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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Rechts und links zur See

zu gewinnen, denn man verhehlte sich nicht, daß die nunmehr vorhandne Ver¬
schiedenheit bedenklich war.

Das hat man denn auch in den Kreisen der Schiffsrecder nach und nach
eingesehen; denn so, wie die Erziehung der Kanffcchrer den Grundstock der
Flotte liefert, so ist der Dienst in der Flotte eine nachhaltige Schule für die
Zukunft des Kauffahrers.

Man Hütte also erwarten können, daß, wenn die Reedereien einlenkten,
sie sich den Grundsätzen der kaiserlichen Marine, materiell und formell, einfach
angeschlossen hätten. Hätten sie dies gethan, so wäre die Form des Kom¬
mandos im gesamten deutschen Seeverkehr ein und dieselbe gewesen.

Einen solchen Weg einzuschlagen hat man aber nicht beliebt. Mochte
man das Beispiel der kaiserlichen Marine nicht für ausschlaggebend halten,
oder glaubte man, die kaiserliche Marine zu sich herüberziehen zu können, kurz,
Steuerbord und Backbord wurde als Ruderkommando überhaupt verworfen,
und dafür die Ausdrücke "rechts" für "Steuerbord" und "links" für "Back¬
bord" eingeführt.

Mit andern Worten: man regelte die Meinung des Kommandos im
Sinne der kaiserlichen Marine, glaubte aber die geläufigem Ausdrücke "rechts"
und "links" dafür wühlen zu müssen.

Über die Zweckmäßigkeit eines solchen Verfahrens läßt sich ja reden.
Wenn man sich ohne Rücksicht auf das, was andre thun, zu einer Änderung
entschließt und Freiheit hat in der Wahl der Wörter, so läßt sich manches
anführen für die hier getroffne Wahl der Ausdrücke. Was rechts und links
ist, weiß jeder; was Steuerbord und Backbord ist, weiß nicht jeder; es
wissen das nur die Seeleute. Die Frage ist nur, ob es gut ist, sich zu
einem solchen Verfahren zu entschließen, ohne alle Rücksicht auf das, was
andre thun.

Das in der kaiserlichen Marine eingeschlagne Verfahren ist seit einem
Jahrzehnt in Wirkung und hat sich eingebürgert. Es hat sich sogar so ein?
gebürgcrt, daß sich der Übelstand der Verschiedenheit von dem Gebrauche der
Kauffahrer uicht fühlbar machte. Für ein Kommando von der größten Wichtig¬
keit hatte man thatsächlich zwei, nicht allein verschiedne, sondern sich wider¬
sprechende Gebräuche und Ausdrucksweisen, und statt einander zu einer voll-
kommnen Einigung entgegenzukommen, trägt man noch eine dritte Verschiedenheit
in die Kauffahrtei hinein, die nur ein halbes Entgegenkommen und nur ge¬
eignet ist, das Gesamtverkehrswesen zu verwirren.

Wenn man erkannte, daß es besser sei, den alten Gebrauch aufzugeben,
so mußte man dem Beispiel der kaiserlichen Marine folgen; damit wäre ein
doppelter Nutzen erreicht worden, man hätte dem Zweck der Vereinfachung
und Berichtigung des Kommandos genügt, und man hätte die bis dahin ver¬
mißte Einheitlichkeit des Gebrauches hergestellt. Was hat man statt dessen


Rechts und links zur See

zu gewinnen, denn man verhehlte sich nicht, daß die nunmehr vorhandne Ver¬
schiedenheit bedenklich war.

Das hat man denn auch in den Kreisen der Schiffsrecder nach und nach
eingesehen; denn so, wie die Erziehung der Kanffcchrer den Grundstock der
Flotte liefert, so ist der Dienst in der Flotte eine nachhaltige Schule für die
Zukunft des Kauffahrers.

Man Hütte also erwarten können, daß, wenn die Reedereien einlenkten,
sie sich den Grundsätzen der kaiserlichen Marine, materiell und formell, einfach
angeschlossen hätten. Hätten sie dies gethan, so wäre die Form des Kom¬
mandos im gesamten deutschen Seeverkehr ein und dieselbe gewesen.

Einen solchen Weg einzuschlagen hat man aber nicht beliebt. Mochte
man das Beispiel der kaiserlichen Marine nicht für ausschlaggebend halten,
oder glaubte man, die kaiserliche Marine zu sich herüberziehen zu können, kurz,
Steuerbord und Backbord wurde als Ruderkommando überhaupt verworfen,
und dafür die Ausdrücke „rechts" für „Steuerbord" und „links" für „Back¬
bord" eingeführt.

Mit andern Worten: man regelte die Meinung des Kommandos im
Sinne der kaiserlichen Marine, glaubte aber die geläufigem Ausdrücke „rechts"
und „links" dafür wühlen zu müssen.

Über die Zweckmäßigkeit eines solchen Verfahrens läßt sich ja reden.
Wenn man sich ohne Rücksicht auf das, was andre thun, zu einer Änderung
entschließt und Freiheit hat in der Wahl der Wörter, so läßt sich manches
anführen für die hier getroffne Wahl der Ausdrücke. Was rechts und links
ist, weiß jeder; was Steuerbord und Backbord ist, weiß nicht jeder; es
wissen das nur die Seeleute. Die Frage ist nur, ob es gut ist, sich zu
einem solchen Verfahren zu entschließen, ohne alle Rücksicht auf das, was
andre thun.

Das in der kaiserlichen Marine eingeschlagne Verfahren ist seit einem
Jahrzehnt in Wirkung und hat sich eingebürgert. Es hat sich sogar so ein?
gebürgcrt, daß sich der Übelstand der Verschiedenheit von dem Gebrauche der
Kauffahrer uicht fühlbar machte. Für ein Kommando von der größten Wichtig¬
keit hatte man thatsächlich zwei, nicht allein verschiedne, sondern sich wider¬
sprechende Gebräuche und Ausdrucksweisen, und statt einander zu einer voll-
kommnen Einigung entgegenzukommen, trägt man noch eine dritte Verschiedenheit
in die Kauffahrtei hinein, die nur ein halbes Entgegenkommen und nur ge¬
eignet ist, das Gesamtverkehrswesen zu verwirren.

Wenn man erkannte, daß es besser sei, den alten Gebrauch aufzugeben,
so mußte man dem Beispiel der kaiserlichen Marine folgen; damit wäre ein
doppelter Nutzen erreicht worden, man hätte dem Zweck der Vereinfachung
und Berichtigung des Kommandos genügt, und man hätte die bis dahin ver¬
mißte Einheitlichkeit des Gebrauches hergestellt. Was hat man statt dessen


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[0517] Rechts und links zur See zu gewinnen, denn man verhehlte sich nicht, daß die nunmehr vorhandne Ver¬ schiedenheit bedenklich war. Das hat man denn auch in den Kreisen der Schiffsrecder nach und nach eingesehen; denn so, wie die Erziehung der Kanffcchrer den Grundstock der Flotte liefert, so ist der Dienst in der Flotte eine nachhaltige Schule für die Zukunft des Kauffahrers. Man Hütte also erwarten können, daß, wenn die Reedereien einlenkten, sie sich den Grundsätzen der kaiserlichen Marine, materiell und formell, einfach angeschlossen hätten. Hätten sie dies gethan, so wäre die Form des Kom¬ mandos im gesamten deutschen Seeverkehr ein und dieselbe gewesen. Einen solchen Weg einzuschlagen hat man aber nicht beliebt. Mochte man das Beispiel der kaiserlichen Marine nicht für ausschlaggebend halten, oder glaubte man, die kaiserliche Marine zu sich herüberziehen zu können, kurz, Steuerbord und Backbord wurde als Ruderkommando überhaupt verworfen, und dafür die Ausdrücke „rechts" für „Steuerbord" und „links" für „Back¬ bord" eingeführt. Mit andern Worten: man regelte die Meinung des Kommandos im Sinne der kaiserlichen Marine, glaubte aber die geläufigem Ausdrücke „rechts" und „links" dafür wühlen zu müssen. Über die Zweckmäßigkeit eines solchen Verfahrens läßt sich ja reden. Wenn man sich ohne Rücksicht auf das, was andre thun, zu einer Änderung entschließt und Freiheit hat in der Wahl der Wörter, so läßt sich manches anführen für die hier getroffne Wahl der Ausdrücke. Was rechts und links ist, weiß jeder; was Steuerbord und Backbord ist, weiß nicht jeder; es wissen das nur die Seeleute. Die Frage ist nur, ob es gut ist, sich zu einem solchen Verfahren zu entschließen, ohne alle Rücksicht auf das, was andre thun. Das in der kaiserlichen Marine eingeschlagne Verfahren ist seit einem Jahrzehnt in Wirkung und hat sich eingebürgert. Es hat sich sogar so ein? gebürgcrt, daß sich der Übelstand der Verschiedenheit von dem Gebrauche der Kauffahrer uicht fühlbar machte. Für ein Kommando von der größten Wichtig¬ keit hatte man thatsächlich zwei, nicht allein verschiedne, sondern sich wider¬ sprechende Gebräuche und Ausdrucksweisen, und statt einander zu einer voll- kommnen Einigung entgegenzukommen, trägt man noch eine dritte Verschiedenheit in die Kauffahrtei hinein, die nur ein halbes Entgegenkommen und nur ge¬ eignet ist, das Gesamtverkehrswesen zu verwirren. Wenn man erkannte, daß es besser sei, den alten Gebrauch aufzugeben, so mußte man dem Beispiel der kaiserlichen Marine folgen; damit wäre ein doppelter Nutzen erreicht worden, man hätte dem Zweck der Vereinfachung und Berichtigung des Kommandos genügt, und man hätte die bis dahin ver¬ mißte Einheitlichkeit des Gebrauches hergestellt. Was hat man statt dessen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/517>, abgerufen am 26.08.2024.