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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Vas Zuhälterwesen und die Gesetzgebung

haft in Anwendung bringe. Eine dahin gehende Strafbestimmung würde sich
ganz natürlich dem System des Gesetzbnchs anschließen, das für alle Arten
von Leuten, die durch Müßiggang und Hang zum Laster heruntergekommen
und dadurch zu einer Plage oder^Gefahr für die menschliche Gesellschaft ge¬
worden sind, diese Schule strenger Zucht und regelmäßiger Arbeit eingeführt
hat. Freilich kann es bedenklich erscheinen, die gefährliche Klasse der Zuhälter
mit dem im ganzen harmlosen, mehr schwachen als schlechten Völkchen der
Bettler und Vagabunden in unmittelbare Gemeinschaft zu bringen. Das ist
jedoch ein rein gefüngnis-technisches Bedenken, das in Verbindung mit so
mancher andern Frage, die ans diesem Gebiete der Lösung harrt, erledigt
werden mag.

Nicht ganz einfach dürfte es sein, den gesetzlichen Thatbestand des Ver¬
gehens befriedigend in Worte zu fassen. Mir ist, mit einer einzigen Aus¬
nahme, kein Versuch dazu bekannt geworden. Ich würde etwa folgenden Vor¬
schlag machen: "Wer, ohne einem regelmäßigen Erwerbe nachzugehen, zu einer
Frauensperson, die gewerbsmäßig Unzucht treibt, in ein persönliches Verhältnis
tritt, durch das er sie veranlaßt, ihm die Mittel zu seinem Lebensunterhalte
ganz oder zu einem wesentlichen Teile zu gewähren." Diese Bestimmung
müßte unter Ur. 6a in Z 361 des Strafgesetzbuches eingeschoben werden.

Ich bemerke dazu folgendes. Persönliches Verhältnis soll hier nicht
etwa Liebes- oder auch nur ein Geschlechtsverhältnis bedeuten. Beides liegt nicht
in dem Begriff Zuhälter. Es ist damit vielmehr nur die Pflege von Be¬
ziehungen durch persönlichen Umgang und Verkehr gemeint. Der Begriff hat
etwas unbestimmtes, doch glaube ich nicht, daß er in der Praxis Schwierig¬
keiten machen würde, und er scheint mir erforderlich, um alle die Fülle aus¬
zuschließen, wo auf Grund eines Geschäftsverkehrs jemand von der Dirne
Geld oder Geldeswert um sich bringt, wie wenn Wohnung oder Unterhalt
gegen Bezahlung gewährt wird. Zwar handelt es sich in diesen Fällen
immer um Leistung und Gegenleistung; das ist aber, wie mir scheint, nicht
das entscheidende. Auch der Zuhälter leistet der Dirne, zwar nicht immer,
aber in den meisten Fällen Dienste, die in der That Gegenleistung sind, und
daß hier die Leistungen aus unsittlichen, daher richtigen Vertrage beruhen,
unterscheidet sie wiederum nicht immer von den andern Leistungen, dann z, B.
nicht, wenn verbotenerweise Wohnung zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs
gewährt wird. Daß aber der Zuhälter zur Dirne in dieses Verhältnis tritt,
mag sich dieses nun gestalten wie es will, das ist es, was diese zur Hergabe
des Geldes veranlaßt. Im übrigen dürfte sich die Rechtfertigung meines
Vorschlags aus den vorhergehenden Ausführungen 'ergeben.

Damit wären meine Vorschläge erschöpft. Beide Maßregeln, die Zu¬
lassung öffentlicher Häuser einerseits, die Bestrafung der Zuhälter andrerseits,
würden meiner Meinung nach ausreichen. Sie würden die Verwaltungs-


Grenzboten 1 1892 22
Vas Zuhälterwesen und die Gesetzgebung

haft in Anwendung bringe. Eine dahin gehende Strafbestimmung würde sich
ganz natürlich dem System des Gesetzbnchs anschließen, das für alle Arten
von Leuten, die durch Müßiggang und Hang zum Laster heruntergekommen
und dadurch zu einer Plage oder^Gefahr für die menschliche Gesellschaft ge¬
worden sind, diese Schule strenger Zucht und regelmäßiger Arbeit eingeführt
hat. Freilich kann es bedenklich erscheinen, die gefährliche Klasse der Zuhälter
mit dem im ganzen harmlosen, mehr schwachen als schlechten Völkchen der
Bettler und Vagabunden in unmittelbare Gemeinschaft zu bringen. Das ist
jedoch ein rein gefüngnis-technisches Bedenken, das in Verbindung mit so
mancher andern Frage, die ans diesem Gebiete der Lösung harrt, erledigt
werden mag.

Nicht ganz einfach dürfte es sein, den gesetzlichen Thatbestand des Ver¬
gehens befriedigend in Worte zu fassen. Mir ist, mit einer einzigen Aus¬
nahme, kein Versuch dazu bekannt geworden. Ich würde etwa folgenden Vor¬
schlag machen: „Wer, ohne einem regelmäßigen Erwerbe nachzugehen, zu einer
Frauensperson, die gewerbsmäßig Unzucht treibt, in ein persönliches Verhältnis
tritt, durch das er sie veranlaßt, ihm die Mittel zu seinem Lebensunterhalte
ganz oder zu einem wesentlichen Teile zu gewähren." Diese Bestimmung
müßte unter Ur. 6a in Z 361 des Strafgesetzbuches eingeschoben werden.

Ich bemerke dazu folgendes. Persönliches Verhältnis soll hier nicht
etwa Liebes- oder auch nur ein Geschlechtsverhältnis bedeuten. Beides liegt nicht
in dem Begriff Zuhälter. Es ist damit vielmehr nur die Pflege von Be¬
ziehungen durch persönlichen Umgang und Verkehr gemeint. Der Begriff hat
etwas unbestimmtes, doch glaube ich nicht, daß er in der Praxis Schwierig¬
keiten machen würde, und er scheint mir erforderlich, um alle die Fülle aus¬
zuschließen, wo auf Grund eines Geschäftsverkehrs jemand von der Dirne
Geld oder Geldeswert um sich bringt, wie wenn Wohnung oder Unterhalt
gegen Bezahlung gewährt wird. Zwar handelt es sich in diesen Fällen
immer um Leistung und Gegenleistung; das ist aber, wie mir scheint, nicht
das entscheidende. Auch der Zuhälter leistet der Dirne, zwar nicht immer,
aber in den meisten Fällen Dienste, die in der That Gegenleistung sind, und
daß hier die Leistungen aus unsittlichen, daher richtigen Vertrage beruhen,
unterscheidet sie wiederum nicht immer von den andern Leistungen, dann z, B.
nicht, wenn verbotenerweise Wohnung zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs
gewährt wird. Daß aber der Zuhälter zur Dirne in dieses Verhältnis tritt,
mag sich dieses nun gestalten wie es will, das ist es, was diese zur Hergabe
des Geldes veranlaßt. Im übrigen dürfte sich die Rechtfertigung meines
Vorschlags aus den vorhergehenden Ausführungen 'ergeben.

Damit wären meine Vorschläge erschöpft. Beide Maßregeln, die Zu¬
lassung öffentlicher Häuser einerseits, die Bestrafung der Zuhälter andrerseits,
würden meiner Meinung nach ausreichen. Sie würden die Verwaltungs-


Grenzboten 1 1892 22
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[0177] Vas Zuhälterwesen und die Gesetzgebung haft in Anwendung bringe. Eine dahin gehende Strafbestimmung würde sich ganz natürlich dem System des Gesetzbnchs anschließen, das für alle Arten von Leuten, die durch Müßiggang und Hang zum Laster heruntergekommen und dadurch zu einer Plage oder^Gefahr für die menschliche Gesellschaft ge¬ worden sind, diese Schule strenger Zucht und regelmäßiger Arbeit eingeführt hat. Freilich kann es bedenklich erscheinen, die gefährliche Klasse der Zuhälter mit dem im ganzen harmlosen, mehr schwachen als schlechten Völkchen der Bettler und Vagabunden in unmittelbare Gemeinschaft zu bringen. Das ist jedoch ein rein gefüngnis-technisches Bedenken, das in Verbindung mit so mancher andern Frage, die ans diesem Gebiete der Lösung harrt, erledigt werden mag. Nicht ganz einfach dürfte es sein, den gesetzlichen Thatbestand des Ver¬ gehens befriedigend in Worte zu fassen. Mir ist, mit einer einzigen Aus¬ nahme, kein Versuch dazu bekannt geworden. Ich würde etwa folgenden Vor¬ schlag machen: „Wer, ohne einem regelmäßigen Erwerbe nachzugehen, zu einer Frauensperson, die gewerbsmäßig Unzucht treibt, in ein persönliches Verhältnis tritt, durch das er sie veranlaßt, ihm die Mittel zu seinem Lebensunterhalte ganz oder zu einem wesentlichen Teile zu gewähren." Diese Bestimmung müßte unter Ur. 6a in Z 361 des Strafgesetzbuches eingeschoben werden. Ich bemerke dazu folgendes. Persönliches Verhältnis soll hier nicht etwa Liebes- oder auch nur ein Geschlechtsverhältnis bedeuten. Beides liegt nicht in dem Begriff Zuhälter. Es ist damit vielmehr nur die Pflege von Be¬ ziehungen durch persönlichen Umgang und Verkehr gemeint. Der Begriff hat etwas unbestimmtes, doch glaube ich nicht, daß er in der Praxis Schwierig¬ keiten machen würde, und er scheint mir erforderlich, um alle die Fülle aus¬ zuschließen, wo auf Grund eines Geschäftsverkehrs jemand von der Dirne Geld oder Geldeswert um sich bringt, wie wenn Wohnung oder Unterhalt gegen Bezahlung gewährt wird. Zwar handelt es sich in diesen Fällen immer um Leistung und Gegenleistung; das ist aber, wie mir scheint, nicht das entscheidende. Auch der Zuhälter leistet der Dirne, zwar nicht immer, aber in den meisten Fällen Dienste, die in der That Gegenleistung sind, und daß hier die Leistungen aus unsittlichen, daher richtigen Vertrage beruhen, unterscheidet sie wiederum nicht immer von den andern Leistungen, dann z, B. nicht, wenn verbotenerweise Wohnung zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs gewährt wird. Daß aber der Zuhälter zur Dirne in dieses Verhältnis tritt, mag sich dieses nun gestalten wie es will, das ist es, was diese zur Hergabe des Geldes veranlaßt. Im übrigen dürfte sich die Rechtfertigung meines Vorschlags aus den vorhergehenden Ausführungen 'ergeben. Damit wären meine Vorschläge erschöpft. Beide Maßregeln, die Zu¬ lassung öffentlicher Häuser einerseits, die Bestrafung der Zuhälter andrerseits, würden meiner Meinung nach ausreichen. Sie würden die Verwaltungs- Grenzboten 1 1892 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/177>, abgerufen am 23.07.2024.