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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Die Bekämpfung der Sozialdemokratie vom psychologischen Standpunkt

als wirtschaftliche Macht aufträte. Er konnte das sehr gut, wenn er die Ein¬
fuhr der Güter, die für alle am notwendigste" sind, sich sebst vorbehielte;
damit konnte er wenigstens verhindern, daß sich im eignen Lande der Preis
dieser Güter über den Preis des Weltmarktes erhebt. Er könnte allenfalls auch
den Preis eiuer Ware im eignen Lande über den Weltmarktpreis hinauf¬
schrauben, um irgend einen Zweig der Warenproduktion zu schützen und zu
unterstützen. Jedenfalls könnte der Staat dann alle Ringe innerhalb jenes
Handelsgebicts verhindern, dessen Waren er selbst einführt, da er durch ihre
Einfuhr und dadurch, daß er sie auch zu mäßigen Preisen abgiebt, die Ringe
sprengen würde. Der Staat könnte so innerhalb der Weltmarktpreise die Preise
aller Waren regeln, die er einführt, ohne doch unmittelbar in die wirtschaft¬
liche Produktion einzugreifen und die für den menschlichen Fortschritt not¬
wendige Konkurrenz aufzuheben. Er könnte auch fein EiusülMngsrecht nach
und nach auf alle beliebigen Waren erstrecken, je nachdem es die Bedürfnisse
erfordern. Natürlich dürfte das Verfahren des Staates nicht willkürlich sein,
es müßte auf statistischen Ermittlungen des Warenvervranchs im eignen Lande
beruhen und der Kontrolle der Volksvertretung unterliegen. Die Sammlung
der notwendigen statistischen Daten könnte heutzutage keiner großen Schwierigkeit
mehr begegnen. Wohl aber würde durch Verstaatlichung anch nnr eines Teiles
der Einfuhr anfangs eine Menge Menschen wirtschaftlich zu Grunde gehen, worin
natürlich eine Gefahr für das ganze Land läge. Jedenfalls steht fest, daß nur
durch den. Staat jene materielle Grundlage für den Arbeiterstand gesichert
werden kann, die notwendig ist zu seiner geistigen und gesellschaftlichen Hebung.
Nur wenn der Staat die Preise zu regeln vermag, kann er dein Arbeiter auch
gewährleiste", daß er für einen genügenden Lohn auch genügende Güter erhält,
sonst könnte er dem Arbeiter höchstens durch ein Lohngesetz eine bestimmte
Geldsumme sicherm, wäre aber nicht imstande, ihm auch zu gewährleisten, daß
er für sein Geld das Notwendige erhält.

Ist nun die materielle Grundlage für deu Arbeiter gesichert, so beginnt
die Sorge für seine Erziehung durch die Familie und die Schule. Bei kürzerer
Arbeitszeit wird er imstande sein, seiner Familie mehr Zeit zu widmen. Nur
in der Familie aber ist eine Ausbildung seines Gemütslebens möglich, nnr in
ihr findet eine unabsichtliche gegenseitige Erziehung durch Beispiel und Anbe-
quemung statt, die viel wichtiger ist als alle absichtliche erziehende Einwirkung.
Die Familie ist die Pflegstätte des Persönlichen. In der Welt werden die persön¬
liche Eigentümlichkeiten ausgeglichen, niemand gilt als Einzelner, sondern nur
als Glied des Ganzen und insofern als er für das Ganze etwas leistet oder
wenigstens zu leisten scheint. In der Familie dagegen tritt der Wert des
Menschen für die Allgemeinheit zurück, feine Persönlichkeit ist es, die geschätzt
wird, sein Verhältnis zur nächsten Umgebung ist hier das Bestimmende, und
so wie er durch sie bestimmt wird, bestimmt er wiederum sie. Diese gegen-


Die Bekämpfung der Sozialdemokratie vom psychologischen Standpunkt

als wirtschaftliche Macht aufträte. Er konnte das sehr gut, wenn er die Ein¬
fuhr der Güter, die für alle am notwendigste« sind, sich sebst vorbehielte;
damit konnte er wenigstens verhindern, daß sich im eignen Lande der Preis
dieser Güter über den Preis des Weltmarktes erhebt. Er könnte allenfalls auch
den Preis eiuer Ware im eignen Lande über den Weltmarktpreis hinauf¬
schrauben, um irgend einen Zweig der Warenproduktion zu schützen und zu
unterstützen. Jedenfalls könnte der Staat dann alle Ringe innerhalb jenes
Handelsgebicts verhindern, dessen Waren er selbst einführt, da er durch ihre
Einfuhr und dadurch, daß er sie auch zu mäßigen Preisen abgiebt, die Ringe
sprengen würde. Der Staat könnte so innerhalb der Weltmarktpreise die Preise
aller Waren regeln, die er einführt, ohne doch unmittelbar in die wirtschaft¬
liche Produktion einzugreifen und die für den menschlichen Fortschritt not¬
wendige Konkurrenz aufzuheben. Er könnte auch fein EiusülMngsrecht nach
und nach auf alle beliebigen Waren erstrecken, je nachdem es die Bedürfnisse
erfordern. Natürlich dürfte das Verfahren des Staates nicht willkürlich sein,
es müßte auf statistischen Ermittlungen des Warenvervranchs im eignen Lande
beruhen und der Kontrolle der Volksvertretung unterliegen. Die Sammlung
der notwendigen statistischen Daten könnte heutzutage keiner großen Schwierigkeit
mehr begegnen. Wohl aber würde durch Verstaatlichung anch nnr eines Teiles
der Einfuhr anfangs eine Menge Menschen wirtschaftlich zu Grunde gehen, worin
natürlich eine Gefahr für das ganze Land läge. Jedenfalls steht fest, daß nur
durch den. Staat jene materielle Grundlage für den Arbeiterstand gesichert
werden kann, die notwendig ist zu seiner geistigen und gesellschaftlichen Hebung.
Nur wenn der Staat die Preise zu regeln vermag, kann er dein Arbeiter auch
gewährleiste«, daß er für einen genügenden Lohn auch genügende Güter erhält,
sonst könnte er dem Arbeiter höchstens durch ein Lohngesetz eine bestimmte
Geldsumme sicherm, wäre aber nicht imstande, ihm auch zu gewährleisten, daß
er für sein Geld das Notwendige erhält.

Ist nun die materielle Grundlage für deu Arbeiter gesichert, so beginnt
die Sorge für seine Erziehung durch die Familie und die Schule. Bei kürzerer
Arbeitszeit wird er imstande sein, seiner Familie mehr Zeit zu widmen. Nur
in der Familie aber ist eine Ausbildung seines Gemütslebens möglich, nnr in
ihr findet eine unabsichtliche gegenseitige Erziehung durch Beispiel und Anbe-
quemung statt, die viel wichtiger ist als alle absichtliche erziehende Einwirkung.
Die Familie ist die Pflegstätte des Persönlichen. In der Welt werden die persön¬
liche Eigentümlichkeiten ausgeglichen, niemand gilt als Einzelner, sondern nur
als Glied des Ganzen und insofern als er für das Ganze etwas leistet oder
wenigstens zu leisten scheint. In der Familie dagegen tritt der Wert des
Menschen für die Allgemeinheit zurück, feine Persönlichkeit ist es, die geschätzt
wird, sein Verhältnis zur nächsten Umgebung ist hier das Bestimmende, und
so wie er durch sie bestimmt wird, bestimmt er wiederum sie. Diese gegen-


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[0012] Die Bekämpfung der Sozialdemokratie vom psychologischen Standpunkt als wirtschaftliche Macht aufträte. Er konnte das sehr gut, wenn er die Ein¬ fuhr der Güter, die für alle am notwendigste« sind, sich sebst vorbehielte; damit konnte er wenigstens verhindern, daß sich im eignen Lande der Preis dieser Güter über den Preis des Weltmarktes erhebt. Er könnte allenfalls auch den Preis eiuer Ware im eignen Lande über den Weltmarktpreis hinauf¬ schrauben, um irgend einen Zweig der Warenproduktion zu schützen und zu unterstützen. Jedenfalls könnte der Staat dann alle Ringe innerhalb jenes Handelsgebicts verhindern, dessen Waren er selbst einführt, da er durch ihre Einfuhr und dadurch, daß er sie auch zu mäßigen Preisen abgiebt, die Ringe sprengen würde. Der Staat könnte so innerhalb der Weltmarktpreise die Preise aller Waren regeln, die er einführt, ohne doch unmittelbar in die wirtschaft¬ liche Produktion einzugreifen und die für den menschlichen Fortschritt not¬ wendige Konkurrenz aufzuheben. Er könnte auch fein EiusülMngsrecht nach und nach auf alle beliebigen Waren erstrecken, je nachdem es die Bedürfnisse erfordern. Natürlich dürfte das Verfahren des Staates nicht willkürlich sein, es müßte auf statistischen Ermittlungen des Warenvervranchs im eignen Lande beruhen und der Kontrolle der Volksvertretung unterliegen. Die Sammlung der notwendigen statistischen Daten könnte heutzutage keiner großen Schwierigkeit mehr begegnen. Wohl aber würde durch Verstaatlichung anch nnr eines Teiles der Einfuhr anfangs eine Menge Menschen wirtschaftlich zu Grunde gehen, worin natürlich eine Gefahr für das ganze Land läge. Jedenfalls steht fest, daß nur durch den. Staat jene materielle Grundlage für den Arbeiterstand gesichert werden kann, die notwendig ist zu seiner geistigen und gesellschaftlichen Hebung. Nur wenn der Staat die Preise zu regeln vermag, kann er dein Arbeiter auch gewährleiste«, daß er für einen genügenden Lohn auch genügende Güter erhält, sonst könnte er dem Arbeiter höchstens durch ein Lohngesetz eine bestimmte Geldsumme sicherm, wäre aber nicht imstande, ihm auch zu gewährleisten, daß er für sein Geld das Notwendige erhält. Ist nun die materielle Grundlage für deu Arbeiter gesichert, so beginnt die Sorge für seine Erziehung durch die Familie und die Schule. Bei kürzerer Arbeitszeit wird er imstande sein, seiner Familie mehr Zeit zu widmen. Nur in der Familie aber ist eine Ausbildung seines Gemütslebens möglich, nnr in ihr findet eine unabsichtliche gegenseitige Erziehung durch Beispiel und Anbe- quemung statt, die viel wichtiger ist als alle absichtliche erziehende Einwirkung. Die Familie ist die Pflegstätte des Persönlichen. In der Welt werden die persön¬ liche Eigentümlichkeiten ausgeglichen, niemand gilt als Einzelner, sondern nur als Glied des Ganzen und insofern als er für das Ganze etwas leistet oder wenigstens zu leisten scheint. In der Familie dagegen tritt der Wert des Menschen für die Allgemeinheit zurück, feine Persönlichkeit ist es, die geschätzt wird, sein Verhältnis zur nächsten Umgebung ist hier das Bestimmende, und so wie er durch sie bestimmt wird, bestimmt er wiederum sie. Diese gegen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/12>, abgerufen am 23.07.2024.