Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Wahrheit beruht, was wir freilich nicht feststellen könne", wie notwendig die
demnächst in Kraft tretenden Bestinnnnngen der Novelle zur Gewerbeordnung
sind, die Arbeitsordnungen vorschreibe". Die westfälischen Bergwerke habe"
bereits eine Normalarbeitsordnnng ausgearbeitet, die vielfache" Wünschen der
Bergleute Rechnung trägt.

Mit dein Ausgange des Bnchdruckerstreiks kann die Industrie zufrieden
sein. Der Achtstnndenbewegnng ist dadurch in Deutschland für lange Zeit
ein Riegel vorgeschoben. Unsre Industrie vermag unter den heutigen Verhält¬
nissen ohne Zweifel eine so weit gehende Kürzung der Arbeitszeit auch in den
fortgeschrittensten Gewerben nicht zu ertragen.

Die größte Beachtung verdient jedenfalls der innrer mehr hervortretende
Trieb der Arbeiter, sich zu organisiren. Heute gegen die bestehende Gesellschafts-
ordnung gerichtet, sollte er in deren Interesse nutzbar gemacht werden. Doch
werden mit den angebahnten Arbeitsausschüsse" allein die gewerblichen Fach-
Vereine der Sozialdemokratie nicht überwunden werden. Hierzu wird es einer
festeren Organisation bedürfen. So bleibt denn nur eine korporative Gliede¬
rung unsrer Gesellschaft übrig, und diese wird wohl das Endziel der Svzial-
reform sein müssen.




Gesellschaften mit beschränkter Haftung
von G. Bähr

chon bei der Beratung des im Jahre 1884 dein Reichstage vor¬
gelegten neuen Aktiengesetzes wurde dort angeregt, das; das be¬
stehende Gesellschaftsrecht einer Erweiterung durch Schaffung
neuer Gesellschaftsformen bedürfe. Der Abgeordnete Öchelhänser
äußerte sich ungefähr in folgender Weise. Das Prinzip be¬
schränkter Haftbarkeit dürfe, nachdem es einmal ins Leben eingeführt sei, nicht
bei der kollektivistischen Gesellschaft stehen bleiben; es müsse auch der indivi¬
dualistischen Gesellschaft zu gute komme". Die Kameele" müßten darin be¬
stehen, daß die Kapiialsnmme, mit der die Gesellschaft arbeiten wolle, dem
Handelsrichter angezeigt und von diesem veröffentlicht werde, und daß auch die
Gesellschaft alljährlich ihre Bilanz zu veröffentlichen habe. Schon jetzt würden
solche Gesellschaft vielfach unter mißbräuchlicher Aulvendung des Aktienrechtes
gegründet. In England gründe man Aktiengesellschaften (Imi!t,s<>) vielleicht
nur mit einem .Kapital von 3000 bis 5000 Pfund. Zwei, drei oder mehr
Personen vereinigten sich zur Nutzbarmachung ihres Kapitals nach Art einer


Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Wahrheit beruht, was wir freilich nicht feststellen könne», wie notwendig die
demnächst in Kraft tretenden Bestinnnnngen der Novelle zur Gewerbeordnung
sind, die Arbeitsordnungen vorschreibe«. Die westfälischen Bergwerke habe»
bereits eine Normalarbeitsordnnng ausgearbeitet, die vielfache» Wünschen der
Bergleute Rechnung trägt.

Mit dein Ausgange des Bnchdruckerstreiks kann die Industrie zufrieden
sein. Der Achtstnndenbewegnng ist dadurch in Deutschland für lange Zeit
ein Riegel vorgeschoben. Unsre Industrie vermag unter den heutigen Verhält¬
nissen ohne Zweifel eine so weit gehende Kürzung der Arbeitszeit auch in den
fortgeschrittensten Gewerben nicht zu ertragen.

Die größte Beachtung verdient jedenfalls der innrer mehr hervortretende
Trieb der Arbeiter, sich zu organisiren. Heute gegen die bestehende Gesellschafts-
ordnung gerichtet, sollte er in deren Interesse nutzbar gemacht werden. Doch
werden mit den angebahnten Arbeitsausschüsse» allein die gewerblichen Fach-
Vereine der Sozialdemokratie nicht überwunden werden. Hierzu wird es einer
festeren Organisation bedürfen. So bleibt denn nur eine korporative Gliede¬
rung unsrer Gesellschaft übrig, und diese wird wohl das Endziel der Svzial-
reform sein müssen.




Gesellschaften mit beschränkter Haftung
von G. Bähr

chon bei der Beratung des im Jahre 1884 dein Reichstage vor¬
gelegten neuen Aktiengesetzes wurde dort angeregt, das; das be¬
stehende Gesellschaftsrecht einer Erweiterung durch Schaffung
neuer Gesellschaftsformen bedürfe. Der Abgeordnete Öchelhänser
äußerte sich ungefähr in folgender Weise. Das Prinzip be¬
schränkter Haftbarkeit dürfe, nachdem es einmal ins Leben eingeführt sei, nicht
bei der kollektivistischen Gesellschaft stehen bleiben; es müsse auch der indivi¬
dualistischen Gesellschaft zu gute komme». Die Kameele» müßten darin be¬
stehen, daß die Kapiialsnmme, mit der die Gesellschaft arbeiten wolle, dem
Handelsrichter angezeigt und von diesem veröffentlicht werde, und daß auch die
Gesellschaft alljährlich ihre Bilanz zu veröffentlichen habe. Schon jetzt würden
solche Gesellschaft vielfach unter mißbräuchlicher Aulvendung des Aktienrechtes
gegründet. In England gründe man Aktiengesellschaften (Imi!t,s<>) vielleicht
nur mit einem .Kapital von 3000 bis 5000 Pfund. Zwei, drei oder mehr
Personen vereinigten sich zur Nutzbarmachung ihres Kapitals nach Art einer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/211386"/>
          <fw type="header" place="top"> Gesellschaften mit beschränkter Haftung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_663" prev="#ID_662"> Wahrheit beruht, was wir freilich nicht feststellen könne», wie notwendig die<lb/>
demnächst in Kraft tretenden Bestinnnnngen der Novelle zur Gewerbeordnung<lb/>
sind, die Arbeitsordnungen vorschreibe«. Die westfälischen Bergwerke habe»<lb/>
bereits eine Normalarbeitsordnnng ausgearbeitet, die vielfache» Wünschen der<lb/>
Bergleute Rechnung trägt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_664"> Mit dein Ausgange des Bnchdruckerstreiks kann die Industrie zufrieden<lb/>
sein. Der Achtstnndenbewegnng ist dadurch in Deutschland für lange Zeit<lb/>
ein Riegel vorgeschoben. Unsre Industrie vermag unter den heutigen Verhält¬<lb/>
nissen ohne Zweifel eine so weit gehende Kürzung der Arbeitszeit auch in den<lb/>
fortgeschrittensten Gewerben nicht zu ertragen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_665"> Die größte Beachtung verdient jedenfalls der innrer mehr hervortretende<lb/>
Trieb der Arbeiter, sich zu organisiren. Heute gegen die bestehende Gesellschafts-<lb/>
ordnung gerichtet, sollte er in deren Interesse nutzbar gemacht werden. Doch<lb/>
werden mit den angebahnten Arbeitsausschüsse» allein die gewerblichen Fach-<lb/>
Vereine der Sozialdemokratie nicht überwunden werden. Hierzu wird es einer<lb/>
festeren Organisation bedürfen. So bleibt denn nur eine korporative Gliede¬<lb/>
rung unsrer Gesellschaft übrig, und diese wird wohl das Endziel der Svzial-<lb/>
reform sein müssen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gesellschaften mit beschränkter Haftung<lb/><note type="byline"> von G. Bähr</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_666" next="#ID_667"> chon bei der Beratung des im Jahre 1884 dein Reichstage vor¬<lb/>
gelegten neuen Aktiengesetzes wurde dort angeregt, das; das be¬<lb/>
stehende Gesellschaftsrecht einer Erweiterung durch Schaffung<lb/>
neuer Gesellschaftsformen bedürfe. Der Abgeordnete Öchelhänser<lb/>
äußerte sich ungefähr in folgender Weise. Das Prinzip be¬<lb/>
schränkter Haftbarkeit dürfe, nachdem es einmal ins Leben eingeführt sei, nicht<lb/>
bei der kollektivistischen Gesellschaft stehen bleiben; es müsse auch der indivi¬<lb/>
dualistischen Gesellschaft zu gute komme». Die Kameele» müßten darin be¬<lb/>
stehen, daß die Kapiialsnmme, mit der die Gesellschaft arbeiten wolle, dem<lb/>
Handelsrichter angezeigt und von diesem veröffentlicht werde, und daß auch die<lb/>
Gesellschaft alljährlich ihre Bilanz zu veröffentlichen habe. Schon jetzt würden<lb/>
solche Gesellschaft vielfach unter mißbräuchlicher Aulvendung des Aktienrechtes<lb/>
gegründet. In England gründe man Aktiengesellschaften (Imi!t,s&lt;&gt;) vielleicht<lb/>
nur mit einem .Kapital von 3000 bis 5000 Pfund. Zwei, drei oder mehr<lb/>
Personen vereinigten sich zur Nutzbarmachung ihres Kapitals nach Art einer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0218] Gesellschaften mit beschränkter Haftung Wahrheit beruht, was wir freilich nicht feststellen könne», wie notwendig die demnächst in Kraft tretenden Bestinnnnngen der Novelle zur Gewerbeordnung sind, die Arbeitsordnungen vorschreibe«. Die westfälischen Bergwerke habe» bereits eine Normalarbeitsordnnng ausgearbeitet, die vielfache» Wünschen der Bergleute Rechnung trägt. Mit dein Ausgange des Bnchdruckerstreiks kann die Industrie zufrieden sein. Der Achtstnndenbewegnng ist dadurch in Deutschland für lange Zeit ein Riegel vorgeschoben. Unsre Industrie vermag unter den heutigen Verhält¬ nissen ohne Zweifel eine so weit gehende Kürzung der Arbeitszeit auch in den fortgeschrittensten Gewerben nicht zu ertragen. Die größte Beachtung verdient jedenfalls der innrer mehr hervortretende Trieb der Arbeiter, sich zu organisiren. Heute gegen die bestehende Gesellschafts- ordnung gerichtet, sollte er in deren Interesse nutzbar gemacht werden. Doch werden mit den angebahnten Arbeitsausschüsse» allein die gewerblichen Fach- Vereine der Sozialdemokratie nicht überwunden werden. Hierzu wird es einer festeren Organisation bedürfen. So bleibt denn nur eine korporative Gliede¬ rung unsrer Gesellschaft übrig, und diese wird wohl das Endziel der Svzial- reform sein müssen. Gesellschaften mit beschränkter Haftung von G. Bähr chon bei der Beratung des im Jahre 1884 dein Reichstage vor¬ gelegten neuen Aktiengesetzes wurde dort angeregt, das; das be¬ stehende Gesellschaftsrecht einer Erweiterung durch Schaffung neuer Gesellschaftsformen bedürfe. Der Abgeordnete Öchelhänser äußerte sich ungefähr in folgender Weise. Das Prinzip be¬ schränkter Haftbarkeit dürfe, nachdem es einmal ins Leben eingeführt sei, nicht bei der kollektivistischen Gesellschaft stehen bleiben; es müsse auch der indivi¬ dualistischen Gesellschaft zu gute komme». Die Kameele» müßten darin be¬ stehen, daß die Kapiialsnmme, mit der die Gesellschaft arbeiten wolle, dem Handelsrichter angezeigt und von diesem veröffentlicht werde, und daß auch die Gesellschaft alljährlich ihre Bilanz zu veröffentlichen habe. Schon jetzt würden solche Gesellschaft vielfach unter mißbräuchlicher Aulvendung des Aktienrechtes gegründet. In England gründe man Aktiengesellschaften (Imi!t,s<>) vielleicht nur mit einem .Kapital von 3000 bis 5000 Pfund. Zwei, drei oder mehr Personen vereinigten sich zur Nutzbarmachung ihres Kapitals nach Art einer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/218
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/218>, abgerufen am 23.07.2024.