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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Wilhelm Perser

Vom Himmel fiel in sein Gemüt
Ein Schönheitsstrahl, ein feiger Gruß;
Ihm wollt er zu, sehnsuchtdurchglüht,
Doch Staub und Schlamm hielt seinen Fuß.
Ich wollt, er käme heut herein
Und sprach: "Hier, scheints, ist gut Gelng!
Erlaubt, daß ich bei euerm Wein
Den Staub mir von den Füßen schlag!"

Mail muß dabei beachten, was diese letzte Strophe in Jensens Munde, was
diese Ladung in "des sonnigen Hauses Glück und Ruh" bedeutet. Denn das
Gedicht wendet sich persönlich an Jensens Gattin. Von diesem Hause, dem
reinen Kelche, der all das goldene Lebensglück des Dichters ganz allein in
sich saßt und schließt, erzählt dies Buch, das überall unmittelbarste Einblicke
in das innerste Leben gewährt, auch sonst genug.


So kracht ich sicherm Glücke nach und find es
In grüner Stille meines kleinen Heimes;
Der roten Frühlingswangen meines Kindes
Erfreuend mich, der Triebkraft jedes Keimes,
Und das Geflüster leisen Abendwindes
Durchgaukelnd mit dem Rankwerk leichten Reimes.

Und so offenbart der Dichter noch in vielen Strophen ein in selbstgebautein
Hause ihm beschiedenes unendlich reiches und beglücktes Menschenleben. Niemals
scheint durch die Krone seines Erdenglückes schüttelnd und zausend der ent¬
blätternde Sturm gefahren zu sein; er hatte stets ein hochgerüttelt Maß von allem
zu eigen, was er auf der Welt wünschen konnte und nach seiner Art wünschte.
Und wenn man davon ausgeht, so ist sein ganzes Innenleben zu verstehen.
Er spricht von diesen Dingen selbst, darum dürfen auch wir ihm wohl mit
annähernder Deutlichkeit folgen. So hat er niemals den Trost des Jenseits zu
suchen vermocht, nie einen persönlichen Gott geglaubt und gebraucht, in keinem
Augenblicke in des Menschen Tode den Erlöser, immer nur allein den ent¬
setzlichen Vernichter gesehen. Der Schuler vor der Vergänglichkeit ist die
"Frau Hcrzelcide," das schweigende ernste Weib, das ihm das unablässige
Geleit giebt durch sein ganzes schönes Leben hindurch und allem seinen Dichten
den eignen Ton aufprägt. "Pessimismus," "Weltschmerz" wären falsche For¬
meln und schale Redensarten gegenüber dieser tiefinnerlichsten und rein mensch¬
lichen Wehmut. Über den modernen Materialisten, über den gewöhnlichen
Atheisten hebt sich Jenseit himmelhoch empor; mit ihm in dieser Beziehung
verglichen siud Hesse u. a. nüchterne Seelen und bloße Spötter, und nur
einen einzigen wüßten wir, der annähernd so im heißen Kampfe mit den
ewigen Fragen gerungen hat, wie es Jenseit sein Leben lang hat thun
müssen, das ist in seinen Jugendjahren der "grüne Heinrich." Imsen hat zu


Wilhelm Perser

Vom Himmel fiel in sein Gemüt
Ein Schönheitsstrahl, ein feiger Gruß;
Ihm wollt er zu, sehnsuchtdurchglüht,
Doch Staub und Schlamm hielt seinen Fuß.
Ich wollt, er käme heut herein
Und sprach: „Hier, scheints, ist gut Gelng!
Erlaubt, daß ich bei euerm Wein
Den Staub mir von den Füßen schlag!"

Mail muß dabei beachten, was diese letzte Strophe in Jensens Munde, was
diese Ladung in „des sonnigen Hauses Glück und Ruh" bedeutet. Denn das
Gedicht wendet sich persönlich an Jensens Gattin. Von diesem Hause, dem
reinen Kelche, der all das goldene Lebensglück des Dichters ganz allein in
sich saßt und schließt, erzählt dies Buch, das überall unmittelbarste Einblicke
in das innerste Leben gewährt, auch sonst genug.


So kracht ich sicherm Glücke nach und find es
In grüner Stille meines kleinen Heimes;
Der roten Frühlingswangen meines Kindes
Erfreuend mich, der Triebkraft jedes Keimes,
Und das Geflüster leisen Abendwindes
Durchgaukelnd mit dem Rankwerk leichten Reimes.

Und so offenbart der Dichter noch in vielen Strophen ein in selbstgebautein
Hause ihm beschiedenes unendlich reiches und beglücktes Menschenleben. Niemals
scheint durch die Krone seines Erdenglückes schüttelnd und zausend der ent¬
blätternde Sturm gefahren zu sein; er hatte stets ein hochgerüttelt Maß von allem
zu eigen, was er auf der Welt wünschen konnte und nach seiner Art wünschte.
Und wenn man davon ausgeht, so ist sein ganzes Innenleben zu verstehen.
Er spricht von diesen Dingen selbst, darum dürfen auch wir ihm wohl mit
annähernder Deutlichkeit folgen. So hat er niemals den Trost des Jenseits zu
suchen vermocht, nie einen persönlichen Gott geglaubt und gebraucht, in keinem
Augenblicke in des Menschen Tode den Erlöser, immer nur allein den ent¬
setzlichen Vernichter gesehen. Der Schuler vor der Vergänglichkeit ist die
„Frau Hcrzelcide," das schweigende ernste Weib, das ihm das unablässige
Geleit giebt durch sein ganzes schönes Leben hindurch und allem seinen Dichten
den eignen Ton aufprägt. „Pessimismus," „Weltschmerz" wären falsche For¬
meln und schale Redensarten gegenüber dieser tiefinnerlichsten und rein mensch¬
lichen Wehmut. Über den modernen Materialisten, über den gewöhnlichen
Atheisten hebt sich Jenseit himmelhoch empor; mit ihm in dieser Beziehung
verglichen siud Hesse u. a. nüchterne Seelen und bloße Spötter, und nur
einen einzigen wüßten wir, der annähernd so im heißen Kampfe mit den
ewigen Fragen gerungen hat, wie es Jenseit sein Leben lang hat thun
müssen, das ist in seinen Jugendjahren der „grüne Heinrich." Imsen hat zu


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[0310] Wilhelm Perser Vom Himmel fiel in sein Gemüt Ein Schönheitsstrahl, ein feiger Gruß; Ihm wollt er zu, sehnsuchtdurchglüht, Doch Staub und Schlamm hielt seinen Fuß. Ich wollt, er käme heut herein Und sprach: „Hier, scheints, ist gut Gelng! Erlaubt, daß ich bei euerm Wein Den Staub mir von den Füßen schlag!" Mail muß dabei beachten, was diese letzte Strophe in Jensens Munde, was diese Ladung in „des sonnigen Hauses Glück und Ruh" bedeutet. Denn das Gedicht wendet sich persönlich an Jensens Gattin. Von diesem Hause, dem reinen Kelche, der all das goldene Lebensglück des Dichters ganz allein in sich saßt und schließt, erzählt dies Buch, das überall unmittelbarste Einblicke in das innerste Leben gewährt, auch sonst genug. So kracht ich sicherm Glücke nach und find es In grüner Stille meines kleinen Heimes; Der roten Frühlingswangen meines Kindes Erfreuend mich, der Triebkraft jedes Keimes, Und das Geflüster leisen Abendwindes Durchgaukelnd mit dem Rankwerk leichten Reimes. Und so offenbart der Dichter noch in vielen Strophen ein in selbstgebautein Hause ihm beschiedenes unendlich reiches und beglücktes Menschenleben. Niemals scheint durch die Krone seines Erdenglückes schüttelnd und zausend der ent¬ blätternde Sturm gefahren zu sein; er hatte stets ein hochgerüttelt Maß von allem zu eigen, was er auf der Welt wünschen konnte und nach seiner Art wünschte. Und wenn man davon ausgeht, so ist sein ganzes Innenleben zu verstehen. Er spricht von diesen Dingen selbst, darum dürfen auch wir ihm wohl mit annähernder Deutlichkeit folgen. So hat er niemals den Trost des Jenseits zu suchen vermocht, nie einen persönlichen Gott geglaubt und gebraucht, in keinem Augenblicke in des Menschen Tode den Erlöser, immer nur allein den ent¬ setzlichen Vernichter gesehen. Der Schuler vor der Vergänglichkeit ist die „Frau Hcrzelcide," das schweigende ernste Weib, das ihm das unablässige Geleit giebt durch sein ganzes schönes Leben hindurch und allem seinen Dichten den eignen Ton aufprägt. „Pessimismus," „Weltschmerz" wären falsche For¬ meln und schale Redensarten gegenüber dieser tiefinnerlichsten und rein mensch¬ lichen Wehmut. Über den modernen Materialisten, über den gewöhnlichen Atheisten hebt sich Jenseit himmelhoch empor; mit ihm in dieser Beziehung verglichen siud Hesse u. a. nüchterne Seelen und bloße Spötter, und nur einen einzigen wüßten wir, der annähernd so im heißen Kampfe mit den ewigen Fragen gerungen hat, wie es Jenseit sein Leben lang hat thun müssen, das ist in seinen Jugendjahren der „grüne Heinrich." Imsen hat zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/310>, abgerufen am 26.08.2024.