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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Theodor Körners Vater

ist er stets mehr der freundliche Berater, als der strenge Vater, aber nicht
jeder Sohn ist anch ein Theodor Körner. Als dieser den großen Entschluß
seines Lebeus faßt, mit Draugabe seines jungen glänzenden Jngendglückes
Blut und Leben zu wagen, wird aus dem gütigen Ratgeber der Freund, der
Kampfgenosse. Christian Gottfried durfte sich gerechten Stolzes sagen, daß
die Saat, die er selbst sorgsam gesät hatte, herrlich ausgegangen war.

Und was konnte es denn Erhabneres geben, wenn es ihm auch das Herz
zerriß, als den Heldentod seines Sohnes! In diesem Sohne war, wie Wilhelm
Scherer sagt, kein Rückblick ans vergangene Zeiten, keine Weichheit, keine
Träumerei, sondern die volle Frische des Jünglings, die in der Gegenwart
lebt; der reinste Enthusiasmus, dem die große Zeit einen großen Inhalt giebt.
Er ward ein Idealist, wie Piccolomini. Er lebte in den Gesinnungen der
Jungfrau von Orleans: "nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles
freudig setzt an ihre Ehre!" "Was ist unschuldig, heilig, menschlich, gut,
wenn es der Kampf nicht ist uns Vaterland?"

So hatte auch der Vater gedacht, und dennoch ist begreiflich, daß der
Tod des Sohnes alle seine Hoffnungen vernichtete. Als Flüchtling vor der
Rache des Eroberers, der ihm sein Glück zerschmettert hatte, umhergetrieben,
empfing er die sichere Kunde von dem betrübenden Ereignis des 26. August 1813
erst im November desselben Jahres. An den Leipziger Freund Kunze schrieb
er starken Herzens über Theodors frühzeitiges Ende: "Mein Schmerz ist sanft,
und sein Tod hat für mich eine seelenerhebende Wirkung. Als Schutzgeist
werde ich ihn ehren und den Nest meines Lebens alles anwenden, um seiner
wert zu sein, um für die große Sache, der er sich geopfert hat, auch in
meinem Wirkungskreise nach meinen Kräften etwas zu leisten."

Unter den obwaltenden Umständen, wenn er auch in seinem engern Vater¬
lande eine neue, ihm zusagende Beschäftigung gefunden hatte, mußte ihm die
Aussicht, gerade in preußische Dienste übertreten zu können, angenehm sein.
In den alten Verhältnissen "ekelte ihn manches Gesicht." Am 3. März 1815
trug ihm Hardenberg die Stelle eines Staatsrath im preußischen Ministerium
des Innern an. "Die Verdienste -- so lautete das amtliche Schriftstück --,
welche Sie Sich durch Ihre ebenso einsichtsvolle als thätige Teilnahme an
der Sache Ihres Vaterlandes, besonders auch durch Ihre Arbeiten am König¬
lichen Generalgouvernement erworben haben, und die Verhältnisse, in welche
Sie dnrch die Ereignisse versetzt worden sind, legen mir die Pflicht auf,
Ihnen mit dem Anerbieten, Sie in den preußischen Staatsdienst aufzunehmen,
entgegenzukommen."

Im Geiste seines Sohnes zu wirken, bot Preußen allerdings ein geeig¬
neteres Feld als Sachsen. Auch den schweren Schicksalsschlag durch den
Verlust der blühenden Tochter, von der man wohl sagen kann, daß der Tod
des Bruders ihr das Herz brach, überwand er kraftvoll. Sie starb am


Theodor Körners Vater

ist er stets mehr der freundliche Berater, als der strenge Vater, aber nicht
jeder Sohn ist anch ein Theodor Körner. Als dieser den großen Entschluß
seines Lebeus faßt, mit Draugabe seines jungen glänzenden Jngendglückes
Blut und Leben zu wagen, wird aus dem gütigen Ratgeber der Freund, der
Kampfgenosse. Christian Gottfried durfte sich gerechten Stolzes sagen, daß
die Saat, die er selbst sorgsam gesät hatte, herrlich ausgegangen war.

Und was konnte es denn Erhabneres geben, wenn es ihm auch das Herz
zerriß, als den Heldentod seines Sohnes! In diesem Sohne war, wie Wilhelm
Scherer sagt, kein Rückblick ans vergangene Zeiten, keine Weichheit, keine
Träumerei, sondern die volle Frische des Jünglings, die in der Gegenwart
lebt; der reinste Enthusiasmus, dem die große Zeit einen großen Inhalt giebt.
Er ward ein Idealist, wie Piccolomini. Er lebte in den Gesinnungen der
Jungfrau von Orleans: „nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles
freudig setzt an ihre Ehre!" „Was ist unschuldig, heilig, menschlich, gut,
wenn es der Kampf nicht ist uns Vaterland?"

So hatte auch der Vater gedacht, und dennoch ist begreiflich, daß der
Tod des Sohnes alle seine Hoffnungen vernichtete. Als Flüchtling vor der
Rache des Eroberers, der ihm sein Glück zerschmettert hatte, umhergetrieben,
empfing er die sichere Kunde von dem betrübenden Ereignis des 26. August 1813
erst im November desselben Jahres. An den Leipziger Freund Kunze schrieb
er starken Herzens über Theodors frühzeitiges Ende: „Mein Schmerz ist sanft,
und sein Tod hat für mich eine seelenerhebende Wirkung. Als Schutzgeist
werde ich ihn ehren und den Nest meines Lebens alles anwenden, um seiner
wert zu sein, um für die große Sache, der er sich geopfert hat, auch in
meinem Wirkungskreise nach meinen Kräften etwas zu leisten."

Unter den obwaltenden Umständen, wenn er auch in seinem engern Vater¬
lande eine neue, ihm zusagende Beschäftigung gefunden hatte, mußte ihm die
Aussicht, gerade in preußische Dienste übertreten zu können, angenehm sein.
In den alten Verhältnissen „ekelte ihn manches Gesicht." Am 3. März 1815
trug ihm Hardenberg die Stelle eines Staatsrath im preußischen Ministerium
des Innern an. „Die Verdienste — so lautete das amtliche Schriftstück —,
welche Sie Sich durch Ihre ebenso einsichtsvolle als thätige Teilnahme an
der Sache Ihres Vaterlandes, besonders auch durch Ihre Arbeiten am König¬
lichen Generalgouvernement erworben haben, und die Verhältnisse, in welche
Sie dnrch die Ereignisse versetzt worden sind, legen mir die Pflicht auf,
Ihnen mit dem Anerbieten, Sie in den preußischen Staatsdienst aufzunehmen,
entgegenzukommen."

Im Geiste seines Sohnes zu wirken, bot Preußen allerdings ein geeig¬
neteres Feld als Sachsen. Auch den schweren Schicksalsschlag durch den
Verlust der blühenden Tochter, von der man wohl sagen kann, daß der Tod
des Bruders ihr das Herz brach, überwand er kraftvoll. Sie starb am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/573>, abgerufen am 23.07.2024.