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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Das Zuhälterwesen und die Gesetzgebung

behörden auf einen festen Rechtsboden stellen, von dem aus sie die Übelstände
in dem Umfange ausrotten könnten, als es nur immer möglich ist, strafbare
Handlungen im voraus zu verhüten. Die weitergehenden Maßregeln, die
die französische Regierung den Kammern in Vorschlag gebracht hat, dürften,
soweit man nach den Zeitungsberichten über sie urteilen kann, für uns über¬
flüssig sein. Es heißt in der mir vorliegenden Notiz: "Vermieter, die die Un¬
zucht begünstigen, sollen zu Gefängnis von vier Monaten bis zu zwei Jahren oder
zu 200 bis 1000 Francs Geldstrafe verurteilt werden." Der § 180 des
deutschen Neichsstrafgesetzbuchs, der insofern ja bestehen bleiben soll, bestraft diese
Leute mit Gefängnis bis zu fünf Jahren. Daneben kann auf Verlust der bürger¬
lichen Ehrenrechte und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Weiter
heißt es: "Besitzer von Cas6s, Wirtshäusern oder Schankstellcn, die Frauen
oder Mädchen, seien diese in irgend einem Geschäft angestellt oder nicht, Ge¬
legenheit gewähren, sich der Prostitution hinzugeben, werdeu als Zuhälter be¬
trachtet und wie die Bettler und Vagabunden bestraft" (die in Frankreich
härter angesehen werden, als bei uns). Auch auf diese Personen findet bei
uns der § 180 Wohl stets unmittelbare Anwendung, und es scheint mir richtiger,
sie als das, was sie sind, als Kuppler zu bestrafen, als daß man sie als Zu¬
hälter betrachtet, was sie nicht sind. Weiter heißt es: "Ferner ist ein Mensch,
gleichviel ob er eine Wohnung hat oder nicht, als Zuhälter zu betrachten,
wenn er aus Handlungen, die bestimmt sind, die öffentliche Prostitution zu
erleichtern, ein Gewerbe macht." Diese Definition des Zuhälters ist auf der
einen Seite außerordentlich unbestimmt (freilich kenne ich den französischen
Wortlaut uicht) und bietet die Gefahr, daß sie ins Ungemessene ausgedehnt
werden kann (oder daß man die Sache umdrehen muß und, was freilich nicht
immer das dümmste ist, die Definition nach dem Begriff des Lebens auslegt),
andrerseits erscheint sie zu eng, insofern es heutzutage, wie ich gezeigt habe,
thatsächlich Zuhälter giebt, denen es gar nicht einfällt, die Prostitution zu
erleichtern. Endlich kann dem Zuhälter ein Aufenthaltsverbot bis zu fünf Jahren
auferlegt werden. Es ist das auch bei uns insofern möglich, als der wegen
Kuppelei verurteilte unter Polizeiaufsicht gestellt werden kann, wenn vom
Gericht darauf erkannt worden ist. Ob es sich für uns empfiehlt, darüber
hinaus dem französischen Beispiel zu folgen, erscheint mir doch zweifelhaft.

Nachwort.

Der vorstehende Aufsatz war bereits abgeschlossen, als mir
der Artikel über das Zuhälterunwesen in Ur. 46 der vorjährigen Grenz¬
boten zu Gesicht kam. Die dort gegebene Begriffsbestimmung vom Zuhälter
scheint mir ebenfalls an den Mängeln zu leiden, die so eben bezeichnet worden
sind. Im übrigen mögen den dort vertretnen abweichenden Ansichten gegen¬
über meine Ausführungen für sich selber sprechen, so gut sie können.




Das Zuhälterwesen und die Gesetzgebung

behörden auf einen festen Rechtsboden stellen, von dem aus sie die Übelstände
in dem Umfange ausrotten könnten, als es nur immer möglich ist, strafbare
Handlungen im voraus zu verhüten. Die weitergehenden Maßregeln, die
die französische Regierung den Kammern in Vorschlag gebracht hat, dürften,
soweit man nach den Zeitungsberichten über sie urteilen kann, für uns über¬
flüssig sein. Es heißt in der mir vorliegenden Notiz: „Vermieter, die die Un¬
zucht begünstigen, sollen zu Gefängnis von vier Monaten bis zu zwei Jahren oder
zu 200 bis 1000 Francs Geldstrafe verurteilt werden." Der § 180 des
deutschen Neichsstrafgesetzbuchs, der insofern ja bestehen bleiben soll, bestraft diese
Leute mit Gefängnis bis zu fünf Jahren. Daneben kann auf Verlust der bürger¬
lichen Ehrenrechte und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Weiter
heißt es: „Besitzer von Cas6s, Wirtshäusern oder Schankstellcn, die Frauen
oder Mädchen, seien diese in irgend einem Geschäft angestellt oder nicht, Ge¬
legenheit gewähren, sich der Prostitution hinzugeben, werdeu als Zuhälter be¬
trachtet und wie die Bettler und Vagabunden bestraft" (die in Frankreich
härter angesehen werden, als bei uns). Auch auf diese Personen findet bei
uns der § 180 Wohl stets unmittelbare Anwendung, und es scheint mir richtiger,
sie als das, was sie sind, als Kuppler zu bestrafen, als daß man sie als Zu¬
hälter betrachtet, was sie nicht sind. Weiter heißt es: „Ferner ist ein Mensch,
gleichviel ob er eine Wohnung hat oder nicht, als Zuhälter zu betrachten,
wenn er aus Handlungen, die bestimmt sind, die öffentliche Prostitution zu
erleichtern, ein Gewerbe macht." Diese Definition des Zuhälters ist auf der
einen Seite außerordentlich unbestimmt (freilich kenne ich den französischen
Wortlaut uicht) und bietet die Gefahr, daß sie ins Ungemessene ausgedehnt
werden kann (oder daß man die Sache umdrehen muß und, was freilich nicht
immer das dümmste ist, die Definition nach dem Begriff des Lebens auslegt),
andrerseits erscheint sie zu eng, insofern es heutzutage, wie ich gezeigt habe,
thatsächlich Zuhälter giebt, denen es gar nicht einfällt, die Prostitution zu
erleichtern. Endlich kann dem Zuhälter ein Aufenthaltsverbot bis zu fünf Jahren
auferlegt werden. Es ist das auch bei uns insofern möglich, als der wegen
Kuppelei verurteilte unter Polizeiaufsicht gestellt werden kann, wenn vom
Gericht darauf erkannt worden ist. Ob es sich für uns empfiehlt, darüber
hinaus dem französischen Beispiel zu folgen, erscheint mir doch zweifelhaft.

Nachwort.

Der vorstehende Aufsatz war bereits abgeschlossen, als mir
der Artikel über das Zuhälterunwesen in Ur. 46 der vorjährigen Grenz¬
boten zu Gesicht kam. Die dort gegebene Begriffsbestimmung vom Zuhälter
scheint mir ebenfalls an den Mängeln zu leiden, die so eben bezeichnet worden
sind. Im übrigen mögen den dort vertretnen abweichenden Ansichten gegen¬
über meine Ausführungen für sich selber sprechen, so gut sie können.




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[0178] Das Zuhälterwesen und die Gesetzgebung behörden auf einen festen Rechtsboden stellen, von dem aus sie die Übelstände in dem Umfange ausrotten könnten, als es nur immer möglich ist, strafbare Handlungen im voraus zu verhüten. Die weitergehenden Maßregeln, die die französische Regierung den Kammern in Vorschlag gebracht hat, dürften, soweit man nach den Zeitungsberichten über sie urteilen kann, für uns über¬ flüssig sein. Es heißt in der mir vorliegenden Notiz: „Vermieter, die die Un¬ zucht begünstigen, sollen zu Gefängnis von vier Monaten bis zu zwei Jahren oder zu 200 bis 1000 Francs Geldstrafe verurteilt werden." Der § 180 des deutschen Neichsstrafgesetzbuchs, der insofern ja bestehen bleiben soll, bestraft diese Leute mit Gefängnis bis zu fünf Jahren. Daneben kann auf Verlust der bürger¬ lichen Ehrenrechte und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Weiter heißt es: „Besitzer von Cas6s, Wirtshäusern oder Schankstellcn, die Frauen oder Mädchen, seien diese in irgend einem Geschäft angestellt oder nicht, Ge¬ legenheit gewähren, sich der Prostitution hinzugeben, werdeu als Zuhälter be¬ trachtet und wie die Bettler und Vagabunden bestraft" (die in Frankreich härter angesehen werden, als bei uns). Auch auf diese Personen findet bei uns der § 180 Wohl stets unmittelbare Anwendung, und es scheint mir richtiger, sie als das, was sie sind, als Kuppler zu bestrafen, als daß man sie als Zu¬ hälter betrachtet, was sie nicht sind. Weiter heißt es: „Ferner ist ein Mensch, gleichviel ob er eine Wohnung hat oder nicht, als Zuhälter zu betrachten, wenn er aus Handlungen, die bestimmt sind, die öffentliche Prostitution zu erleichtern, ein Gewerbe macht." Diese Definition des Zuhälters ist auf der einen Seite außerordentlich unbestimmt (freilich kenne ich den französischen Wortlaut uicht) und bietet die Gefahr, daß sie ins Ungemessene ausgedehnt werden kann (oder daß man die Sache umdrehen muß und, was freilich nicht immer das dümmste ist, die Definition nach dem Begriff des Lebens auslegt), andrerseits erscheint sie zu eng, insofern es heutzutage, wie ich gezeigt habe, thatsächlich Zuhälter giebt, denen es gar nicht einfällt, die Prostitution zu erleichtern. Endlich kann dem Zuhälter ein Aufenthaltsverbot bis zu fünf Jahren auferlegt werden. Es ist das auch bei uns insofern möglich, als der wegen Kuppelei verurteilte unter Polizeiaufsicht gestellt werden kann, wenn vom Gericht darauf erkannt worden ist. Ob es sich für uns empfiehlt, darüber hinaus dem französischen Beispiel zu folgen, erscheint mir doch zweifelhaft. Nachwort. Der vorstehende Aufsatz war bereits abgeschlossen, als mir der Artikel über das Zuhälterunwesen in Ur. 46 der vorjährigen Grenz¬ boten zu Gesicht kam. Die dort gegebene Begriffsbestimmung vom Zuhälter scheint mir ebenfalls an den Mängeln zu leiden, die so eben bezeichnet worden sind. Im übrigen mögen den dort vertretnen abweichenden Ansichten gegen¬ über meine Ausführungen für sich selber sprechen, so gut sie können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/178>, abgerufen am 23.07.2024.