Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Wilhelm Imsen liehen Zeiten etwa eines Matthisson oder Hölderlin, lauter reaktionäre Stim¬ Sein "Vvrherbst" wendet sich an die alten Freunde -- denn in der
Wir meinen, wenn irgend etwas, so sollte und wird der "Vorherbst" die Wilhelm Imsen liehen Zeiten etwa eines Matthisson oder Hölderlin, lauter reaktionäre Stim¬ Sein „Vvrherbst" wendet sich an die alten Freunde — denn in der
Wir meinen, wenn irgend etwas, so sollte und wird der „Vorherbst" die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290192"/> <fw type="header" place="top"> Wilhelm Imsen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1194" prev="#ID_1193"> liehen Zeiten etwa eines Matthisson oder Hölderlin, lauter reaktionäre Stim¬<lb/> mung hinter seinen vielfachen und lauten Beteuerungen und Bethätigungen<lb/> für den einem spezifisch jüdischen Liberalismus entsprungenen Zersetzungsgeist,<lb/> in dessen Truppe er als ein unwissend angeworbener und — nnbelohnter unter<lb/> den vielen Arbeitern, die mau bei der Abräumuug der abendländisch-christlichen<lb/> Kultur angestellt hat, so treulich mitgeholfen hat. Erst in diesen Gedichten<lb/> befreit sich seine Dichtererscheinung von einer Anzahl der bisher in ihr befind¬<lb/> lichen unbegreiflichen Widersprüche. Nehmen wir hinzu, was wir in den<lb/> Erzählungen als die eigentlicher»! Gegenstände seines Widerwillens finden,<lb/> Stumpfheit und Pietätlosigkeit, gemeine Nützlichkeit und hartherzige Profitlich-<lb/> keit in der heutigen Gesellschaft, allgemeines Stimmrecht in Geschmacks- und<lb/> Verschonernngssachen und all das vorhin schon erwähnte, und fassen wir<lb/> dann das ins Auge, was wir dort, wo er selber formt und erfindet, als<lb/> die leitenden Sterne seines rastlosen Schaffens erkennen, so ergiebt sich ein<lb/> ganz geschlossenes und in seiner Eigenart einheitliches Charakterbild, um das zu<lb/> jeder Zeit die hohen Worte geschrieben standen: Schönheit, Wahrheit und<lb/> Menschenliebe. Diese hätten wir freilich auch lesen können, ohne erst noch auf<lb/> der Oberfläche des Bildes ein wenig hernmzukratzen. Aber auch dieses Privat¬<lb/> unternehmens freuen wir uns außerordentlich. Imsen wird freilich, das ver¬<lb/> hehlen wir uns nicht, von dieser unsrer Frende keine empfangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1195" next="#ID_1196"> Sein „Vvrherbst" wendet sich an die alten Freunde — denn in der<lb/> That nur für nahe Freunde konnte dies Geheimtagebuch enthüllt und als ein<lb/> verehrungswürdiges Geschenk gegeben werden —, an alle die, die der Viel-<lb/> gelcsene doch nur ahnend und tastend sucht und zu finden hofft:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_31" type="poem"> <l> Euch alle grüß ich, die wir gute Freundschaft<lb/> Auf unserm Wandergang gehalten hatten,<lb/> Wenn zu Gefährten uns der Weg gesellt > . .</l> <l> Dieselben Sterne sahn wir über uns;<lb/> Der Sonne Licht- und Wärmestrahl durchfloß<lb/> Mit süßem Schauern uns, und alle Schönheit<lb/> Empfanden wir mit einer Seele Kraft. . .</l> <l> Eins gebrach uns nur:<lb/> Weithin zerstreut von Anbeginne, sahen<lb/> Und hörten, kannten wir uns nicht. Wir schritten<lb/> Vielleicht einmal uns fremd und kalt vorüber,<lb/> Und keiner wußte, daß vom selben Blut<lb/> Des Geistes und Gemüts umsonst ein Tropfen<lb/> Im großen Lebensstrom den andern suche . . .</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1196" prev="#ID_1195" next="#ID_1197"> Wir meinen, wenn irgend etwas, so sollte und wird der „Vorherbst" die<lb/> Zahl der Freunde vermehren, und zwar so, daß der Dichter gerade die<lb/> neuen Freunde reichlich so wie die alten zu schätzen Grund haben wird.<lb/> Denn wenn er niemanden recht fand, der ihn noch ans Menschentum glauben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Wilhelm Imsen
liehen Zeiten etwa eines Matthisson oder Hölderlin, lauter reaktionäre Stim¬
mung hinter seinen vielfachen und lauten Beteuerungen und Bethätigungen
für den einem spezifisch jüdischen Liberalismus entsprungenen Zersetzungsgeist,
in dessen Truppe er als ein unwissend angeworbener und — nnbelohnter unter
den vielen Arbeitern, die mau bei der Abräumuug der abendländisch-christlichen
Kultur angestellt hat, so treulich mitgeholfen hat. Erst in diesen Gedichten
befreit sich seine Dichtererscheinung von einer Anzahl der bisher in ihr befind¬
lichen unbegreiflichen Widersprüche. Nehmen wir hinzu, was wir in den
Erzählungen als die eigentlicher»! Gegenstände seines Widerwillens finden,
Stumpfheit und Pietätlosigkeit, gemeine Nützlichkeit und hartherzige Profitlich-
keit in der heutigen Gesellschaft, allgemeines Stimmrecht in Geschmacks- und
Verschonernngssachen und all das vorhin schon erwähnte, und fassen wir
dann das ins Auge, was wir dort, wo er selber formt und erfindet, als
die leitenden Sterne seines rastlosen Schaffens erkennen, so ergiebt sich ein
ganz geschlossenes und in seiner Eigenart einheitliches Charakterbild, um das zu
jeder Zeit die hohen Worte geschrieben standen: Schönheit, Wahrheit und
Menschenliebe. Diese hätten wir freilich auch lesen können, ohne erst noch auf
der Oberfläche des Bildes ein wenig hernmzukratzen. Aber auch dieses Privat¬
unternehmens freuen wir uns außerordentlich. Imsen wird freilich, das ver¬
hehlen wir uns nicht, von dieser unsrer Frende keine empfangen.
Sein „Vvrherbst" wendet sich an die alten Freunde — denn in der
That nur für nahe Freunde konnte dies Geheimtagebuch enthüllt und als ein
verehrungswürdiges Geschenk gegeben werden —, an alle die, die der Viel-
gelcsene doch nur ahnend und tastend sucht und zu finden hofft:
Euch alle grüß ich, die wir gute Freundschaft
Auf unserm Wandergang gehalten hatten,
Wenn zu Gefährten uns der Weg gesellt > . . Dieselben Sterne sahn wir über uns;
Der Sonne Licht- und Wärmestrahl durchfloß
Mit süßem Schauern uns, und alle Schönheit
Empfanden wir mit einer Seele Kraft. . . Eins gebrach uns nur:
Weithin zerstreut von Anbeginne, sahen
Und hörten, kannten wir uns nicht. Wir schritten
Vielleicht einmal uns fremd und kalt vorüber,
Und keiner wußte, daß vom selben Blut
Des Geistes und Gemüts umsonst ein Tropfen
Im großen Lebensstrom den andern suche . . .
Wir meinen, wenn irgend etwas, so sollte und wird der „Vorherbst" die
Zahl der Freunde vermehren, und zwar so, daß der Dichter gerade die
neuen Freunde reichlich so wie die alten zu schätzen Grund haben wird.
Denn wenn er niemanden recht fand, der ihn noch ans Menschentum glauben
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