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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Die internationale Kunstausstellung in Berlin

bildenden Künste, der mit der Akademie verbundenen Lehranstalt, ernannt
wurde, glaubten die Fürsprecher dieser Wahl damit den verzopften und ver¬
rotteten Zuständen der Akademie ein Ende zu machen. Heute, nachdem ein
anders denkendes Geschlecht herangewachsen ist, nachdem die Wortführer von
damals stille Männer geworden sind oder sich doch von den dreisten Natura¬
listen überschreien lassen, würde es kaum noch überraschen, wenn Anton von
Werner, den der souveräne Wille der Künstlerrepublik vor anderthalb Jahr¬
zehnten auf den, Schild erhoben hat, von derselben Macht wieder gestürzt und
in die Rumpelkammer verwiesen würde, die schon so viele Akademiedirektoren
und Akademiker aufgenommen hat. Die Bereitschaft und die Lust dazu scheinen
in vielen unruhigen .Köpfen schon vorhanden zu sein.

Es wäre thöricht, nach diesen und ähnlichen Beobachtungen nun den Ruf
zu erheben: Fort mit den Akademien! Das Beispiel Frankreichs belehrt uns,
daß gerade eine Akademie, die Pariser üoole ach bviiux-iU'es, die im Grunde
dasselbe ist wie unsre deutschen Kunstakademien und Kunstschulen, der Fels ist,
an dem sich alle Brandungen der Künstlerleidenschaften und der Künstler¬
revolutionen brechen. In keinem Lande ist soviel auf die Akademie, die Aka¬
demiker und die Hauptkuustschule des Staates geschimpft worden wie in Frank¬
reich, und in keinem Lande hat der akademische Unterricht so große Erfolge
erzielt wie in Frankreich, hat er in gleichem Maße die Überlieferung fest ge¬
gründeter, unverletzlicher Kunstregeln trotz aller Stürme bewahrt und behauptet.
Nach jeder naturalistischen oder irgendwie anders gearteten revolutionären
Episode ist die französische Kunst immer wieder zu dem Grundsatze zurück¬
gekehrt, daß die künstlerische Thätigkeit die Form zu achten, nicht zu zerstören
hat, und diese Erkenntnis hat die französische Malerei immer wieder auf die
Höhe gebracht, wenn sie schon einer gänzlichen Auflösung und Zerrüttung
nahe war. Was die Ueole- ach dsg.ux-g,i't>8 in Paris beginnt, setzt die fran¬
zösische Akademie in der Villa Medicis in Rom fort. Sie erleichtert ihren
Schutzbefohlenen das Leben in Rom, bietet ihnen einen Anhaltepunkt und läßt
sie im übrigen frei ihre Wege gehen, uur daß sie alljährlich einmal von ihren
künstlerischen Studien Rechenschaft abzulegen haben. Durch eine solche nicht
lästige Kontrolle, durch einen sichern Rückhalt wird mancher junge Mensch,
der sich plötzlich einer neuen, verwirrenden Welt mit einer eignen Kunst und
einem eignen Leben gegenüber sieht, vor nagenden Zweifeln, oft vor gänz¬
licher Mutlosigkeit geschützt, bisweilen auch vor dem Untergange bewahrt.

Die in Deutschland auf dem Gebiete des Kunstuntcrrichtes und der Kunst¬
pflege maßgebenden Personen haben sich gewiß schon oft mit der Frage be¬
schäftigt, ob nicht die Errichtung einer dem archäologischen Institut ähnlichen
Zentralstelle für junge Künstler dem gegenwärtig üblichen Stipendienwesen
vorzuziehen sei, und in Preußen sind auch schon vorbereitende Schritte gethan
worden, um eine solche Anstalt ins Leben zu rufen. Daß sie reich ausgestattet


Die internationale Kunstausstellung in Berlin

bildenden Künste, der mit der Akademie verbundenen Lehranstalt, ernannt
wurde, glaubten die Fürsprecher dieser Wahl damit den verzopften und ver¬
rotteten Zuständen der Akademie ein Ende zu machen. Heute, nachdem ein
anders denkendes Geschlecht herangewachsen ist, nachdem die Wortführer von
damals stille Männer geworden sind oder sich doch von den dreisten Natura¬
listen überschreien lassen, würde es kaum noch überraschen, wenn Anton von
Werner, den der souveräne Wille der Künstlerrepublik vor anderthalb Jahr¬
zehnten auf den, Schild erhoben hat, von derselben Macht wieder gestürzt und
in die Rumpelkammer verwiesen würde, die schon so viele Akademiedirektoren
und Akademiker aufgenommen hat. Die Bereitschaft und die Lust dazu scheinen
in vielen unruhigen .Köpfen schon vorhanden zu sein.

Es wäre thöricht, nach diesen und ähnlichen Beobachtungen nun den Ruf
zu erheben: Fort mit den Akademien! Das Beispiel Frankreichs belehrt uns,
daß gerade eine Akademie, die Pariser üoole ach bviiux-iU'es, die im Grunde
dasselbe ist wie unsre deutschen Kunstakademien und Kunstschulen, der Fels ist,
an dem sich alle Brandungen der Künstlerleidenschaften und der Künstler¬
revolutionen brechen. In keinem Lande ist soviel auf die Akademie, die Aka¬
demiker und die Hauptkuustschule des Staates geschimpft worden wie in Frank¬
reich, und in keinem Lande hat der akademische Unterricht so große Erfolge
erzielt wie in Frankreich, hat er in gleichem Maße die Überlieferung fest ge¬
gründeter, unverletzlicher Kunstregeln trotz aller Stürme bewahrt und behauptet.
Nach jeder naturalistischen oder irgendwie anders gearteten revolutionären
Episode ist die französische Kunst immer wieder zu dem Grundsatze zurück¬
gekehrt, daß die künstlerische Thätigkeit die Form zu achten, nicht zu zerstören
hat, und diese Erkenntnis hat die französische Malerei immer wieder auf die
Höhe gebracht, wenn sie schon einer gänzlichen Auflösung und Zerrüttung
nahe war. Was die Ueole- ach dsg.ux-g,i't>8 in Paris beginnt, setzt die fran¬
zösische Akademie in der Villa Medicis in Rom fort. Sie erleichtert ihren
Schutzbefohlenen das Leben in Rom, bietet ihnen einen Anhaltepunkt und läßt
sie im übrigen frei ihre Wege gehen, uur daß sie alljährlich einmal von ihren
künstlerischen Studien Rechenschaft abzulegen haben. Durch eine solche nicht
lästige Kontrolle, durch einen sichern Rückhalt wird mancher junge Mensch,
der sich plötzlich einer neuen, verwirrenden Welt mit einer eignen Kunst und
einem eignen Leben gegenüber sieht, vor nagenden Zweifeln, oft vor gänz¬
licher Mutlosigkeit geschützt, bisweilen auch vor dem Untergange bewahrt.

Die in Deutschland auf dem Gebiete des Kunstuntcrrichtes und der Kunst¬
pflege maßgebenden Personen haben sich gewiß schon oft mit der Frage be¬
schäftigt, ob nicht die Errichtung einer dem archäologischen Institut ähnlichen
Zentralstelle für junge Künstler dem gegenwärtig üblichen Stipendienwesen
vorzuziehen sei, und in Preußen sind auch schon vorbereitende Schritte gethan
worden, um eine solche Anstalt ins Leben zu rufen. Daß sie reich ausgestattet


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[0320] Die internationale Kunstausstellung in Berlin bildenden Künste, der mit der Akademie verbundenen Lehranstalt, ernannt wurde, glaubten die Fürsprecher dieser Wahl damit den verzopften und ver¬ rotteten Zuständen der Akademie ein Ende zu machen. Heute, nachdem ein anders denkendes Geschlecht herangewachsen ist, nachdem die Wortführer von damals stille Männer geworden sind oder sich doch von den dreisten Natura¬ listen überschreien lassen, würde es kaum noch überraschen, wenn Anton von Werner, den der souveräne Wille der Künstlerrepublik vor anderthalb Jahr¬ zehnten auf den, Schild erhoben hat, von derselben Macht wieder gestürzt und in die Rumpelkammer verwiesen würde, die schon so viele Akademiedirektoren und Akademiker aufgenommen hat. Die Bereitschaft und die Lust dazu scheinen in vielen unruhigen .Köpfen schon vorhanden zu sein. Es wäre thöricht, nach diesen und ähnlichen Beobachtungen nun den Ruf zu erheben: Fort mit den Akademien! Das Beispiel Frankreichs belehrt uns, daß gerade eine Akademie, die Pariser üoole ach bviiux-iU'es, die im Grunde dasselbe ist wie unsre deutschen Kunstakademien und Kunstschulen, der Fels ist, an dem sich alle Brandungen der Künstlerleidenschaften und der Künstler¬ revolutionen brechen. In keinem Lande ist soviel auf die Akademie, die Aka¬ demiker und die Hauptkuustschule des Staates geschimpft worden wie in Frank¬ reich, und in keinem Lande hat der akademische Unterricht so große Erfolge erzielt wie in Frankreich, hat er in gleichem Maße die Überlieferung fest ge¬ gründeter, unverletzlicher Kunstregeln trotz aller Stürme bewahrt und behauptet. Nach jeder naturalistischen oder irgendwie anders gearteten revolutionären Episode ist die französische Kunst immer wieder zu dem Grundsatze zurück¬ gekehrt, daß die künstlerische Thätigkeit die Form zu achten, nicht zu zerstören hat, und diese Erkenntnis hat die französische Malerei immer wieder auf die Höhe gebracht, wenn sie schon einer gänzlichen Auflösung und Zerrüttung nahe war. Was die Ueole- ach dsg.ux-g,i't>8 in Paris beginnt, setzt die fran¬ zösische Akademie in der Villa Medicis in Rom fort. Sie erleichtert ihren Schutzbefohlenen das Leben in Rom, bietet ihnen einen Anhaltepunkt und läßt sie im übrigen frei ihre Wege gehen, uur daß sie alljährlich einmal von ihren künstlerischen Studien Rechenschaft abzulegen haben. Durch eine solche nicht lästige Kontrolle, durch einen sichern Rückhalt wird mancher junge Mensch, der sich plötzlich einer neuen, verwirrenden Welt mit einer eignen Kunst und einem eignen Leben gegenüber sieht, vor nagenden Zweifeln, oft vor gänz¬ licher Mutlosigkeit geschützt, bisweilen auch vor dem Untergange bewahrt. Die in Deutschland auf dem Gebiete des Kunstuntcrrichtes und der Kunst¬ pflege maßgebenden Personen haben sich gewiß schon oft mit der Frage be¬ schäftigt, ob nicht die Errichtung einer dem archäologischen Institut ähnlichen Zentralstelle für junge Künstler dem gegenwärtig üblichen Stipendienwesen vorzuziehen sei, und in Preußen sind auch schon vorbereitende Schritte gethan worden, um eine solche Anstalt ins Leben zu rufen. Daß sie reich ausgestattet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/320>, abgerufen am 26.08.2024.