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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ein andrer Umstand, der wohl zu jenem guten Glauben beigetragen hat, mag
der gewesen sein, daß in dein Kriege, der dort noch in aller Erinnerung war,
dem Kriege zwischen Chile und Peru, mit den Fischtorpedos verhältnismäßig wenig
geleistet worden war. Beiläufig hatte sich in jenem Kriege gerade der Blanco
Enealada durch seinen Anteil an der Wegnahme des peruanischen Monitors
Huasear ausgezeichnet. Was die Verwendung von Torpedos in jenem Kriege
betrifft, so waren mehrere Fälle, wo Schiffe den Tvrpedvangriffen auswichen;
so schoß am 27. Nngust 1879 derselbe Huasear einen sogenannten Laytorpedo
gegen den Abtcio; der Torpedo drehte sich aber auf dem halben Wege um und
bedrohte dadurch das eigne Schiff. Dieses wurde nur durch die Geistesgegenwart
eines seiner Offiziere, des Leutnants Diez Canseco gerettet, der, den herankommende"
Torpedo erblickend, über Bord sprang und ihm, untertauchend, mit dem Gewicht
des eignen Körpers eine andre Richtung gab.

Auch mit Spieren- und geschleppten Torpedos hatte man in jenem Kriege
wenig Glück gehabt. Dagegen war das chilenische Schiff Loa durch einen Fisch¬
torpedo zerstört und versenkt worden, den man niittels eines Marketenderbootes
unbemerkt liiugsseit gebracht hatte. Auf ähnliche Weise war es gelungen, das
chilenische Schiff Covadonga zu zerstören. Auf den Arno hatten drei pern-
vinnische Torpedoboote, worunter eins mit dem Namen Fresia, einen Augriff ge¬
macht, der völlig mißglückte, während es dem Arno gelang, das Torpedoboot in
den Grund zu bohren.

Dennoch ist nicht zu verkennen, daß das Sinken des Blaneo Euealada ein
Triumph des Torpedvangriffs ist, und daß die Recht behalten haben, die für die
Überlegenheit des Torpedobootes über das Panzerschiff eingetreten sind. Dem
Einwände, daß es in diesem Fall ein Schiff gewesen sei, das die Schichmaßregeln
versäumt habe, kann man entgegenhalten, daß die Nachlässigkeit ein Kapitel ist,
mit dem man in der Kriegführung immer und auf beiden Seiten rechnen muß,
und daß es an der Thatsache nichts ändert.

Neuerdings hat aber ans der Rhede von Valparaiso ein neuer interessanter
Kampf stattgefunden, der dem Zünglein der Wage wieder eine etwas andre Rich¬
tung zu geben scheint. Dort hat eine der Kongreßpnrtei angehörige Panzerkorvette
Magellnnes einen -- wenn man recht unterrichtet ist -- sogar mehrstündigen
Kampf mit einer Gruppe feindlicher Torpedoboote oder Torpedokreuzer siegreich
bestanden und die Kreuzer zur Flucht gezwungen. Es ist das ein Ereignis, auf
dessen genauere Einzelheiten man um so mehr gespannt sein muß, als es geeignet
ist, den Schlußfolgerungen von Caldera doch eine andre Wendung zu geben.

Die Sache ist für uns Deutsche von Wichtigkeit, denn es hat sich bei uns
seit ewiger Zeit eine Marinelitteratnr aufgethan, die die gegenwärtige Marine¬
politik der Regierung -- namentlich was den Schiffbau angeht -- heftig bekämpft,
und die bei einem Teil der politischen Presse kräftige Unterstützung findet. Es ist
deshalb notwendig, den Vorgängen in Chile, wie sie der dortige Seekrieg darbietet,
nicht nur mit Aufmerksamkeit, sondern auch mit nüchternem Urteil zu folgen, damit
der rechte Pfad nicht verloren gehe.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Ein andrer Umstand, der wohl zu jenem guten Glauben beigetragen hat, mag
der gewesen sein, daß in dein Kriege, der dort noch in aller Erinnerung war,
dem Kriege zwischen Chile und Peru, mit den Fischtorpedos verhältnismäßig wenig
geleistet worden war. Beiläufig hatte sich in jenem Kriege gerade der Blanco
Enealada durch seinen Anteil an der Wegnahme des peruanischen Monitors
Huasear ausgezeichnet. Was die Verwendung von Torpedos in jenem Kriege
betrifft, so waren mehrere Fälle, wo Schiffe den Tvrpedvangriffen auswichen;
so schoß am 27. Nngust 1879 derselbe Huasear einen sogenannten Laytorpedo
gegen den Abtcio; der Torpedo drehte sich aber auf dem halben Wege um und
bedrohte dadurch das eigne Schiff. Dieses wurde nur durch die Geistesgegenwart
eines seiner Offiziere, des Leutnants Diez Canseco gerettet, der, den herankommende«
Torpedo erblickend, über Bord sprang und ihm, untertauchend, mit dem Gewicht
des eignen Körpers eine andre Richtung gab.

Auch mit Spieren- und geschleppten Torpedos hatte man in jenem Kriege
wenig Glück gehabt. Dagegen war das chilenische Schiff Loa durch einen Fisch¬
torpedo zerstört und versenkt worden, den man niittels eines Marketenderbootes
unbemerkt liiugsseit gebracht hatte. Auf ähnliche Weise war es gelungen, das
chilenische Schiff Covadonga zu zerstören. Auf den Arno hatten drei pern-
vinnische Torpedoboote, worunter eins mit dem Namen Fresia, einen Augriff ge¬
macht, der völlig mißglückte, während es dem Arno gelang, das Torpedoboot in
den Grund zu bohren.

Dennoch ist nicht zu verkennen, daß das Sinken des Blaneo Euealada ein
Triumph des Torpedvangriffs ist, und daß die Recht behalten haben, die für die
Überlegenheit des Torpedobootes über das Panzerschiff eingetreten sind. Dem
Einwände, daß es in diesem Fall ein Schiff gewesen sei, das die Schichmaßregeln
versäumt habe, kann man entgegenhalten, daß die Nachlässigkeit ein Kapitel ist,
mit dem man in der Kriegführung immer und auf beiden Seiten rechnen muß,
und daß es an der Thatsache nichts ändert.

Neuerdings hat aber ans der Rhede von Valparaiso ein neuer interessanter
Kampf stattgefunden, der dem Zünglein der Wage wieder eine etwas andre Rich¬
tung zu geben scheint. Dort hat eine der Kongreßpnrtei angehörige Panzerkorvette
Magellnnes einen — wenn man recht unterrichtet ist — sogar mehrstündigen
Kampf mit einer Gruppe feindlicher Torpedoboote oder Torpedokreuzer siegreich
bestanden und die Kreuzer zur Flucht gezwungen. Es ist das ein Ereignis, auf
dessen genauere Einzelheiten man um so mehr gespannt sein muß, als es geeignet
ist, den Schlußfolgerungen von Caldera doch eine andre Wendung zu geben.

Die Sache ist für uns Deutsche von Wichtigkeit, denn es hat sich bei uns
seit ewiger Zeit eine Marinelitteratnr aufgethan, die die gegenwärtige Marine¬
politik der Regierung — namentlich was den Schiffbau angeht — heftig bekämpft,
und die bei einem Teil der politischen Presse kräftige Unterstützung findet. Es ist
deshalb notwendig, den Vorgängen in Chile, wie sie der dortige Seekrieg darbietet,
nicht nur mit Aufmerksamkeit, sondern auch mit nüchternem Urteil zu folgen, damit
der rechte Pfad nicht verloren gehe.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/55>, abgerufen am 23.07.2024.