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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die Sprachgrenze in Lothringen

deutschen Namens begreiflich finden. Wenn es aber den Franzosen gelungen
ist, die deutschsprechenden Elsässer und Lothringer zu deutschen Franzosen zu
machen, so dürfte das Unternehmen Deutschlands, die deutschredende Bevölke¬
rung wieder an das Reich heranzuziehen, weil aus günstigern sprachlichen
Bedingungen beruhend, noch leichter auszuführen sein. Warum soll es uns
aber nicht auch gelingen, die französisch sprechenden Lothringer, wenn wir ihre
häusliche Sprache sich selbst überlassen, zu französischen Deutschen zu machen?
Es hat eine Zeit gegeben, wo französische Deutsche dem Reiche eine Treue
und Anhänglichkeit bewahrten, die wir auch heute noch manchen Parteien im
Reiche als ein belehrendes Beispiel vorführen möchten.

Als 1344 König Karl VII. von Frankreich vor Metz zog und die Stadt
aufforderte, sich ihm als dem Nachfolger Gottfrieds von Bouillon zu unter¬
werfen, und als die nach Rauch beschiedner Gesandten der Stadt, die Ritter
Nikolas Loupe und Geoffroy Dex, am 27. September mit Messire Raboteau,
dem Präsidenten des Parlaments von Paris verhandelten, der den Metzern
uno souinission xurs et simxls arriel, da sprang Herr Nikolas Loupe zornig
auf und erklärte: U0U8 vous taigons g> sog-voir, pour se an noir av 1a vno,
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N0U8 6U88irn.68 An6 lois rsno^ö 1a MMt KiKlb. So berichtet die Metzer
Chronik. Der deutsche Reichsadler war und blieb für die französischen Deut¬
schen in dem von Deutschland bald preisgegebenen Westreich ein Sinnbild der
Zusammengehörigkeit. Als 1626 der König von Frankreich, dessen Vorfahren
seit 1552 als Neichsvikare über die drei Bistümer herrschten, in Verdun eine
Citadelle zu bauen begann, um seine landesherrlichen Ansprüche offenkundig
darzustellen, da hatte der Bischof von Verdun, Herzog Franz von Lothringen,
den Mut, am 3. Januar 1627 den Kirchenbann gegen alle auszusprechen, die
an diesem Baue mitwirken würden. Die königlichen Beamten ließen darauf
den Reichsadler von den Stadtthoren abschlagen und aus dem Stadtsiegel
entfernen. Die Bürger von Verdun aber ließen es sich nicht nehmen, den
Reichsadler in feierlicher Prozession zu entfalten und durch die Straßen der
Stadt zu tragen. Als darauf die königlichen Beamten den Bürgern diese
Kundgebung wehren wollten, da ließ die Stadt durch den kaiserlichen Gesandten
am französischen Hofe Beschwerde erheben, und der König von Frankreich beeilte
sich, die Mißgriffe seiner Leute abzustellen.

Doch wir möchten Herrn Pfister nicht weiter ans dem Gebiete politischer
Erinnerungen oder Wünsche folgen; es kommt dabei doch nichts Rechtes heraus.

Lehrreicher dürfte ein geschichtlicher Rückblick auf die Wandlungen sein,
die die Sprach Verhältnisse in Lothringen im Mittelalter und in neuerer Zeit
erfahren haben, weil wir daraus eine Vorstellung über den wahrscheinlichen
Gang der Dinge in der Zukunft gewinnen können. So können wir uns auch
eher darüber unterrichten, ob Deutschland durch Festhaltung des französischen


Die Sprachgrenze in Lothringen

deutschen Namens begreiflich finden. Wenn es aber den Franzosen gelungen
ist, die deutschsprechenden Elsässer und Lothringer zu deutschen Franzosen zu
machen, so dürfte das Unternehmen Deutschlands, die deutschredende Bevölke¬
rung wieder an das Reich heranzuziehen, weil aus günstigern sprachlichen
Bedingungen beruhend, noch leichter auszuführen sein. Warum soll es uns
aber nicht auch gelingen, die französisch sprechenden Lothringer, wenn wir ihre
häusliche Sprache sich selbst überlassen, zu französischen Deutschen zu machen?
Es hat eine Zeit gegeben, wo französische Deutsche dem Reiche eine Treue
und Anhänglichkeit bewahrten, die wir auch heute noch manchen Parteien im
Reiche als ein belehrendes Beispiel vorführen möchten.

Als 1344 König Karl VII. von Frankreich vor Metz zog und die Stadt
aufforderte, sich ihm als dem Nachfolger Gottfrieds von Bouillon zu unter¬
werfen, und als die nach Rauch beschiedner Gesandten der Stadt, die Ritter
Nikolas Loupe und Geoffroy Dex, am 27. September mit Messire Raboteau,
dem Präsidenten des Parlaments von Paris verhandelten, der den Metzern
uno souinission xurs et simxls arriel, da sprang Herr Nikolas Loupe zornig
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Chronik. Der deutsche Reichsadler war und blieb für die französischen Deut¬
schen in dem von Deutschland bald preisgegebenen Westreich ein Sinnbild der
Zusammengehörigkeit. Als 1626 der König von Frankreich, dessen Vorfahren
seit 1552 als Neichsvikare über die drei Bistümer herrschten, in Verdun eine
Citadelle zu bauen begann, um seine landesherrlichen Ansprüche offenkundig
darzustellen, da hatte der Bischof von Verdun, Herzog Franz von Lothringen,
den Mut, am 3. Januar 1627 den Kirchenbann gegen alle auszusprechen, die
an diesem Baue mitwirken würden. Die königlichen Beamten ließen darauf
den Reichsadler von den Stadtthoren abschlagen und aus dem Stadtsiegel
entfernen. Die Bürger von Verdun aber ließen es sich nicht nehmen, den
Reichsadler in feierlicher Prozession zu entfalten und durch die Straßen der
Stadt zu tragen. Als darauf die königlichen Beamten den Bürgern diese
Kundgebung wehren wollten, da ließ die Stadt durch den kaiserlichen Gesandten
am französischen Hofe Beschwerde erheben, und der König von Frankreich beeilte
sich, die Mißgriffe seiner Leute abzustellen.

Doch wir möchten Herrn Pfister nicht weiter ans dem Gebiete politischer
Erinnerungen oder Wünsche folgen; es kommt dabei doch nichts Rechtes heraus.

Lehrreicher dürfte ein geschichtlicher Rückblick auf die Wandlungen sein,
die die Sprach Verhältnisse in Lothringen im Mittelalter und in neuerer Zeit
erfahren haben, weil wir daraus eine Vorstellung über den wahrscheinlichen
Gang der Dinge in der Zukunft gewinnen können. So können wir uns auch
eher darüber unterrichten, ob Deutschland durch Festhaltung des französischen


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[0367] Die Sprachgrenze in Lothringen deutschen Namens begreiflich finden. Wenn es aber den Franzosen gelungen ist, die deutschsprechenden Elsässer und Lothringer zu deutschen Franzosen zu machen, so dürfte das Unternehmen Deutschlands, die deutschredende Bevölke¬ rung wieder an das Reich heranzuziehen, weil aus günstigern sprachlichen Bedingungen beruhend, noch leichter auszuführen sein. Warum soll es uns aber nicht auch gelingen, die französisch sprechenden Lothringer, wenn wir ihre häusliche Sprache sich selbst überlassen, zu französischen Deutschen zu machen? Es hat eine Zeit gegeben, wo französische Deutsche dem Reiche eine Treue und Anhänglichkeit bewahrten, die wir auch heute noch manchen Parteien im Reiche als ein belehrendes Beispiel vorführen möchten. Als 1344 König Karl VII. von Frankreich vor Metz zog und die Stadt aufforderte, sich ihm als dem Nachfolger Gottfrieds von Bouillon zu unter¬ werfen, und als die nach Rauch beschiedner Gesandten der Stadt, die Ritter Nikolas Loupe und Geoffroy Dex, am 27. September mit Messire Raboteau, dem Präsidenten des Parlaments von Paris verhandelten, der den Metzern uno souinission xurs et simxls arriel, da sprang Herr Nikolas Loupe zornig auf und erklärte: U0U8 vous taigons g> sog-voir, pour se an noir av 1a vno, <zu<z nous aimerion8 misux tour morir, «zu'it nous tust röproeniöZi, <zuo N0U8 6U88irn.68 An6 lois rsno^ö 1a MMt KiKlb. So berichtet die Metzer Chronik. Der deutsche Reichsadler war und blieb für die französischen Deut¬ schen in dem von Deutschland bald preisgegebenen Westreich ein Sinnbild der Zusammengehörigkeit. Als 1626 der König von Frankreich, dessen Vorfahren seit 1552 als Neichsvikare über die drei Bistümer herrschten, in Verdun eine Citadelle zu bauen begann, um seine landesherrlichen Ansprüche offenkundig darzustellen, da hatte der Bischof von Verdun, Herzog Franz von Lothringen, den Mut, am 3. Januar 1627 den Kirchenbann gegen alle auszusprechen, die an diesem Baue mitwirken würden. Die königlichen Beamten ließen darauf den Reichsadler von den Stadtthoren abschlagen und aus dem Stadtsiegel entfernen. Die Bürger von Verdun aber ließen es sich nicht nehmen, den Reichsadler in feierlicher Prozession zu entfalten und durch die Straßen der Stadt zu tragen. Als darauf die königlichen Beamten den Bürgern diese Kundgebung wehren wollten, da ließ die Stadt durch den kaiserlichen Gesandten am französischen Hofe Beschwerde erheben, und der König von Frankreich beeilte sich, die Mißgriffe seiner Leute abzustellen. Doch wir möchten Herrn Pfister nicht weiter ans dem Gebiete politischer Erinnerungen oder Wünsche folgen; es kommt dabei doch nichts Rechtes heraus. Lehrreicher dürfte ein geschichtlicher Rückblick auf die Wandlungen sein, die die Sprach Verhältnisse in Lothringen im Mittelalter und in neuerer Zeit erfahren haben, weil wir daraus eine Vorstellung über den wahrscheinlichen Gang der Dinge in der Zukunft gewinnen können. So können wir uns auch eher darüber unterrichten, ob Deutschland durch Festhaltung des französischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/367>, abgerufen am 23.07.2024.