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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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lassen, vielleicht steigert er gar noch sein Ungestüm, und so könnte es geschehen,
daß das Bewußtsein, zugleich einem nicht gar zu bedrohlichen Strafgesetz Trotz
zu bieten, dem Heldentum der Kneipe nur noch eiuen neuen Reiz verliehe.
Und dann, von der Kneipe aus die Straße und zur Erregung von Skandal
ist nur ein Schritt.

Dies ungefähr waren die Betrachtungen, die der Entwurf in uns erregte,
als wir ihn erst noch vom Hörensagen kannten. Nun aber bitten wir den Leser,
sich neben uns im Geiste auf der Anklagebank oder wenn er die in diesem Falle
vielleicht noch größere Unbequemlichkeit nicht scheut, ans der sell-r (iurulis nieder¬
zulassen, um uns an der Hand des Gesetzentwurfs selbst ein Bild davon zu
machen, was aus uus werdeu wurde, wenn wir in die Lage kämen, nus und
andre nach feinen strafrechtlichen Vorschriften richten zu müssen.

Die Vorschriften die sich aus die dem Trunk hingebenden Personen be¬
ziehen, lauten folgendermaßen:

17. Mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder mit Haft bis zu vier
Wochen wird bestraft, wer bei Verrichtungen, welche zur Verhütung von Gefahr
für Leben und Gesundheit andrer oder wo Feuersgefahr besondre Aufmerksamkeit
erfordert, sich betrinkt oder wer betrunken in andern als in Notfällen solche Ver¬
richtungen vornimmt,

18, Mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder mit Haft bis zu eiuer
Woche wird bestraft, wer in einem selbstverschuldeten Zustande ärgerniserregender
Trunkenheit an einem öffentlichen Orte betroffen wird, Ist der Beschuldigte dem
Trunke gewohnheitsmäßig ergeben, so tritt Haft ^bis zu sechs Wochenj ein.

Man könnte auf den ersten Blick vielleicht denken, der Entwurf habe den
seltneren Fall voran, den häufigern in zweite Linie gestellt. Allein darin thäte
man ihm Unrecht. Man berücksichtige uur, daß ein großer Teil unsrer täg¬
lichen Berufsgeschäfte von der Strafandrohung des h 17 würde betroffen werden;
die von Handwerkern der verfchiedensten Gattung, von Fleischern, Bäckern und
Konditoren, vou Bierbrauern und Schornsteinfegern, ferner von Optikern und
Trichinenbeschattern, von Schwinn-, Reit-, Feast-, Turm- und Tanzlehrern,
sie alle erheischen Verrichtungen, die zur Verhütung von Gesahr für Leben oder
wenigstens Gesundheit andrer besondre Aufmerksamkeit beanspruchen. Daß
nach § 17 künftig ohne Zweifel betrunkene Kutscher zu bestrafen sein würden,
entspräche ja unleugbar einem von manchem Fahrgast bereits längst empfundnen
Bedürfnis. Aber auch wer uur ein Pferd für andre zäumt, schirrt oder faltete, fiele
uuter das Gesetz, denn wie ernstlichen Gefahren können Leben und Gesundheit preis¬
gegeben fein, wenn diese Verrichtungen nicht mit größter Sorgfalt vorgenommen
werden! Auch der Dienstbote, der den Ofen heizt oder die Kinder seiner Herr¬
schaft wartet, ja die Eltern selbst, wenn sie diese Sorge auf sich nehmen, anch
Koch und Köchin unterliegen der Anordnung des 17, ja sogar wer sich eines
Streichholzes bedient, selbst dann, wenn sich die damit verbundene Feuersgefahr
ans die eignen Kleider beschränkte, z. B. die eines Badegastes, der am Seestrande


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lassen, vielleicht steigert er gar noch sein Ungestüm, und so könnte es geschehen,
daß das Bewußtsein, zugleich einem nicht gar zu bedrohlichen Strafgesetz Trotz
zu bieten, dem Heldentum der Kneipe nur noch eiuen neuen Reiz verliehe.
Und dann, von der Kneipe aus die Straße und zur Erregung von Skandal
ist nur ein Schritt.

Dies ungefähr waren die Betrachtungen, die der Entwurf in uns erregte,
als wir ihn erst noch vom Hörensagen kannten. Nun aber bitten wir den Leser,
sich neben uns im Geiste auf der Anklagebank oder wenn er die in diesem Falle
vielleicht noch größere Unbequemlichkeit nicht scheut, ans der sell-r (iurulis nieder¬
zulassen, um uns an der Hand des Gesetzentwurfs selbst ein Bild davon zu
machen, was aus uus werdeu wurde, wenn wir in die Lage kämen, nus und
andre nach feinen strafrechtlichen Vorschriften richten zu müssen.

Die Vorschriften die sich aus die dem Trunk hingebenden Personen be¬
ziehen, lauten folgendermaßen:

17. Mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder mit Haft bis zu vier
Wochen wird bestraft, wer bei Verrichtungen, welche zur Verhütung von Gefahr
für Leben und Gesundheit andrer oder wo Feuersgefahr besondre Aufmerksamkeit
erfordert, sich betrinkt oder wer betrunken in andern als in Notfällen solche Ver¬
richtungen vornimmt,

18, Mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark oder mit Haft bis zu eiuer
Woche wird bestraft, wer in einem selbstverschuldeten Zustande ärgerniserregender
Trunkenheit an einem öffentlichen Orte betroffen wird, Ist der Beschuldigte dem
Trunke gewohnheitsmäßig ergeben, so tritt Haft ^bis zu sechs Wochenj ein.

Man könnte auf den ersten Blick vielleicht denken, der Entwurf habe den
seltneren Fall voran, den häufigern in zweite Linie gestellt. Allein darin thäte
man ihm Unrecht. Man berücksichtige uur, daß ein großer Teil unsrer täg¬
lichen Berufsgeschäfte von der Strafandrohung des h 17 würde betroffen werden;
die von Handwerkern der verfchiedensten Gattung, von Fleischern, Bäckern und
Konditoren, vou Bierbrauern und Schornsteinfegern, ferner von Optikern und
Trichinenbeschattern, von Schwinn-, Reit-, Feast-, Turm- und Tanzlehrern,
sie alle erheischen Verrichtungen, die zur Verhütung von Gesahr für Leben oder
wenigstens Gesundheit andrer besondre Aufmerksamkeit beanspruchen. Daß
nach § 17 künftig ohne Zweifel betrunkene Kutscher zu bestrafen sein würden,
entspräche ja unleugbar einem von manchem Fahrgast bereits längst empfundnen
Bedürfnis. Aber auch wer uur ein Pferd für andre zäumt, schirrt oder faltete, fiele
uuter das Gesetz, denn wie ernstlichen Gefahren können Leben und Gesundheit preis¬
gegeben fein, wenn diese Verrichtungen nicht mit größter Sorgfalt vorgenommen
werden! Auch der Dienstbote, der den Ofen heizt oder die Kinder seiner Herr¬
schaft wartet, ja die Eltern selbst, wenn sie diese Sorge auf sich nehmen, anch
Koch und Köchin unterliegen der Anordnung des 17, ja sogar wer sich eines
Streichholzes bedient, selbst dann, wenn sich die damit verbundene Feuersgefahr
ans die eignen Kleider beschränkte, z. B. die eines Badegastes, der am Seestrande


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/20>, abgerufen am 23.07.2024.