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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Wilhelm Imsen

Daß nie von meiner Hand ein Kranz
Um Gunst und Gut gewunden ward

und zu der bekannten herben Unzngnnglichkeit Jensens gegenüber jeglicher
nicht in schneeweißer Reinheit auf Zuneigung beruhenden "kollegialischer"
Anknüpfung. So müssen denn also die unberufenen Leute ohne Rezensions¬
exemplar reden.

Man darf Imsen nicht etwa wegen der ebeu angeführten Worte für jemand
halten, der von sich selber irgendwie Aufhebens machen wolle; sie laufen nur
einmal als das einzige, was er von sich rühmen will, so mit unter. Nur die
Lumpe sind ja bescheiden, und die meisten litterarischen Größen taxiren sich
bekanntlich, wenn auch nur in verstohlnen Briefen, mit denen sie dann nach
ihrem Tode vor der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt werden (vergl.
Storms Briefwechsel, herausgegeben von dem jüngern Kuh u. s. w.), min¬
destens zu dem richtigen Preise und meistens ein gut Teil darüber. Diese
Art ist Imsen fremd; er schätzt sich mit einer staunenswerten Schlichtheit ein
und zwar, was die Hauptsache ist, ohne jegliches verschämte Blinzeln. Geradezu
rührend ist als Ganzes das kurze Gedicht, aus dem obige Verse entnommen
sind, das einzige, das sein Verhältnis zur Fama und ob wohl noch einiges
von ihm in den Tagen der Nachwelt fortdauern werde, abmißt:


Ich weisz es nicht, ich glaub es kaum.
Die Welt will andre Gabe heut,
Und jene Welt, drin ich gelebt,
Man erlegt sie anch zu Grabe heut.

In der ganzen Sammlung steht kein einziges festliches oder feierndes Gedicht
an irgend einen Lebendigen. Das ist kein Neid; wir wissen es zufällig, wie
tief er den inzwischen auch gestorbenen Gottfried Keller, wie er Fontane den
Dichter und C. F. Meyer verehrt, wissen auch, daß er deu beiden ersten ge¬
reimten herzlichen Festgrnß sandte -- davon ist nun in diesem Buche nichts
gedruckt, um nur ja kein Aufhebens zu machen. Aber den Toten, die es nicht
mehr lohnen, legt er das Lorbeerblatt auf das stille Grab. So insbesondre
in dem ergreifenden Gedicht am Sarge Theodor Storms: "Und nun auch du,
der letzten einer!" Und auch um Leuthvlds Bild, vor dem der zünftige
Literarhistoriker nie ohne Handschuhe vorbeigehen kann, kränzt er ein paar
Rosen der Erinnerung, so menschlich einfach und fo ohne jede Übertreibung
nach beiden Seiten gerecht gegenüber diesem so überreich begabten und so un¬
säglich bemitleidenswerten Christian Günther unsers Jahrhunderts:


Ein Leben, das sich selbst betrog,
Das glücklos durch sich selber ward,
Mit irrem Trieb ins Irre zog,
Ein armer Wandrer, zart und hart.

Wilhelm Imsen

Daß nie von meiner Hand ein Kranz
Um Gunst und Gut gewunden ward

und zu der bekannten herben Unzngnnglichkeit Jensens gegenüber jeglicher
nicht in schneeweißer Reinheit auf Zuneigung beruhenden „kollegialischer"
Anknüpfung. So müssen denn also die unberufenen Leute ohne Rezensions¬
exemplar reden.

Man darf Imsen nicht etwa wegen der ebeu angeführten Worte für jemand
halten, der von sich selber irgendwie Aufhebens machen wolle; sie laufen nur
einmal als das einzige, was er von sich rühmen will, so mit unter. Nur die
Lumpe sind ja bescheiden, und die meisten litterarischen Größen taxiren sich
bekanntlich, wenn auch nur in verstohlnen Briefen, mit denen sie dann nach
ihrem Tode vor der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt werden (vergl.
Storms Briefwechsel, herausgegeben von dem jüngern Kuh u. s. w.), min¬
destens zu dem richtigen Preise und meistens ein gut Teil darüber. Diese
Art ist Imsen fremd; er schätzt sich mit einer staunenswerten Schlichtheit ein
und zwar, was die Hauptsache ist, ohne jegliches verschämte Blinzeln. Geradezu
rührend ist als Ganzes das kurze Gedicht, aus dem obige Verse entnommen
sind, das einzige, das sein Verhältnis zur Fama und ob wohl noch einiges
von ihm in den Tagen der Nachwelt fortdauern werde, abmißt:


Ich weisz es nicht, ich glaub es kaum.
Die Welt will andre Gabe heut,
Und jene Welt, drin ich gelebt,
Man erlegt sie anch zu Grabe heut.

In der ganzen Sammlung steht kein einziges festliches oder feierndes Gedicht
an irgend einen Lebendigen. Das ist kein Neid; wir wissen es zufällig, wie
tief er den inzwischen auch gestorbenen Gottfried Keller, wie er Fontane den
Dichter und C. F. Meyer verehrt, wissen auch, daß er deu beiden ersten ge¬
reimten herzlichen Festgrnß sandte — davon ist nun in diesem Buche nichts
gedruckt, um nur ja kein Aufhebens zu machen. Aber den Toten, die es nicht
mehr lohnen, legt er das Lorbeerblatt auf das stille Grab. So insbesondre
in dem ergreifenden Gedicht am Sarge Theodor Storms: „Und nun auch du,
der letzten einer!" Und auch um Leuthvlds Bild, vor dem der zünftige
Literarhistoriker nie ohne Handschuhe vorbeigehen kann, kränzt er ein paar
Rosen der Erinnerung, so menschlich einfach und fo ohne jede Übertreibung
nach beiden Seiten gerecht gegenüber diesem so überreich begabten und so un¬
säglich bemitleidenswerten Christian Günther unsers Jahrhunderts:


Ein Leben, das sich selbst betrog,
Das glücklos durch sich selber ward,
Mit irrem Trieb ins Irre zog,
Ein armer Wandrer, zart und hart.

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[0309] Wilhelm Imsen Daß nie von meiner Hand ein Kranz Um Gunst und Gut gewunden ward und zu der bekannten herben Unzngnnglichkeit Jensens gegenüber jeglicher nicht in schneeweißer Reinheit auf Zuneigung beruhenden „kollegialischer" Anknüpfung. So müssen denn also die unberufenen Leute ohne Rezensions¬ exemplar reden. Man darf Imsen nicht etwa wegen der ebeu angeführten Worte für jemand halten, der von sich selber irgendwie Aufhebens machen wolle; sie laufen nur einmal als das einzige, was er von sich rühmen will, so mit unter. Nur die Lumpe sind ja bescheiden, und die meisten litterarischen Größen taxiren sich bekanntlich, wenn auch nur in verstohlnen Briefen, mit denen sie dann nach ihrem Tode vor der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt werden (vergl. Storms Briefwechsel, herausgegeben von dem jüngern Kuh u. s. w.), min¬ destens zu dem richtigen Preise und meistens ein gut Teil darüber. Diese Art ist Imsen fremd; er schätzt sich mit einer staunenswerten Schlichtheit ein und zwar, was die Hauptsache ist, ohne jegliches verschämte Blinzeln. Geradezu rührend ist als Ganzes das kurze Gedicht, aus dem obige Verse entnommen sind, das einzige, das sein Verhältnis zur Fama und ob wohl noch einiges von ihm in den Tagen der Nachwelt fortdauern werde, abmißt: Ich weisz es nicht, ich glaub es kaum. Die Welt will andre Gabe heut, Und jene Welt, drin ich gelebt, Man erlegt sie anch zu Grabe heut. In der ganzen Sammlung steht kein einziges festliches oder feierndes Gedicht an irgend einen Lebendigen. Das ist kein Neid; wir wissen es zufällig, wie tief er den inzwischen auch gestorbenen Gottfried Keller, wie er Fontane den Dichter und C. F. Meyer verehrt, wissen auch, daß er deu beiden ersten ge¬ reimten herzlichen Festgrnß sandte — davon ist nun in diesem Buche nichts gedruckt, um nur ja kein Aufhebens zu machen. Aber den Toten, die es nicht mehr lohnen, legt er das Lorbeerblatt auf das stille Grab. So insbesondre in dem ergreifenden Gedicht am Sarge Theodor Storms: „Und nun auch du, der letzten einer!" Und auch um Leuthvlds Bild, vor dem der zünftige Literarhistoriker nie ohne Handschuhe vorbeigehen kann, kränzt er ein paar Rosen der Erinnerung, so menschlich einfach und fo ohne jede Übertreibung nach beiden Seiten gerecht gegenüber diesem so überreich begabten und so un¬ säglich bemitleidenswerten Christian Günther unsers Jahrhunderts: Ein Leben, das sich selbst betrog, Das glücklos durch sich selber ward, Mit irrem Trieb ins Irre zog, Ein armer Wandrer, zart und hart.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/309>, abgerufen am 26.08.2024.