Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Das Ausgeschenk der Auasburger Buchbinder zweinndzwanzig Gesellen. An erster Stelle unterschrieben ist als einer der Die Minderheit behauptete, das Ausgeschenk mit seiner lächerlichen Zu solcher Höhe der Aufklärung vermochten sich die Herren vom Gericht Am 30. Juni wurde der vorsichtige Spruch gefällt, die Sache müsse Unterdessen hatte einer von den vier Aufgeklärten schon im Sommer Das Ausgeschenk der Auasburger Buchbinder zweinndzwanzig Gesellen. An erster Stelle unterschrieben ist als einer der Die Minderheit behauptete, das Ausgeschenk mit seiner lächerlichen Zu solcher Höhe der Aufklärung vermochten sich die Herren vom Gericht Am 30. Juni wurde der vorsichtige Spruch gefällt, die Sache müsse Unterdessen hatte einer von den vier Aufgeklärten schon im Sommer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290239"/> <fw type="header" place="top"> Das Ausgeschenk der Auasburger Buchbinder</fw><lb/> <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340"> zweinndzwanzig Gesellen. An erster Stelle unterschrieben ist als einer der<lb/> geschwornen Meister oder Borgeher der Innung Johann Georg Mozart, der<lb/> Großvater des großen Tondichters.</p><lb/> <p xml:id="ID_1342"> Die Minderheit behauptete, das Ausgeschenk mit seiner lächerlichen<lb/> Prozedur führe zu nichts als viele» Räuschen, verdorbnen Montagen, ärger¬<lb/> lichen Streitereien und unnützer Geldverschwendung. Ihre Gegner umgekehrt<lb/> schilderten die Beschwerdeführer als unruhige, neueruugssüchtige Köpfe, die<lb/> nur Verwirrung stiften wollten. Wenn das Ansgeschenk abgeschafft werde,<lb/> so stehe zu befürchten, daß die Gesellen von Augsburg wegzogen und das<lb/> Augsburger Buchbindergewerbe überall im Reiche ins Geschrei brächten;<lb/> übrigens habe die Innung nun einmal das schöne Trinkgeschirr, was könne<lb/> mau sonst damit anfangen? Dies sollte offenbar ein Trumpf sein; die tugend¬<lb/> haften Aufklärer wußten aber auch dafür sofort einen Rat: mau möge das<lb/> Geschirr verkaufen und von dem Erlös ein Bett für reisende Bnchbindergesellen<lb/> ins Pilgerhaus stiften.</p><lb/> <p xml:id="ID_1343"> Zu solcher Höhe der Aufklärung vermochten sich die Herren vom Gericht<lb/> doch nicht aufzuschwingen; und es war noch ein weiterer Umstand, der sie<lb/> stutzig machen mußte. Die Meister hatten keinerlei Vorteil oder Genuß von<lb/> jener Abschiedsfeier, an der sie nicht einmal persönlich teilnahmen. Wenn sie<lb/> dennoch lebhaft für die Beibehaltung des Brauches eintraten, so konnte das<lb/> keinen andern Grund haben, als daß andernfalls in der That böse Schwierig¬<lb/> keiten Vonseiten der Gesellen, etwa Aufstände oder gar Wegzug, zu erwarten<lb/> waren. Dies hätte aber nicht nur die Meister in ihrem Erwerbe empfindlich<lb/> beeinträchtigt und auch sonst wirtschaftliche Störungen in der Stadt verursacht,<lb/> sondern es wären auch dem löbliche« Handwerksgerichte, ja dem hohen Rate<lb/> selbst zweifelsohne daraus vielerlei Schreibereien und andre Verdrießlichkeiten<lb/> erwachsen. Es war also behutsames Vorgehen geboten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1344"> Am 30. Juni wurde der vorsichtige Spruch gefällt, die Sache müsse<lb/> noch gründlicher untersucht werden, bis dies aber geschehen, so solle alles<lb/> gehalten werden, wie es bisher gehalten worden; und als nun die streitenden<lb/> Parteien auf eine weitere Entscheidung drängten, beschloß das Gericht am<lb/> 3. September, die Entscheidung der Weisheit des Rates selber zu überlassen.<lb/> Der Rat aber beschloß am 20. desselben Monats, die Sache solle beratschlagt<lb/> werden. Sie wurde auch beratschlagt, zu einem Abschlüsse aber sind die<lb/> Beratschlagungen niemals gelangt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1345"> Unterdessen hatte einer von den vier Aufgeklärten schon im Sommer<lb/> Augsburg verlassen, die drei übrigen sind ihm vielleicht bald gefolgt, oder sie<lb/> beruhigten sich allmählich. Mit der Feier des Ausgeschenkes aber blieb es<lb/> beim Alten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Das Ausgeschenk der Auasburger Buchbinder
zweinndzwanzig Gesellen. An erster Stelle unterschrieben ist als einer der
geschwornen Meister oder Borgeher der Innung Johann Georg Mozart, der
Großvater des großen Tondichters.
Die Minderheit behauptete, das Ausgeschenk mit seiner lächerlichen
Prozedur führe zu nichts als viele» Räuschen, verdorbnen Montagen, ärger¬
lichen Streitereien und unnützer Geldverschwendung. Ihre Gegner umgekehrt
schilderten die Beschwerdeführer als unruhige, neueruugssüchtige Köpfe, die
nur Verwirrung stiften wollten. Wenn das Ansgeschenk abgeschafft werde,
so stehe zu befürchten, daß die Gesellen von Augsburg wegzogen und das
Augsburger Buchbindergewerbe überall im Reiche ins Geschrei brächten;
übrigens habe die Innung nun einmal das schöne Trinkgeschirr, was könne
mau sonst damit anfangen? Dies sollte offenbar ein Trumpf sein; die tugend¬
haften Aufklärer wußten aber auch dafür sofort einen Rat: mau möge das
Geschirr verkaufen und von dem Erlös ein Bett für reisende Bnchbindergesellen
ins Pilgerhaus stiften.
Zu solcher Höhe der Aufklärung vermochten sich die Herren vom Gericht
doch nicht aufzuschwingen; und es war noch ein weiterer Umstand, der sie
stutzig machen mußte. Die Meister hatten keinerlei Vorteil oder Genuß von
jener Abschiedsfeier, an der sie nicht einmal persönlich teilnahmen. Wenn sie
dennoch lebhaft für die Beibehaltung des Brauches eintraten, so konnte das
keinen andern Grund haben, als daß andernfalls in der That böse Schwierig¬
keiten Vonseiten der Gesellen, etwa Aufstände oder gar Wegzug, zu erwarten
waren. Dies hätte aber nicht nur die Meister in ihrem Erwerbe empfindlich
beeinträchtigt und auch sonst wirtschaftliche Störungen in der Stadt verursacht,
sondern es wären auch dem löbliche« Handwerksgerichte, ja dem hohen Rate
selbst zweifelsohne daraus vielerlei Schreibereien und andre Verdrießlichkeiten
erwachsen. Es war also behutsames Vorgehen geboten.
Am 30. Juni wurde der vorsichtige Spruch gefällt, die Sache müsse
noch gründlicher untersucht werden, bis dies aber geschehen, so solle alles
gehalten werden, wie es bisher gehalten worden; und als nun die streitenden
Parteien auf eine weitere Entscheidung drängten, beschloß das Gericht am
3. September, die Entscheidung der Weisheit des Rates selber zu überlassen.
Der Rat aber beschloß am 20. desselben Monats, die Sache solle beratschlagt
werden. Sie wurde auch beratschlagt, zu einem Abschlüsse aber sind die
Beratschlagungen niemals gelangt.
Unterdessen hatte einer von den vier Aufgeklärten schon im Sommer
Augsburg verlassen, die drei übrigen sind ihm vielleicht bald gefolgt, oder sie
beruhigten sich allmählich. Mit der Feier des Ausgeschenkes aber blieb es
beim Alten.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |