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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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prcuszischeil Gerichtsassessoren durchzublättern, um in den Namen die Bestätigung
dieser Behauptung zu finden. Allein unter denen, deren Dienstalter schon
über sechs Jahre beträgt, finden sich ein Dutzend jüdischer Assessoren, die
offenbar Anstellung als Richter erstreben, da sie sonst jedenfalls schon längst
in die Rcchtsanwaltschcift oder den sonst erwählten Beruf übergegangen wären.
Und leider scheint, wenigstens in Preußen, die Justizverwaltung unempfindlich
für die Gefährdung zu sein, die daraus dem Stand und seinem Ansehen er¬
wächst. Zum Beweis genügt es, auf die Verhandlungen des Abgeordneten¬
hauses über die vorher erwähnte Angelegenheit der Hildesheimer Referendare
hinzuweisen. Kein Unparteiischer kann zweifeln, daß die Maßregelung dieser
Referendare, die vom Standpunkt der Gleichberechtigung der Konfessionen aus
verteidigt wurde, eine Willfährigkeit gegen das Judentum enthält, die geradezu
zu einer Bevorzugung desselben führen muß. Entweder muß es überhaupt
als unerlaubt für die Referendare gelten, auch bei einer noch so privaten
Vereinigung, wie es doch wohl eine Tischgesellschaft ist, die Zulassung eines
Kollegen von subjektiven Rücksichten der Sympathie und Antipathie abhängig
zu machen -- ein Standpunkt, der ausdrücklich abgelehnt wurde --, oder man
mußte diesen Fall ebenso gut den Beteiligten zur selbständigen Regelung über¬
lassen und sich jeder Einmischung enthalten, wie es z. B. zweifellos der Fall
gewesen sein würde, wenn ein bürgerlicher Referendar in eine Tischgesellschaft
üblicher Kollegen oder ein früherer Finke in eine Gesellschaft ehemaliger Korps¬
studenten, die diese Eigenschaft zur Voraussetzung der Teilnahme gemacht
hätten, nicht aufgenommen worden wäre. Wenn man überhaupt persönlichen und
subjektiven Abneigungen für solche gesellige Vereinigungen Raum giebt, die
auch nicht einmal dem Namen nach einen Zusammenschluß sämtlicher Referen¬
dare enthalten, dann ist doch in der That auch nicht der entfernteste Grund
einzusehen, der die Beteiligten, wenn sich ihre Abneigung nun einmal gegen
jüdische Elemente richtete, hätte veranlassen sollen, diese Abneigung zu unter¬
drücken. Sollte sie etwa die Hochachtung vor dem Gesetz vom 3. Juli 1869
über die Gleichberechtigung der Konfessionen dazu nötigen? Unverkennbar
und ausgesprochenermaßen hat so gerade das Judentum des, Abgelehnten zu
einer Behandlung seiner Gegner geführt, die bei sonst gleichen Verhältnissen
nicht eingetreten wäre.

Man könnte dagegen einwenden, daß die Justizverwaltung, indem sie
einen jungen Mann zum Referendar annimmt, damit auch die Bürgschaft
seiner Ehrenhaftigkeit und gesellschaftlichen Tadellosigkeit übernehme, und von
diesem Gesichtspunkte ans von seinen Standesgenossen verlangen könne, daß
sie auch außerdienstlich seinen Umgang nicht abweisen. Aber man sieht auf
den ersten Blick das Fehlerhafte dieser Ansicht, denn offenbar berechtigt auch
die sorgfältigste Kritik bei Aufnahme eines Referendars die Aufsichtsbehörde
nicht, seine Zulassung in rein vertrauliche Kreise zu verlangen, wie es eine


prcuszischeil Gerichtsassessoren durchzublättern, um in den Namen die Bestätigung
dieser Behauptung zu finden. Allein unter denen, deren Dienstalter schon
über sechs Jahre beträgt, finden sich ein Dutzend jüdischer Assessoren, die
offenbar Anstellung als Richter erstreben, da sie sonst jedenfalls schon längst
in die Rcchtsanwaltschcift oder den sonst erwählten Beruf übergegangen wären.
Und leider scheint, wenigstens in Preußen, die Justizverwaltung unempfindlich
für die Gefährdung zu sein, die daraus dem Stand und seinem Ansehen er¬
wächst. Zum Beweis genügt es, auf die Verhandlungen des Abgeordneten¬
hauses über die vorher erwähnte Angelegenheit der Hildesheimer Referendare
hinzuweisen. Kein Unparteiischer kann zweifeln, daß die Maßregelung dieser
Referendare, die vom Standpunkt der Gleichberechtigung der Konfessionen aus
verteidigt wurde, eine Willfährigkeit gegen das Judentum enthält, die geradezu
zu einer Bevorzugung desselben führen muß. Entweder muß es überhaupt
als unerlaubt für die Referendare gelten, auch bei einer noch so privaten
Vereinigung, wie es doch wohl eine Tischgesellschaft ist, die Zulassung eines
Kollegen von subjektiven Rücksichten der Sympathie und Antipathie abhängig
zu machen — ein Standpunkt, der ausdrücklich abgelehnt wurde —, oder man
mußte diesen Fall ebenso gut den Beteiligten zur selbständigen Regelung über¬
lassen und sich jeder Einmischung enthalten, wie es z. B. zweifellos der Fall
gewesen sein würde, wenn ein bürgerlicher Referendar in eine Tischgesellschaft
üblicher Kollegen oder ein früherer Finke in eine Gesellschaft ehemaliger Korps¬
studenten, die diese Eigenschaft zur Voraussetzung der Teilnahme gemacht
hätten, nicht aufgenommen worden wäre. Wenn man überhaupt persönlichen und
subjektiven Abneigungen für solche gesellige Vereinigungen Raum giebt, die
auch nicht einmal dem Namen nach einen Zusammenschluß sämtlicher Referen¬
dare enthalten, dann ist doch in der That auch nicht der entfernteste Grund
einzusehen, der die Beteiligten, wenn sich ihre Abneigung nun einmal gegen
jüdische Elemente richtete, hätte veranlassen sollen, diese Abneigung zu unter¬
drücken. Sollte sie etwa die Hochachtung vor dem Gesetz vom 3. Juli 1869
über die Gleichberechtigung der Konfessionen dazu nötigen? Unverkennbar
und ausgesprochenermaßen hat so gerade das Judentum des, Abgelehnten zu
einer Behandlung seiner Gegner geführt, die bei sonst gleichen Verhältnissen
nicht eingetreten wäre.

Man könnte dagegen einwenden, daß die Justizverwaltung, indem sie
einen jungen Mann zum Referendar annimmt, damit auch die Bürgschaft
seiner Ehrenhaftigkeit und gesellschaftlichen Tadellosigkeit übernehme, und von
diesem Gesichtspunkte ans von seinen Standesgenossen verlangen könne, daß
sie auch außerdienstlich seinen Umgang nicht abweisen. Aber man sieht auf
den ersten Blick das Fehlerhafte dieser Ansicht, denn offenbar berechtigt auch
die sorgfältigste Kritik bei Aufnahme eines Referendars die Aufsichtsbehörde
nicht, seine Zulassung in rein vertrauliche Kreise zu verlangen, wie es eine


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[0557] prcuszischeil Gerichtsassessoren durchzublättern, um in den Namen die Bestätigung dieser Behauptung zu finden. Allein unter denen, deren Dienstalter schon über sechs Jahre beträgt, finden sich ein Dutzend jüdischer Assessoren, die offenbar Anstellung als Richter erstreben, da sie sonst jedenfalls schon längst in die Rcchtsanwaltschcift oder den sonst erwählten Beruf übergegangen wären. Und leider scheint, wenigstens in Preußen, die Justizverwaltung unempfindlich für die Gefährdung zu sein, die daraus dem Stand und seinem Ansehen er¬ wächst. Zum Beweis genügt es, auf die Verhandlungen des Abgeordneten¬ hauses über die vorher erwähnte Angelegenheit der Hildesheimer Referendare hinzuweisen. Kein Unparteiischer kann zweifeln, daß die Maßregelung dieser Referendare, die vom Standpunkt der Gleichberechtigung der Konfessionen aus verteidigt wurde, eine Willfährigkeit gegen das Judentum enthält, die geradezu zu einer Bevorzugung desselben führen muß. Entweder muß es überhaupt als unerlaubt für die Referendare gelten, auch bei einer noch so privaten Vereinigung, wie es doch wohl eine Tischgesellschaft ist, die Zulassung eines Kollegen von subjektiven Rücksichten der Sympathie und Antipathie abhängig zu machen — ein Standpunkt, der ausdrücklich abgelehnt wurde —, oder man mußte diesen Fall ebenso gut den Beteiligten zur selbständigen Regelung über¬ lassen und sich jeder Einmischung enthalten, wie es z. B. zweifellos der Fall gewesen sein würde, wenn ein bürgerlicher Referendar in eine Tischgesellschaft üblicher Kollegen oder ein früherer Finke in eine Gesellschaft ehemaliger Korps¬ studenten, die diese Eigenschaft zur Voraussetzung der Teilnahme gemacht hätten, nicht aufgenommen worden wäre. Wenn man überhaupt persönlichen und subjektiven Abneigungen für solche gesellige Vereinigungen Raum giebt, die auch nicht einmal dem Namen nach einen Zusammenschluß sämtlicher Referen¬ dare enthalten, dann ist doch in der That auch nicht der entfernteste Grund einzusehen, der die Beteiligten, wenn sich ihre Abneigung nun einmal gegen jüdische Elemente richtete, hätte veranlassen sollen, diese Abneigung zu unter¬ drücken. Sollte sie etwa die Hochachtung vor dem Gesetz vom 3. Juli 1869 über die Gleichberechtigung der Konfessionen dazu nötigen? Unverkennbar und ausgesprochenermaßen hat so gerade das Judentum des, Abgelehnten zu einer Behandlung seiner Gegner geführt, die bei sonst gleichen Verhältnissen nicht eingetreten wäre. Man könnte dagegen einwenden, daß die Justizverwaltung, indem sie einen jungen Mann zum Referendar annimmt, damit auch die Bürgschaft seiner Ehrenhaftigkeit und gesellschaftlichen Tadellosigkeit übernehme, und von diesem Gesichtspunkte ans von seinen Standesgenossen verlangen könne, daß sie auch außerdienstlich seinen Umgang nicht abweisen. Aber man sieht auf den ersten Blick das Fehlerhafte dieser Ansicht, denn offenbar berechtigt auch die sorgfältigste Kritik bei Aufnahme eines Referendars die Aufsichtsbehörde nicht, seine Zulassung in rein vertrauliche Kreise zu verlangen, wie es eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/557>, abgerufen am 26.08.2024.