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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die Aussichten unsers südwestafrikanischen Schutzgebietes'

legen; dieses ruht vielmehr auf der Schilderung des Landes und seiner
Bewohner, der Missionen und der deutschen Kolonisationsversuche. Für
uns Deutsche wird das Buch immer sehr großen Wert behalten, da es für
die Gründung der ersten Kolonie des neuen Reiches ein Quellenwerk ist.

Wichtiger aber als die Mitteilung der Vorgeschichte der deutschen Nieder¬
lassung in Angra Pequenci, die mit Urkunden belegt ist, sind natürlich alle
Angaben über das, was Schinz selbst miterlebt und wobei er mitgewirkt
hat. Die vier ersten Kapitel dürfen den Wert historischer Denkwürdig¬
keiten beanspruchen. Was Schinz hier über Lüderitz sagt, wird ange¬
sichts so mancher Entstellung, die der Streit der Parteien hervorge¬
rufen hat, besonders zu beachten, und der Ton der Pietät, in dem er es
sagt, wird zu beherzigen sein. Lüderitz war ein bedeutender Mensch, aus¬
gezeichnet durch Thatkraft und schwungvollen Unternehmungsgeist, der in dem
Zusammenbruch seiner wirtschaftlich ebenso verfehlten wie geschichtlich folgen¬
reichen Unternehmung in überreichen Maße büßte, was er etwa gefehlt hatte.
Sein spurloses Verschwinden auf der tollkühnen Fahrt von der Mündung des
Oranje nach Angra Pequenci, die er in einem kleinen zusammenlegbaren Boote
aus Segeltuch, einzig begleitet von dem Matrosen Steingröver, Ende Oktober 1836
unternahm, nachdem seine erneuten Untersuchungen der Erzlager keine günstigen
Ergebnisse geliefert hatten, bildet den tragischen Abschluß einer Laufbahn, die
drei Jahre hindurch die Aufmerksamkeit fesselte, und nicht bloß in Deutschland.
Wenn man den Beginn der deutschen Kolmnalpolitik von jener Depesche des
Fürsten Bismarck herleitet, die am 24. April 1884 erklärte, daß die Lüderitzschen
Erwerbungen nördlich vom Oranjefluß unter den Schutz des Reiches gestellt
seien, so sollte man nicht vergessen, daß diese wenige Tage nach einer Audienz
abging, in der Lüderitz, eben aus Südwestafrika zurückgekehrt, dem Reichs¬
kanzler die dortige Lage und den Stand seiner erworbenen Rechte dargestellt
hatte. Ungefähr um dieselbe Zeit trafen Nachtigal und Max Buchner in
Lissabon zusammen, um die Fahrt nach Togo, Mechir und Kamerun anzutreten.

Über die Gründe des Mißerfolgs der Lüderitzschen Unternehmungen
spricht sich Schinz sehr zurückhaltend aus; er läßt sie mehr ahnen. Auch
wenn das Unternehmen nicht vom Unglück verfolgt worden wäre -- der Unter¬
gang des Schiffes "Tilly" angesichts des Hafens und mit allem Material zur
Besiedlung und Ausbeutung erscheint, so wie ihn hier ein Augenzeuge erzählt,
einfach unbegreiflich --, würde es nicht gediehen sein. Weder die geologischen
noch die botanischen Untersuchungen hatten die gehofften neuen Hilfsquellen
erschlossen, die leitenden Persönlichkeiten waren keineswegs immer glücklich ge¬
wählt, hauptsächlich aber starb das Unternehmen an der Geringfügigkeit des
Handels in diesen Gegenden. Wir erinnern uns von Friedrich Fabri gehört
zu haben, daß Lüderitz seinen Rat einholte und Fabri ihm von jedem aus¬
gedehnteren kaufmännischen Unternehmen an jener Küste als vergeblich abriet.


Die Aussichten unsers südwestafrikanischen Schutzgebietes'

legen; dieses ruht vielmehr auf der Schilderung des Landes und seiner
Bewohner, der Missionen und der deutschen Kolonisationsversuche. Für
uns Deutsche wird das Buch immer sehr großen Wert behalten, da es für
die Gründung der ersten Kolonie des neuen Reiches ein Quellenwerk ist.

Wichtiger aber als die Mitteilung der Vorgeschichte der deutschen Nieder¬
lassung in Angra Pequenci, die mit Urkunden belegt ist, sind natürlich alle
Angaben über das, was Schinz selbst miterlebt und wobei er mitgewirkt
hat. Die vier ersten Kapitel dürfen den Wert historischer Denkwürdig¬
keiten beanspruchen. Was Schinz hier über Lüderitz sagt, wird ange¬
sichts so mancher Entstellung, die der Streit der Parteien hervorge¬
rufen hat, besonders zu beachten, und der Ton der Pietät, in dem er es
sagt, wird zu beherzigen sein. Lüderitz war ein bedeutender Mensch, aus¬
gezeichnet durch Thatkraft und schwungvollen Unternehmungsgeist, der in dem
Zusammenbruch seiner wirtschaftlich ebenso verfehlten wie geschichtlich folgen¬
reichen Unternehmung in überreichen Maße büßte, was er etwa gefehlt hatte.
Sein spurloses Verschwinden auf der tollkühnen Fahrt von der Mündung des
Oranje nach Angra Pequenci, die er in einem kleinen zusammenlegbaren Boote
aus Segeltuch, einzig begleitet von dem Matrosen Steingröver, Ende Oktober 1836
unternahm, nachdem seine erneuten Untersuchungen der Erzlager keine günstigen
Ergebnisse geliefert hatten, bildet den tragischen Abschluß einer Laufbahn, die
drei Jahre hindurch die Aufmerksamkeit fesselte, und nicht bloß in Deutschland.
Wenn man den Beginn der deutschen Kolmnalpolitik von jener Depesche des
Fürsten Bismarck herleitet, die am 24. April 1884 erklärte, daß die Lüderitzschen
Erwerbungen nördlich vom Oranjefluß unter den Schutz des Reiches gestellt
seien, so sollte man nicht vergessen, daß diese wenige Tage nach einer Audienz
abging, in der Lüderitz, eben aus Südwestafrika zurückgekehrt, dem Reichs¬
kanzler die dortige Lage und den Stand seiner erworbenen Rechte dargestellt
hatte. Ungefähr um dieselbe Zeit trafen Nachtigal und Max Buchner in
Lissabon zusammen, um die Fahrt nach Togo, Mechir und Kamerun anzutreten.

Über die Gründe des Mißerfolgs der Lüderitzschen Unternehmungen
spricht sich Schinz sehr zurückhaltend aus; er läßt sie mehr ahnen. Auch
wenn das Unternehmen nicht vom Unglück verfolgt worden wäre — der Unter¬
gang des Schiffes „Tilly" angesichts des Hafens und mit allem Material zur
Besiedlung und Ausbeutung erscheint, so wie ihn hier ein Augenzeuge erzählt,
einfach unbegreiflich —, würde es nicht gediehen sein. Weder die geologischen
noch die botanischen Untersuchungen hatten die gehofften neuen Hilfsquellen
erschlossen, die leitenden Persönlichkeiten waren keineswegs immer glücklich ge¬
wählt, hauptsächlich aber starb das Unternehmen an der Geringfügigkeit des
Handels in diesen Gegenden. Wir erinnern uns von Friedrich Fabri gehört
zu haben, daß Lüderitz seinen Rat einholte und Fabri ihm von jedem aus¬
gedehnteren kaufmännischen Unternehmen an jener Küste als vergeblich abriet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/180>, abgerufen am 23.07.2024.