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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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fpieler vom Fach uns prophezeit hatten. Nun aber kam der dritte Streich.
Wildenbruch stand hinter den Kulissen und sprach uns, um seine eigne Auf¬
regung zu verbergen, immer von neuem Mut zu. Cethegus klagte über Heiserkeit.
Es wurde ihm schnell Selterswasser in den Hals gepumpt, er mußte mit Kalk¬
wasser gurgeln, bekam Honigkuchen zu essen, kurz alles, was seine belegte
Stimme verlangte. Man sagte von ihm, es sei kein Wunder, denn seine Stimme
sei das einzige, was er in diesem Semester belegt hätte. Das war Galgen¬
humor! Die erste Szene ging gut. Klara Mayer erschien als Svanhilo und
sah entzückend aus. Sie wurde vom Publikum mit rauschendem Beifall empfangen
und von uns wild erregten Römern thatsächlich mit scheuer Bewunderung be¬
trachtet. Mir, dem Spurius, wurde die ebenso berückende wie schwierige Auf¬
gabe gestellt, diese herrliche aber widerspenstige Priestertochter zur Liebe zu
zwingen. Unter glühenden Worten ergriff ich zaghaft ihre Hand, aber sie
hauchte mir hastig zu: Greifen Sie fest um die Taille, sonst kann ich mich
wirklich nicht sträuben!

Ich zuckte einen Augenblick zusammen, dann schlang ich meine Arme mit
Heftigkeit um ihren Leib -- bei allen Göttern, ich ersparte ihr das künstliche
Sträuben; ich war verwirrt und mochte sie zu lange festgehalten haben, denn
ich vergaß das Stichwort. Es entstand eine entsetzliche Pause, und ich kounte
erst wieder durch deu Souffleur ins richtige Fahrwasser gebracht werde".

Es kam nun die satale Kampsesszeue. Die Römer nud die Germanen
stürmten über die Bühne, schrieen, schlugen um sich, warfen sich hin und starben
zappelnd, wie todeswunde Hasen. Das Publikum wurde unruhig, wir hörten
sogar eine lachende Kinderstimme ^-- entsetzliches Balg! Als aber ein toter
Römer, der in der Nähe einer Kulisse lag, ganz sacht auf allen Vieren von
der Bühne verschwinden wollte, da traf uns eine schallende Lachsalve aus dem
dunkeln Parkett -- es war furchtbar! Und als nun auch die Göttereiche nicht
brennen wollte und doch immer von den wilden, lodernden Flammen gesprochen
wurde, als der Germanenfürst zu früh auf die Bühne stürzte und seinen
Irrtum erkennend schleunigst wieder hinter die Kulissen lief, als der Faden
verloren war, als sich Römer und Germanen ans der Bühne verwundert an¬
sahen und sich verlegen anstießen, da wieherte das Publikum vor Wonne. Vom
"Amphibieutheater" brüllte eine Stimme: Hat denn keener nich faule Äppel hier?
Der Angstschweiß trat uus auf die Stirn. Also auch das noch für all die
Liebe -- der Vorhang mußte fallen. Lärmend verließ das Publikum das Theater.

Der Dichter kam atemlos und bleich aus seiner Loge aus die Bühne ge¬
stürzt: Das Publikum hat -- gelacht; wenn das morgen auch passirt, bin ich
verloren! Was machen wir nur? Sagen Sie, was macheu wir nur? Der
Regisseur kratzte sich schmunzelnd hinterm Ohr. Habe ich Ihnen das nicht
vorher gesagt? Nichts schwieriger als eine Kampfesszene! Aber es ist richtig --
fo darf es morgen nicht wieder gehen.


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fpieler vom Fach uns prophezeit hatten. Nun aber kam der dritte Streich.
Wildenbruch stand hinter den Kulissen und sprach uns, um seine eigne Auf¬
regung zu verbergen, immer von neuem Mut zu. Cethegus klagte über Heiserkeit.
Es wurde ihm schnell Selterswasser in den Hals gepumpt, er mußte mit Kalk¬
wasser gurgeln, bekam Honigkuchen zu essen, kurz alles, was seine belegte
Stimme verlangte. Man sagte von ihm, es sei kein Wunder, denn seine Stimme
sei das einzige, was er in diesem Semester belegt hätte. Das war Galgen¬
humor! Die erste Szene ging gut. Klara Mayer erschien als Svanhilo und
sah entzückend aus. Sie wurde vom Publikum mit rauschendem Beifall empfangen
und von uns wild erregten Römern thatsächlich mit scheuer Bewunderung be¬
trachtet. Mir, dem Spurius, wurde die ebenso berückende wie schwierige Auf¬
gabe gestellt, diese herrliche aber widerspenstige Priestertochter zur Liebe zu
zwingen. Unter glühenden Worten ergriff ich zaghaft ihre Hand, aber sie
hauchte mir hastig zu: Greifen Sie fest um die Taille, sonst kann ich mich
wirklich nicht sträuben!

Ich zuckte einen Augenblick zusammen, dann schlang ich meine Arme mit
Heftigkeit um ihren Leib — bei allen Göttern, ich ersparte ihr das künstliche
Sträuben; ich war verwirrt und mochte sie zu lange festgehalten haben, denn
ich vergaß das Stichwort. Es entstand eine entsetzliche Pause, und ich kounte
erst wieder durch deu Souffleur ins richtige Fahrwasser gebracht werde».

Es kam nun die satale Kampsesszeue. Die Römer nud die Germanen
stürmten über die Bühne, schrieen, schlugen um sich, warfen sich hin und starben
zappelnd, wie todeswunde Hasen. Das Publikum wurde unruhig, wir hörten
sogar eine lachende Kinderstimme ^— entsetzliches Balg! Als aber ein toter
Römer, der in der Nähe einer Kulisse lag, ganz sacht auf allen Vieren von
der Bühne verschwinden wollte, da traf uns eine schallende Lachsalve aus dem
dunkeln Parkett — es war furchtbar! Und als nun auch die Göttereiche nicht
brennen wollte und doch immer von den wilden, lodernden Flammen gesprochen
wurde, als der Germanenfürst zu früh auf die Bühne stürzte und seinen
Irrtum erkennend schleunigst wieder hinter die Kulissen lief, als der Faden
verloren war, als sich Römer und Germanen ans der Bühne verwundert an¬
sahen und sich verlegen anstießen, da wieherte das Publikum vor Wonne. Vom
„Amphibieutheater" brüllte eine Stimme: Hat denn keener nich faule Äppel hier?
Der Angstschweiß trat uus auf die Stirn. Also auch das noch für all die
Liebe — der Vorhang mußte fallen. Lärmend verließ das Publikum das Theater.

Der Dichter kam atemlos und bleich aus seiner Loge aus die Bühne ge¬
stürzt: Das Publikum hat — gelacht; wenn das morgen auch passirt, bin ich
verloren! Was machen wir nur? Sagen Sie, was macheu wir nur? Der
Regisseur kratzte sich schmunzelnd hinterm Ohr. Habe ich Ihnen das nicht
vorher gesagt? Nichts schwieriger als eine Kampfesszene! Aber es ist richtig —
fo darf es morgen nicht wieder gehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/104>, abgerufen am 23.07.2024.