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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die Aussichten unsers südwestafrikanischen Schutzgebietes

Lüderitz faßte ein Unternehmen von geringer, nnter allen Uniständen lang¬
samer Entwicklungsfähigkeit ohne den nötigen Kapitalrückhalt an und konnte
es natürlich nicht halten. Und als es zusammenstürzte, sanken viele hochge¬
spannte Erwartungen auf einen tiefen Stand und haben in weiten Kreisen sich
nie wieder heben können. Entspricht nun dieser Stand den Thatsachen? Be¬
sonders auf diese Frage möchten wir uns aus dem Buche Autwort holen, denn
daß wir nicht gern und nicht ohne eingehende Prüfung der Entmutigung
Raum geben möchten, wird umso mehr zu billigen sein, als wir die an
sich durchaus berechtigte Frage nach dem politischen Werte unsrer Fußfafsung
in Südafrika ganz aus dem Spiele lassen. Diese ist es auch allein, die be¬
friedigend und beruhigend beantwortet werden könnte, sobald man die Politik
nicht für heute und morgen, sondern für eine fernere Zukunft und nicht für
die in die Augen fallenden Bedürfnisse, sondern auch für wahrscheinliche oder
mögliche sorgen läßt.

Was hält Schinz von dem Kulturwerte Deutsch-Südwestafrikas?
Trotz des trocknen Steppenklimas, das sich stellenweise zum Wüsten¬
haften verschürft, ist es unbedingt unrichtig, daß sich das Land nicht zum
Ackerbau eigne. Die Niederschlage wachsen nach Norden und Osten zu. Das
ganze nördliche Hereroland von Otjizvndjiepn an, Upingtonin und jene un¬
ermeßlichen Landstriche östlich von Grvotfontein bis gegen den Ngamisee hin
sind ganz gewiß nicht schlechter als die gelobten Striche des Transvaal, un¬
endlich viel besser als der nördliche und nordwestliche Teil der Kapkolonie.
Ohne artesische Brunnen, durch Aufdümmung von Bächen, die jetzt, indem sie
verrieseln, das Land durchsumpfen, würde für Hunderte von Familien die
Möglichkeit ersprießlichen Ackerbaues geschafft werden. Noch viel ausgedehntere
Lcmdverbesserungen würde die Erhaltung der in der Regenzeit fallende", be¬
trächtlichen Wassermasse in großen künstlichen Seen gestatten, wie man sie in
Australien geschaffen hat. Endlich könnte, besonders in den östlichen Teilen,
die Brunnengrabung noch manche Oase schaffen. Der Ackerbauer muß hier gerade
so vorgehen wie der Jäger, der von einer Wasserstelle aus in Zwischeu-
rüumen von ein bis anderthalb Tagemärschen Brunnen gräbt und sich so den Zu¬
gang in neue Jagdfelder sichert. Ist das Wasser an die Oberfläche gebracht, dann
muß es zur Verteilung über die Felder höher gepumpt werden, und zu diesem
Zwecke werden sich die regelmäßigen und kräftigen Luftströme der Pasfat-
region dienlich erweisen. Entschiedne Schwierigkeiten setzen dem Ackerbau
nur das Großnamaland wegen seiner Trockenheit und das zentrale Herero¬
land wegen seiner gebirgigen Beschaffenheit entgegen.

Viel schwieriger als der Betrieb des Ackerbaues ist der Vertrieb seiner
Erzeugnisse. Wo sind die Absatzgebiete? Nur die fortschreitende Bestedelung
des Landes im Osten unsers Schutzgebietes, vor allem aber der Nachweis
abbauwürdiger Erzgänge kann solche hervorrufen. Man kann insofern sagen,


Die Aussichten unsers südwestafrikanischen Schutzgebietes

Lüderitz faßte ein Unternehmen von geringer, nnter allen Uniständen lang¬
samer Entwicklungsfähigkeit ohne den nötigen Kapitalrückhalt an und konnte
es natürlich nicht halten. Und als es zusammenstürzte, sanken viele hochge¬
spannte Erwartungen auf einen tiefen Stand und haben in weiten Kreisen sich
nie wieder heben können. Entspricht nun dieser Stand den Thatsachen? Be¬
sonders auf diese Frage möchten wir uns aus dem Buche Autwort holen, denn
daß wir nicht gern und nicht ohne eingehende Prüfung der Entmutigung
Raum geben möchten, wird umso mehr zu billigen sein, als wir die an
sich durchaus berechtigte Frage nach dem politischen Werte unsrer Fußfafsung
in Südafrika ganz aus dem Spiele lassen. Diese ist es auch allein, die be¬
friedigend und beruhigend beantwortet werden könnte, sobald man die Politik
nicht für heute und morgen, sondern für eine fernere Zukunft und nicht für
die in die Augen fallenden Bedürfnisse, sondern auch für wahrscheinliche oder
mögliche sorgen läßt.

Was hält Schinz von dem Kulturwerte Deutsch-Südwestafrikas?
Trotz des trocknen Steppenklimas, das sich stellenweise zum Wüsten¬
haften verschürft, ist es unbedingt unrichtig, daß sich das Land nicht zum
Ackerbau eigne. Die Niederschlage wachsen nach Norden und Osten zu. Das
ganze nördliche Hereroland von Otjizvndjiepn an, Upingtonin und jene un¬
ermeßlichen Landstriche östlich von Grvotfontein bis gegen den Ngamisee hin
sind ganz gewiß nicht schlechter als die gelobten Striche des Transvaal, un¬
endlich viel besser als der nördliche und nordwestliche Teil der Kapkolonie.
Ohne artesische Brunnen, durch Aufdümmung von Bächen, die jetzt, indem sie
verrieseln, das Land durchsumpfen, würde für Hunderte von Familien die
Möglichkeit ersprießlichen Ackerbaues geschafft werden. Noch viel ausgedehntere
Lcmdverbesserungen würde die Erhaltung der in der Regenzeit fallende», be¬
trächtlichen Wassermasse in großen künstlichen Seen gestatten, wie man sie in
Australien geschaffen hat. Endlich könnte, besonders in den östlichen Teilen,
die Brunnengrabung noch manche Oase schaffen. Der Ackerbauer muß hier gerade
so vorgehen wie der Jäger, der von einer Wasserstelle aus in Zwischeu-
rüumen von ein bis anderthalb Tagemärschen Brunnen gräbt und sich so den Zu¬
gang in neue Jagdfelder sichert. Ist das Wasser an die Oberfläche gebracht, dann
muß es zur Verteilung über die Felder höher gepumpt werden, und zu diesem
Zwecke werden sich die regelmäßigen und kräftigen Luftströme der Pasfat-
region dienlich erweisen. Entschiedne Schwierigkeiten setzen dem Ackerbau
nur das Großnamaland wegen seiner Trockenheit und das zentrale Herero¬
land wegen seiner gebirgigen Beschaffenheit entgegen.

Viel schwieriger als der Betrieb des Ackerbaues ist der Vertrieb seiner
Erzeugnisse. Wo sind die Absatzgebiete? Nur die fortschreitende Bestedelung
des Landes im Osten unsers Schutzgebietes, vor allem aber der Nachweis
abbauwürdiger Erzgänge kann solche hervorrufen. Man kann insofern sagen,


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[0181] Die Aussichten unsers südwestafrikanischen Schutzgebietes Lüderitz faßte ein Unternehmen von geringer, nnter allen Uniständen lang¬ samer Entwicklungsfähigkeit ohne den nötigen Kapitalrückhalt an und konnte es natürlich nicht halten. Und als es zusammenstürzte, sanken viele hochge¬ spannte Erwartungen auf einen tiefen Stand und haben in weiten Kreisen sich nie wieder heben können. Entspricht nun dieser Stand den Thatsachen? Be¬ sonders auf diese Frage möchten wir uns aus dem Buche Autwort holen, denn daß wir nicht gern und nicht ohne eingehende Prüfung der Entmutigung Raum geben möchten, wird umso mehr zu billigen sein, als wir die an sich durchaus berechtigte Frage nach dem politischen Werte unsrer Fußfafsung in Südafrika ganz aus dem Spiele lassen. Diese ist es auch allein, die be¬ friedigend und beruhigend beantwortet werden könnte, sobald man die Politik nicht für heute und morgen, sondern für eine fernere Zukunft und nicht für die in die Augen fallenden Bedürfnisse, sondern auch für wahrscheinliche oder mögliche sorgen läßt. Was hält Schinz von dem Kulturwerte Deutsch-Südwestafrikas? Trotz des trocknen Steppenklimas, das sich stellenweise zum Wüsten¬ haften verschürft, ist es unbedingt unrichtig, daß sich das Land nicht zum Ackerbau eigne. Die Niederschlage wachsen nach Norden und Osten zu. Das ganze nördliche Hereroland von Otjizvndjiepn an, Upingtonin und jene un¬ ermeßlichen Landstriche östlich von Grvotfontein bis gegen den Ngamisee hin sind ganz gewiß nicht schlechter als die gelobten Striche des Transvaal, un¬ endlich viel besser als der nördliche und nordwestliche Teil der Kapkolonie. Ohne artesische Brunnen, durch Aufdümmung von Bächen, die jetzt, indem sie verrieseln, das Land durchsumpfen, würde für Hunderte von Familien die Möglichkeit ersprießlichen Ackerbaues geschafft werden. Noch viel ausgedehntere Lcmdverbesserungen würde die Erhaltung der in der Regenzeit fallende», be¬ trächtlichen Wassermasse in großen künstlichen Seen gestatten, wie man sie in Australien geschaffen hat. Endlich könnte, besonders in den östlichen Teilen, die Brunnengrabung noch manche Oase schaffen. Der Ackerbauer muß hier gerade so vorgehen wie der Jäger, der von einer Wasserstelle aus in Zwischeu- rüumen von ein bis anderthalb Tagemärschen Brunnen gräbt und sich so den Zu¬ gang in neue Jagdfelder sichert. Ist das Wasser an die Oberfläche gebracht, dann muß es zur Verteilung über die Felder höher gepumpt werden, und zu diesem Zwecke werden sich die regelmäßigen und kräftigen Luftströme der Pasfat- region dienlich erweisen. Entschiedne Schwierigkeiten setzen dem Ackerbau nur das Großnamaland wegen seiner Trockenheit und das zentrale Herero¬ land wegen seiner gebirgigen Beschaffenheit entgegen. Viel schwieriger als der Betrieb des Ackerbaues ist der Vertrieb seiner Erzeugnisse. Wo sind die Absatzgebiete? Nur die fortschreitende Bestedelung des Landes im Osten unsers Schutzgebietes, vor allem aber der Nachweis abbauwürdiger Erzgänge kann solche hervorrufen. Man kann insofern sagen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/181>, abgerufen am 23.07.2024.