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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Geschichtsphilosophische Gedanken

Evangelio nach die dritte Warnung auf Deutsch thun (die ersten beiden Briefe
waren lateinisch geschrieben), obs helfen wolle. "Es denkt vielleicht Ew., ich
sei nun von dem Plan, will nu für mir sicher sein und durch die Kaiserliche
Majestät den Meeres wohl dämpfen. Aber noch soll Ew. wissen, daß ich
will thun, was die christliche Liebe fordert, nicht angesehen auch der Hölle
Pforten, schweige denn Ungelehrte, Päpste, Kardinäle und Bischöfe. Ich wills
weder leiden noch schweigen, daß der Bischof von Mainz solle vorgeben, er
wisse nicht ^wie es mit dein Ablaß steht. Mit Gottes Hilfe sei offenbar ge¬
worden, daß der Ablaß lauter Büberei und Trügerei sei^. Derselbige Gott
lebet noch, da zweifle nur niemand an, kann anch die Kunst, daß er einem
Kardinal von Mainz widerstehe, wenn gleich viele Kaiser ob ihm hielten.
Er hat auch sonder Lust, die hohen Cedern zu brechen und die hochmütigen,
verstockten Pharaones zu demütigen. Ew. denken nur nicht, daß der Luther
tot sei. Er wird auf den Gott, der den Papst demütiget hat, so frei und
fröhlich pochen und ein Spiel mit dem Kardinal von Mainz ansahen, des
sich nicht viel versehen. Darum sei Ew. angesagt, wo nicht der Abgott wird
abgethan, muß ich mir das lassen eine nötige, dringende und unvermeidliche
Ursach sein, Ew. wie den Papst öffentlich anzutasten, solchem Fürnehmen
fröhlich einzureden, allen vorigen Greuel des Tezels auf den Bischof von
Mainz zu treiben ^dieser war bekanntlich in der That der eigentlich schuldige,
was Luther bisher noch nicht öffentlich gesagt hatte; darin bestand die Scho¬
nung, von der er im Eingange spricht^ und aller Welt anzuzeigen den Unter¬
schied zwischen einem Bischof und einem Wolf. Ich habe Ew. genug ermahnt.
Es ist hinfort Zeit, nach Se. Paulus Lehre die öffentlichen Übelthäter vor
aller Welt öffentlich zu berüchtigen, zu verlachen und zu bestrafen, daß die
Ärgernis werde von dem Reich Gottes getrieben. Zum andern bitte ich,
Ew. wollen sich enthalten und die Priester mit Frieden lassen, die sich, um
Unkeuschheit zu meiden, in den ehelichen Stand begeben haben oder wollen,
nicht sie berauben, das ihnen Gott gegeben hat, sintemal Ew. des kein Fug,
Grund und Recht mag anzeigen, und mutwilliger Frevel einem Bischof nicht
geziemet. Was hilft es doch euch Bischöfen, daß ihr so frech mit Gewalt
fahret? Was lasset ihr euch dünken? Seid ihr eitel Giganten und Nimroten
von Vabylonien worden? Wisset ihr nicht, ihr armen Leute, daß Frevel und
Tyrannei nicht mag lange bestehen? Wird solches nicht abgestellt, wird ein
Geschrei sich aus dem Evangelio erheben und sagen, wie sein es den Bischöfen
anstünde, daß sie ihre Balken zuvor aus ihren Augen rissen, und billig wäre,
daß die Bischöfe zuvor ihre Hurer von sich trieben, ehe sie fromme Eheweiber
von ihren Ehemännern schieden. Hierauf bitte und warte ich Ew. richtige, schleunige
Antwort, inwendig vierzehn Tagen. Denn nach bestimmten vierzehn Tagen
wird jwofern die Antwort ausbleibt^ mein Büchlein wider den Abgott zu Halle
ausgehen. Und ob diese Schrift würde dnrch eure Räte unternommen ^unter-


Grenzboten 111 1891 67
Geschichtsphilosophische Gedanken

Evangelio nach die dritte Warnung auf Deutsch thun (die ersten beiden Briefe
waren lateinisch geschrieben), obs helfen wolle. „Es denkt vielleicht Ew., ich
sei nun von dem Plan, will nu für mir sicher sein und durch die Kaiserliche
Majestät den Meeres wohl dämpfen. Aber noch soll Ew. wissen, daß ich
will thun, was die christliche Liebe fordert, nicht angesehen auch der Hölle
Pforten, schweige denn Ungelehrte, Päpste, Kardinäle und Bischöfe. Ich wills
weder leiden noch schweigen, daß der Bischof von Mainz solle vorgeben, er
wisse nicht ^wie es mit dein Ablaß steht. Mit Gottes Hilfe sei offenbar ge¬
worden, daß der Ablaß lauter Büberei und Trügerei sei^. Derselbige Gott
lebet noch, da zweifle nur niemand an, kann anch die Kunst, daß er einem
Kardinal von Mainz widerstehe, wenn gleich viele Kaiser ob ihm hielten.
Er hat auch sonder Lust, die hohen Cedern zu brechen und die hochmütigen,
verstockten Pharaones zu demütigen. Ew. denken nur nicht, daß der Luther
tot sei. Er wird auf den Gott, der den Papst demütiget hat, so frei und
fröhlich pochen und ein Spiel mit dem Kardinal von Mainz ansahen, des
sich nicht viel versehen. Darum sei Ew. angesagt, wo nicht der Abgott wird
abgethan, muß ich mir das lassen eine nötige, dringende und unvermeidliche
Ursach sein, Ew. wie den Papst öffentlich anzutasten, solchem Fürnehmen
fröhlich einzureden, allen vorigen Greuel des Tezels auf den Bischof von
Mainz zu treiben ^dieser war bekanntlich in der That der eigentlich schuldige,
was Luther bisher noch nicht öffentlich gesagt hatte; darin bestand die Scho¬
nung, von der er im Eingange spricht^ und aller Welt anzuzeigen den Unter¬
schied zwischen einem Bischof und einem Wolf. Ich habe Ew. genug ermahnt.
Es ist hinfort Zeit, nach Se. Paulus Lehre die öffentlichen Übelthäter vor
aller Welt öffentlich zu berüchtigen, zu verlachen und zu bestrafen, daß die
Ärgernis werde von dem Reich Gottes getrieben. Zum andern bitte ich,
Ew. wollen sich enthalten und die Priester mit Frieden lassen, die sich, um
Unkeuschheit zu meiden, in den ehelichen Stand begeben haben oder wollen,
nicht sie berauben, das ihnen Gott gegeben hat, sintemal Ew. des kein Fug,
Grund und Recht mag anzeigen, und mutwilliger Frevel einem Bischof nicht
geziemet. Was hilft es doch euch Bischöfen, daß ihr so frech mit Gewalt
fahret? Was lasset ihr euch dünken? Seid ihr eitel Giganten und Nimroten
von Vabylonien worden? Wisset ihr nicht, ihr armen Leute, daß Frevel und
Tyrannei nicht mag lange bestehen? Wird solches nicht abgestellt, wird ein
Geschrei sich aus dem Evangelio erheben und sagen, wie sein es den Bischöfen
anstünde, daß sie ihre Balken zuvor aus ihren Augen rissen, und billig wäre,
daß die Bischöfe zuvor ihre Hurer von sich trieben, ehe sie fromme Eheweiber
von ihren Ehemännern schieden. Hierauf bitte und warte ich Ew. richtige, schleunige
Antwort, inwendig vierzehn Tagen. Denn nach bestimmten vierzehn Tagen
wird jwofern die Antwort ausbleibt^ mein Büchlein wider den Abgott zu Halle
ausgehen. Und ob diese Schrift würde dnrch eure Räte unternommen ^unter-


Grenzboten 111 1891 67
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[0457] Geschichtsphilosophische Gedanken Evangelio nach die dritte Warnung auf Deutsch thun (die ersten beiden Briefe waren lateinisch geschrieben), obs helfen wolle. „Es denkt vielleicht Ew., ich sei nun von dem Plan, will nu für mir sicher sein und durch die Kaiserliche Majestät den Meeres wohl dämpfen. Aber noch soll Ew. wissen, daß ich will thun, was die christliche Liebe fordert, nicht angesehen auch der Hölle Pforten, schweige denn Ungelehrte, Päpste, Kardinäle und Bischöfe. Ich wills weder leiden noch schweigen, daß der Bischof von Mainz solle vorgeben, er wisse nicht ^wie es mit dein Ablaß steht. Mit Gottes Hilfe sei offenbar ge¬ worden, daß der Ablaß lauter Büberei und Trügerei sei^. Derselbige Gott lebet noch, da zweifle nur niemand an, kann anch die Kunst, daß er einem Kardinal von Mainz widerstehe, wenn gleich viele Kaiser ob ihm hielten. Er hat auch sonder Lust, die hohen Cedern zu brechen und die hochmütigen, verstockten Pharaones zu demütigen. Ew. denken nur nicht, daß der Luther tot sei. Er wird auf den Gott, der den Papst demütiget hat, so frei und fröhlich pochen und ein Spiel mit dem Kardinal von Mainz ansahen, des sich nicht viel versehen. Darum sei Ew. angesagt, wo nicht der Abgott wird abgethan, muß ich mir das lassen eine nötige, dringende und unvermeidliche Ursach sein, Ew. wie den Papst öffentlich anzutasten, solchem Fürnehmen fröhlich einzureden, allen vorigen Greuel des Tezels auf den Bischof von Mainz zu treiben ^dieser war bekanntlich in der That der eigentlich schuldige, was Luther bisher noch nicht öffentlich gesagt hatte; darin bestand die Scho¬ nung, von der er im Eingange spricht^ und aller Welt anzuzeigen den Unter¬ schied zwischen einem Bischof und einem Wolf. Ich habe Ew. genug ermahnt. Es ist hinfort Zeit, nach Se. Paulus Lehre die öffentlichen Übelthäter vor aller Welt öffentlich zu berüchtigen, zu verlachen und zu bestrafen, daß die Ärgernis werde von dem Reich Gottes getrieben. Zum andern bitte ich, Ew. wollen sich enthalten und die Priester mit Frieden lassen, die sich, um Unkeuschheit zu meiden, in den ehelichen Stand begeben haben oder wollen, nicht sie berauben, das ihnen Gott gegeben hat, sintemal Ew. des kein Fug, Grund und Recht mag anzeigen, und mutwilliger Frevel einem Bischof nicht geziemet. Was hilft es doch euch Bischöfen, daß ihr so frech mit Gewalt fahret? Was lasset ihr euch dünken? Seid ihr eitel Giganten und Nimroten von Vabylonien worden? Wisset ihr nicht, ihr armen Leute, daß Frevel und Tyrannei nicht mag lange bestehen? Wird solches nicht abgestellt, wird ein Geschrei sich aus dem Evangelio erheben und sagen, wie sein es den Bischöfen anstünde, daß sie ihre Balken zuvor aus ihren Augen rissen, und billig wäre, daß die Bischöfe zuvor ihre Hurer von sich trieben, ehe sie fromme Eheweiber von ihren Ehemännern schieden. Hierauf bitte und warte ich Ew. richtige, schleunige Antwort, inwendig vierzehn Tagen. Denn nach bestimmten vierzehn Tagen wird jwofern die Antwort ausbleibt^ mein Büchlein wider den Abgott zu Halle ausgehen. Und ob diese Schrift würde dnrch eure Räte unternommen ^unter- Grenzboten 111 1891 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/457>, abgerufen am 26.08.2024.