unter 120 bis 150 Mark monatlich
betragen dürfte --, so steht dieser Mehraufweudung sicherlich eine Ersparnis
gegenüber, die sich darin äußern dürfte, daß ein Bedürfnis nach Vermehrung
der Amtsrichterstellen weniger häufig hervortreten würde, als dies sonst der
Fall sein müßte; in dieser Beziehung würde die Entlastung der Amtsrichter von
den Geschäften als Gefängnisvorsteher und - in großem Umfange wenigstens --
als "Ermittlungsrichter" ans die Dauer nicht ohne Einfluß bleiben können.
Was dagegen die Kosten für Bureau- und Kanzleikrüfte betrifft, so würden sie
voraussichtlich reichlich aufgewogen werden durch Ersparung solcher Kräfte bei
den Amtsgerichten und auch (wegen des Wegfalls der Negisterführuug) bei
den laudgerichtlicheu Staatsanwaltschaften.

Selbstverständlich soll das Gesagte nicht ein Versuch sein, die durch die


Der Überfluß an Gerichtsassessoreu

vollauf in Anspruch genommenen Pvlizeiverwalter gerade diese Seite ihrer
Thätigkeit, insbesondre die Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen,
mehr oder weniger ihren Polizei- oder Amtssekretären überlassen. Würden
also die Polizeibehörden der Regelnach von diesen Geschäften befreit, so würde
das sicherlich auch im sachlichen Interesse liegen, und gerade die Übertragung
an Amtsanwälte, die der Klasse der Gerichtsassessoren angehören, würde recht
zweckdienlich sein. In sehr vielen Fällen würde dann anch von jeder richter¬
lichen Vernehmung im Vorermittluugsverfahreu abgesehen werdeu können, was
wieder den Amtsgerichten manche Arbeit ersparen würde, die sie jetzt bloß
deshalb erledigen müssen, weil — namentlich aus den erwähnte«? Ursachen —
die Polizeibehörden nicht durchgängig hinreichende Sicherheit für sachgemäße
Erledigung der staatsanwaltschaftlicheu Veruehmungscrsuche» bieten. Der zur
Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen im Vorverfahren berufene Amts-
auwalt würde nach diesem Vorschlage sowohl in den Sachen, in denen er selbst
als Anklagebehördc zum Einschreiten berufen ist, thätig sein, als auch aus An¬
ordnung seines vorgesetzten ersten Staatsanwalts und auf Ersuchen andrer
Staats- und Amtsauwaltschaften.

Es ist ohne weiteres klar, daß der Amtsanwalt, der neben seinen jetzigen
Geschäfte» noch die drei eben erörterten zu übernehmen hätte, anch eiues Bureaus
und einer Kanzlei bedürfen würde, und daß ihm auch bei den kleinsten Amts¬
gerichten wenigstens ein Büreanbeamter nud ein Kanzlist zur Seite stehen
müßte (zumal da dann auch bei den Amtsgerichten den Amtsanwältcn alle die
Büreaugcschäfte obliegen müßten, die die Staatsanwaltschaften bei den Land¬
gerichten besorgen, vor allem das Ladungs- und Zustellnugsweseu), sowie daß
bei einer größern Zahl umfänglicherer Amtsgerichte mehrere Amtsanwältc zu
bestellen sein würden. Dennoch dürften die Kosten dafür nicht so groß sein,
wie es auf deu ersten Blick den Anschein hat.

Auch jetzt erhalten die Amtsanwülte Gehalt. Mag dieser auch im Durch¬
schnitt viel niedriger sein, als die Summe, die der Assessor als Amtsanwalt
erhalten müßte ^ die doch wohl nicht unter 120 bis 150 Mark monatlich
betragen dürfte —, so steht dieser Mehraufweudung sicherlich eine Ersparnis
gegenüber, die sich darin äußern dürfte, daß ein Bedürfnis nach Vermehrung
der Amtsrichterstellen weniger häufig hervortreten würde, als dies sonst der
Fall sein müßte; in dieser Beziehung würde die Entlastung der Amtsrichter von
den Geschäften als Gefängnisvorsteher und - in großem Umfange wenigstens —
als „Ermittlungsrichter" ans die Dauer nicht ohne Einfluß bleiben können.
Was dagegen die Kosten für Bureau- und Kanzleikrüfte betrifft, so würden sie
voraussichtlich reichlich aufgewogen werden durch Ersparung solcher Kräfte bei
den Amtsgerichten und auch (wegen des Wegfalls der Negisterführuug) bei
den laudgerichtlicheu Staatsanwaltschaften.

Selbstverständlich soll das Gesagte nicht ein Versuch sein, die durch die


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[0238] Der Überfluß an Gerichtsassessoreu vollauf in Anspruch genommenen Pvlizeiverwalter gerade diese Seite ihrer Thätigkeit, insbesondre die Vernehmungen von Beschuldigten und Zeugen, mehr oder weniger ihren Polizei- oder Amtssekretären überlassen. Würden also die Polizeibehörden der Regelnach von diesen Geschäften befreit, so würde das sicherlich auch im sachlichen Interesse liegen, und gerade die Übertragung an Amtsanwälte, die der Klasse der Gerichtsassessoren angehören, würde recht zweckdienlich sein. In sehr vielen Fällen würde dann anch von jeder richter¬ lichen Vernehmung im Vorermittluugsverfahreu abgesehen werdeu können, was wieder den Amtsgerichten manche Arbeit ersparen würde, die sie jetzt bloß deshalb erledigen müssen, weil — namentlich aus den erwähnte«? Ursachen — die Polizeibehörden nicht durchgängig hinreichende Sicherheit für sachgemäße Erledigung der staatsanwaltschaftlicheu Veruehmungscrsuche» bieten. Der zur Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen im Vorverfahren berufene Amts- auwalt würde nach diesem Vorschlage sowohl in den Sachen, in denen er selbst als Anklagebehördc zum Einschreiten berufen ist, thätig sein, als auch aus An¬ ordnung seines vorgesetzten ersten Staatsanwalts und auf Ersuchen andrer Staats- und Amtsauwaltschaften. Es ist ohne weiteres klar, daß der Amtsanwalt, der neben seinen jetzigen Geschäfte» noch die drei eben erörterten zu übernehmen hätte, anch eiues Bureaus und einer Kanzlei bedürfen würde, und daß ihm auch bei den kleinsten Amts¬ gerichten wenigstens ein Büreanbeamter nud ein Kanzlist zur Seite stehen müßte (zumal da dann auch bei den Amtsgerichten den Amtsanwältcn alle die Büreaugcschäfte obliegen müßten, die die Staatsanwaltschaften bei den Land¬ gerichten besorgen, vor allem das Ladungs- und Zustellnugsweseu), sowie daß bei einer größern Zahl umfänglicherer Amtsgerichte mehrere Amtsanwältc zu bestellen sein würden. Dennoch dürften die Kosten dafür nicht so groß sein, wie es auf deu ersten Blick den Anschein hat. Auch jetzt erhalten die Amtsanwülte Gehalt. Mag dieser auch im Durch¬ schnitt viel niedriger sein, als die Summe, die der Assessor als Amtsanwalt erhalten müßte ^ die doch wohl nicht unter 120 bis 150 Mark monatlich betragen dürfte —, so steht dieser Mehraufweudung sicherlich eine Ersparnis gegenüber, die sich darin äußern dürfte, daß ein Bedürfnis nach Vermehrung der Amtsrichterstellen weniger häufig hervortreten würde, als dies sonst der Fall sein müßte; in dieser Beziehung würde die Entlastung der Amtsrichter von den Geschäften als Gefängnisvorsteher und - in großem Umfange wenigstens — als „Ermittlungsrichter" ans die Dauer nicht ohne Einfluß bleiben können. Was dagegen die Kosten für Bureau- und Kanzleikrüfte betrifft, so würden sie voraussichtlich reichlich aufgewogen werden durch Ersparung solcher Kräfte bei den Amtsgerichten und auch (wegen des Wegfalls der Negisterführuug) bei den laudgerichtlicheu Staatsanwaltschaften. Selbstverständlich soll das Gesagte nicht ein Versuch sein, die durch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/238>, abgerufen am 23.07.2024.