Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Theodor Körners Vater damals noch etwas neues. In Verbindung damit befleißigte er sich dann Bei feinen Studien leitete ihn nicht die Absicht, durch die Erlangung Nachdem Körner seine Studien in Leipzig begonnen und in Göttingen Schon 1781 verzichtete er darauf, in seinem Auditorium die Studenten Der Abschied aus seiner Vaterstadt wurde ihm schwer, besonders auch Gvenzbvten III 1891 71
Theodor Körners Vater damals noch etwas neues. In Verbindung damit befleißigte er sich dann Bei feinen Studien leitete ihn nicht die Absicht, durch die Erlangung Nachdem Körner seine Studien in Leipzig begonnen und in Göttingen Schon 1781 verzichtete er darauf, in seinem Auditorium die Studenten Der Abschied aus seiner Vaterstadt wurde ihm schwer, besonders auch Gvenzbvten III 1891 71
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290338"/> <fw type="header" place="top"> Theodor Körners Vater</fw><lb/> <p xml:id="ID_1693" prev="#ID_1692"> damals noch etwas neues. In Verbindung damit befleißigte er sich dann<lb/> aber auch der Naturwissenschaften und der Mathematik, namentlich in ihren<lb/> Anwendungen auf die Bedürfnisse und Gewerbe der Menschen, ein Gebiet, das<lb/> man heutzutage Technologie nennen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1694"> Bei feinen Studien leitete ihn nicht die Absicht, durch die Erlangung<lb/> besondrer Fachkenntnisse später in seiner Laufbahn schneller vorwärts zu<lb/> kommen, sondern das Streben, auf unbekanntem Bahnen zu forschen. Im<lb/> allgemeinen war es der Trieb nach Erkenntnis und Wahrheit, der ihn beseelte.<lb/> Von vornherein hatte er sich den Wahlspruch erkoren, der Wahrheit das Leben<lb/> zu widmen (viwni iinxsnäsrv ve-ro), ganz im Sinne des um jene Zeit von<lb/> G. E. Lessing in seiner Duplik gegen Goeze aufgestellten Forschergrundsatzes,<lb/> daß nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend jemand sei oder zu sein ver¬<lb/> neine, sondern die aufrichtige Mühe, die er aufgewendet habe, hinter die<lb/> Wahrheit zu kommen, den Wert eines Menschen ausmache.</p><lb/> <p xml:id="ID_1695"> Nachdem Körner seine Studien in Leipzig begonnen und in Göttingen<lb/> fortgesetzt hatte, kehrte er 1777 in seine Vaterstadt zurück, um sie dort ab¬<lb/> zuschließen. Im folgenden Jahre wurde er Magister in der philosophischen<lb/> Fakultät und erwarb sich 1779 die Erlaubnis, juristische Vorlesungen zu<lb/> halten, nachdem er vorher die Würde eines Doktors beider Rechte erlangt<lb/> hatte. Aber Zuhörer wollten nicht kommen. Nach einem Jahrzehnt schrieb<lb/> er mit gutmütiger Selbstverspottung an Schiller, den angehenden Geschichts¬<lb/> professor: „Mit mehr Geräusch hättest du deine neue Laufbahn nicht beginnen<lb/> können. Ich kann mich desto besser in deinen Fall denken, da ich selbst etliche<lb/> male zu Anfang des halben Jahres am Fenster gelauert habe, wobei jedes<lb/> Stiefeltratfchen mir willkommene Musik war." Zuvor erhielt er noch Ge¬<lb/> legenheit, außer der vielseitig gelehrten sich auch eine weltmännische Bildung<lb/> anzueignen. Im Herbst desselben Jahres (1779) begleitete er einen jungen<lb/> Grafen (Schönburg-Glauchau) als Mentor auf dessen „Kavaliertvur." Die<lb/> Reise dauerte ungefähr vierzehn Monate, und er lernte auf ihr außer einem<lb/> großen Teile Deutschlands Holland, England, Frankreich, die Niederlande<lb/> und die Schweiz kennen. Nach der guten Sitte der damaligen Zeit führte er<lb/> ein eingehendes Neisetagebuch, worin er sich in verständigem Ton und ohne viele<lb/> Redensarten über Land und Leute, Kunst und Industrie ausspricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1696"> Schon 1781 verzichtete er darauf, in seinem Auditorium die Studenten<lb/> vergeblich zu erwarten, und wurde Konsistorialadvokat in Leipzig. Da er sich<lb/> guter Empfehlungen zu erfreuen hatte und auch wirklich bald als brauchbarer<lb/> Beamter erkannt wurde, erstieg er bereits uach zwei Jahren eine höhere Stufe<lb/> und ward als jüngster, auf jeden Fall sehr junger Rat, an das Oberkon¬<lb/> sistorium nach Dresden berufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1697" next="#ID_1698"> Der Abschied aus seiner Vaterstadt wurde ihm schwer, besonders auch<lb/> deshalb, weil ihn dort die Liebe gefesselt hielt. Schon 1782 hatte er sich mit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gvenzbvten III 1891 71</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0569]
Theodor Körners Vater
damals noch etwas neues. In Verbindung damit befleißigte er sich dann
aber auch der Naturwissenschaften und der Mathematik, namentlich in ihren
Anwendungen auf die Bedürfnisse und Gewerbe der Menschen, ein Gebiet, das
man heutzutage Technologie nennen würde.
Bei feinen Studien leitete ihn nicht die Absicht, durch die Erlangung
besondrer Fachkenntnisse später in seiner Laufbahn schneller vorwärts zu
kommen, sondern das Streben, auf unbekanntem Bahnen zu forschen. Im
allgemeinen war es der Trieb nach Erkenntnis und Wahrheit, der ihn beseelte.
Von vornherein hatte er sich den Wahlspruch erkoren, der Wahrheit das Leben
zu widmen (viwni iinxsnäsrv ve-ro), ganz im Sinne des um jene Zeit von
G. E. Lessing in seiner Duplik gegen Goeze aufgestellten Forschergrundsatzes,
daß nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend jemand sei oder zu sein ver¬
neine, sondern die aufrichtige Mühe, die er aufgewendet habe, hinter die
Wahrheit zu kommen, den Wert eines Menschen ausmache.
Nachdem Körner seine Studien in Leipzig begonnen und in Göttingen
fortgesetzt hatte, kehrte er 1777 in seine Vaterstadt zurück, um sie dort ab¬
zuschließen. Im folgenden Jahre wurde er Magister in der philosophischen
Fakultät und erwarb sich 1779 die Erlaubnis, juristische Vorlesungen zu
halten, nachdem er vorher die Würde eines Doktors beider Rechte erlangt
hatte. Aber Zuhörer wollten nicht kommen. Nach einem Jahrzehnt schrieb
er mit gutmütiger Selbstverspottung an Schiller, den angehenden Geschichts¬
professor: „Mit mehr Geräusch hättest du deine neue Laufbahn nicht beginnen
können. Ich kann mich desto besser in deinen Fall denken, da ich selbst etliche
male zu Anfang des halben Jahres am Fenster gelauert habe, wobei jedes
Stiefeltratfchen mir willkommene Musik war." Zuvor erhielt er noch Ge¬
legenheit, außer der vielseitig gelehrten sich auch eine weltmännische Bildung
anzueignen. Im Herbst desselben Jahres (1779) begleitete er einen jungen
Grafen (Schönburg-Glauchau) als Mentor auf dessen „Kavaliertvur." Die
Reise dauerte ungefähr vierzehn Monate, und er lernte auf ihr außer einem
großen Teile Deutschlands Holland, England, Frankreich, die Niederlande
und die Schweiz kennen. Nach der guten Sitte der damaligen Zeit führte er
ein eingehendes Neisetagebuch, worin er sich in verständigem Ton und ohne viele
Redensarten über Land und Leute, Kunst und Industrie ausspricht.
Schon 1781 verzichtete er darauf, in seinem Auditorium die Studenten
vergeblich zu erwarten, und wurde Konsistorialadvokat in Leipzig. Da er sich
guter Empfehlungen zu erfreuen hatte und auch wirklich bald als brauchbarer
Beamter erkannt wurde, erstieg er bereits uach zwei Jahren eine höhere Stufe
und ward als jüngster, auf jeden Fall sehr junger Rat, an das Oberkon¬
sistorium nach Dresden berufen.
Der Abschied aus seiner Vaterstadt wurde ihm schwer, besonders auch
deshalb, weil ihn dort die Liebe gefesselt hielt. Schon 1782 hatte er sich mit
Gvenzbvten III 1891 71
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