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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Das ZuhÄIteiwesen und die Gesetzgebung

das hat die Dirne nicht nöthig, einen Mann von einem Mädchen unter'
scheiden, das kann sie schon allein --, nein, um aufzupassen, ob da, wo
sie streicht, ein Wächter naht, um, wenn er kommt, Signal zu geben oder ihr
zur Seite zu stehen und, mehr noch durch die Furcht, die seine rohe Gewalt¬
thätigkeit einflößt, als durch deu Schein von Ehrbarkeit, den er ihr durch
seine Begleitung verleihen könnte, sie vor Verhaftung zu schützen. Das un¬
abweisbare Bedürfnis nach einem derartigen Schlitz ist es, das die Dirnen
den Zuhältern zutreibt, das das Zuhälterwesen so mächtig hat aufblühen
lassen.

Aber dabei ist die Entwicklung der Dinge nicht stehen geblieben, und
das bringt uns auf die zweite Frage, ob die bestehende Gesetzgebung aus¬
reichende Handhaben gegen die Zuhälter gewähre. Unser Strafgesetzbuch be¬
straft den Zuhälter als solchen bekanntlich nicht. Der Versuch, die Aneignung
des Geldes, das die Dirne durch ihre Unzucht verdient hat, an dein Zuhälter
als Hehlerei (Strafgesetzbuch 8 259) zu bestrafen, erscheint, wie auch das
Reichsgericht anerkannt hat (Entsch. Bd. II, S. 342), verfehlt, und zwar
nicht bloß deswegen, weil in den meisten Fällen in der Unzucht keine straf¬
bare Handlung liegt. Nur insofern seine Thätigkeit eine kupplerische ist,
findet der § ^180 des Strafgesetzbuches auch auf deu Zuhälter Anwen¬
dung. Ob man bei der Redaktion des Strafgesetzbuchs auch an diese"
Fall der Kuppelei gedacht habe, scheint zweifelhaft; erst allmählich, soviel
ich sehe, ist man in der Praxis darauf gekommen, diesen Paragraphen
hier anzuwenden. Doch kommt es darauf nicht an, und wenn auch die Aus¬
legung, wonach in der geschilderten Thätigkeit des Louis eine "Gewährung
oder Verschaffung von Gelegenheit" oder "Vermittlung" liegt, unverkennbar
etwas gezwungenes hat, so läßt sich doch ihre Folgerichtigkeit nicht bestreiten.
Aber man beachte wohl, daß es nnr die Kuppelei ist, wegen deren man den
Zuhälter bestraft, daß im übrigen das Leben und Treiben des Zuhälters als
solches kein selbständiges Verbrechen bildet. Wer die Strafe des Zuhälters
nur deswegen ins Ungemessene steigert, weil er es mit einem Louis zu thun
hat, der führt, genau genommen, eine Strafe für einen Thatbestand ein, den
unsre Strafgesetze nicht kennen. Das soll jedoch nichts weiter sein, als ein
rein theoretisches Bedenken, das ich nur als einen Grund mehr dafür ins
Gefecht führe, daß uns ein neues besondres Strafgesetz gegen den Zuhälter
noth thut. Viel wichtiger ist folgender Gesichtspunkt.

Es ist im Grunde nicht schwer, dem Zuhälter, der auf der Anklagebank
sitzt, den Nachweis zu führen, daß er nicht gearbeitet, vielmehr von dem
Gelde gelebt hat, das ihm die Dirne hat geben müssen; sehr schwer ist aber
der Beweis bestimmter einzelner Thathandllingen, in denen die "Vermittlung,"
die "Gewährung oder Verschaffuiig von Gelegenheit" zu finden ist. Das hat
wohl jeder schon erfahren, der einige Praxis in diesen Prozessen besitzt. Es


Das ZuhÄIteiwesen und die Gesetzgebung

das hat die Dirne nicht nöthig, einen Mann von einem Mädchen unter'
scheiden, das kann sie schon allein —, nein, um aufzupassen, ob da, wo
sie streicht, ein Wächter naht, um, wenn er kommt, Signal zu geben oder ihr
zur Seite zu stehen und, mehr noch durch die Furcht, die seine rohe Gewalt¬
thätigkeit einflößt, als durch deu Schein von Ehrbarkeit, den er ihr durch
seine Begleitung verleihen könnte, sie vor Verhaftung zu schützen. Das un¬
abweisbare Bedürfnis nach einem derartigen Schlitz ist es, das die Dirnen
den Zuhältern zutreibt, das das Zuhälterwesen so mächtig hat aufblühen
lassen.

Aber dabei ist die Entwicklung der Dinge nicht stehen geblieben, und
das bringt uns auf die zweite Frage, ob die bestehende Gesetzgebung aus¬
reichende Handhaben gegen die Zuhälter gewähre. Unser Strafgesetzbuch be¬
straft den Zuhälter als solchen bekanntlich nicht. Der Versuch, die Aneignung
des Geldes, das die Dirne durch ihre Unzucht verdient hat, an dein Zuhälter
als Hehlerei (Strafgesetzbuch 8 259) zu bestrafen, erscheint, wie auch das
Reichsgericht anerkannt hat (Entsch. Bd. II, S. 342), verfehlt, und zwar
nicht bloß deswegen, weil in den meisten Fällen in der Unzucht keine straf¬
bare Handlung liegt. Nur insofern seine Thätigkeit eine kupplerische ist,
findet der § ^180 des Strafgesetzbuches auch auf deu Zuhälter Anwen¬
dung. Ob man bei der Redaktion des Strafgesetzbuchs auch an diese»
Fall der Kuppelei gedacht habe, scheint zweifelhaft; erst allmählich, soviel
ich sehe, ist man in der Praxis darauf gekommen, diesen Paragraphen
hier anzuwenden. Doch kommt es darauf nicht an, und wenn auch die Aus¬
legung, wonach in der geschilderten Thätigkeit des Louis eine „Gewährung
oder Verschaffung von Gelegenheit" oder „Vermittlung" liegt, unverkennbar
etwas gezwungenes hat, so läßt sich doch ihre Folgerichtigkeit nicht bestreiten.
Aber man beachte wohl, daß es nnr die Kuppelei ist, wegen deren man den
Zuhälter bestraft, daß im übrigen das Leben und Treiben des Zuhälters als
solches kein selbständiges Verbrechen bildet. Wer die Strafe des Zuhälters
nur deswegen ins Ungemessene steigert, weil er es mit einem Louis zu thun
hat, der führt, genau genommen, eine Strafe für einen Thatbestand ein, den
unsre Strafgesetze nicht kennen. Das soll jedoch nichts weiter sein, als ein
rein theoretisches Bedenken, das ich nur als einen Grund mehr dafür ins
Gefecht führe, daß uns ein neues besondres Strafgesetz gegen den Zuhälter
noth thut. Viel wichtiger ist folgender Gesichtspunkt.

Es ist im Grunde nicht schwer, dem Zuhälter, der auf der Anklagebank
sitzt, den Nachweis zu führen, daß er nicht gearbeitet, vielmehr von dem
Gelde gelebt hat, das ihm die Dirne hat geben müssen; sehr schwer ist aber
der Beweis bestimmter einzelner Thathandllingen, in denen die „Vermittlung,"
die „Gewährung oder Verschaffuiig von Gelegenheit" zu finden ist. Das hat
wohl jeder schon erfahren, der einige Praxis in diesen Prozessen besitzt. Es


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[0173] Das ZuhÄIteiwesen und die Gesetzgebung das hat die Dirne nicht nöthig, einen Mann von einem Mädchen unter' scheiden, das kann sie schon allein —, nein, um aufzupassen, ob da, wo sie streicht, ein Wächter naht, um, wenn er kommt, Signal zu geben oder ihr zur Seite zu stehen und, mehr noch durch die Furcht, die seine rohe Gewalt¬ thätigkeit einflößt, als durch deu Schein von Ehrbarkeit, den er ihr durch seine Begleitung verleihen könnte, sie vor Verhaftung zu schützen. Das un¬ abweisbare Bedürfnis nach einem derartigen Schlitz ist es, das die Dirnen den Zuhältern zutreibt, das das Zuhälterwesen so mächtig hat aufblühen lassen. Aber dabei ist die Entwicklung der Dinge nicht stehen geblieben, und das bringt uns auf die zweite Frage, ob die bestehende Gesetzgebung aus¬ reichende Handhaben gegen die Zuhälter gewähre. Unser Strafgesetzbuch be¬ straft den Zuhälter als solchen bekanntlich nicht. Der Versuch, die Aneignung des Geldes, das die Dirne durch ihre Unzucht verdient hat, an dein Zuhälter als Hehlerei (Strafgesetzbuch 8 259) zu bestrafen, erscheint, wie auch das Reichsgericht anerkannt hat (Entsch. Bd. II, S. 342), verfehlt, und zwar nicht bloß deswegen, weil in den meisten Fällen in der Unzucht keine straf¬ bare Handlung liegt. Nur insofern seine Thätigkeit eine kupplerische ist, findet der § ^180 des Strafgesetzbuches auch auf deu Zuhälter Anwen¬ dung. Ob man bei der Redaktion des Strafgesetzbuchs auch an diese» Fall der Kuppelei gedacht habe, scheint zweifelhaft; erst allmählich, soviel ich sehe, ist man in der Praxis darauf gekommen, diesen Paragraphen hier anzuwenden. Doch kommt es darauf nicht an, und wenn auch die Aus¬ legung, wonach in der geschilderten Thätigkeit des Louis eine „Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit" oder „Vermittlung" liegt, unverkennbar etwas gezwungenes hat, so läßt sich doch ihre Folgerichtigkeit nicht bestreiten. Aber man beachte wohl, daß es nnr die Kuppelei ist, wegen deren man den Zuhälter bestraft, daß im übrigen das Leben und Treiben des Zuhälters als solches kein selbständiges Verbrechen bildet. Wer die Strafe des Zuhälters nur deswegen ins Ungemessene steigert, weil er es mit einem Louis zu thun hat, der führt, genau genommen, eine Strafe für einen Thatbestand ein, den unsre Strafgesetze nicht kennen. Das soll jedoch nichts weiter sein, als ein rein theoretisches Bedenken, das ich nur als einen Grund mehr dafür ins Gefecht führe, daß uns ein neues besondres Strafgesetz gegen den Zuhälter noth thut. Viel wichtiger ist folgender Gesichtspunkt. Es ist im Grunde nicht schwer, dem Zuhälter, der auf der Anklagebank sitzt, den Nachweis zu führen, daß er nicht gearbeitet, vielmehr von dem Gelde gelebt hat, das ihm die Dirne hat geben müssen; sehr schwer ist aber der Beweis bestimmter einzelner Thathandllingen, in denen die „Vermittlung," die „Gewährung oder Verschaffuiig von Gelegenheit" zu finden ist. Das hat wohl jeder schon erfahren, der einige Praxis in diesen Prozessen besitzt. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/173>, abgerufen am 23.07.2024.