Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.Die psychologische Unmöglichkeit eines sozialdemokratischen Staates für Jahrhunderte oder Jahrtausende hinaus wieder auf eine Kulturstufe herab¬ Daß es Staaten gegeben hat, die, wenn sie auch nicht im heutigen Sinn Was aber das Jnkareich in Peru betrifft, so war die große Masse des Geschichtlich ist also nichts über die Möglichkeit eiues sozialdemokratischen Indem ich mich gegen die Möglichkeit eines sozialdemokratischen Staates Die psychologische Unmöglichkeit eines sozialdemokratischen Staates für Jahrhunderte oder Jahrtausende hinaus wieder auf eine Kulturstufe herab¬ Daß es Staaten gegeben hat, die, wenn sie auch nicht im heutigen Sinn Was aber das Jnkareich in Peru betrifft, so war die große Masse des Geschichtlich ist also nichts über die Möglichkeit eiues sozialdemokratischen Indem ich mich gegen die Möglichkeit eines sozialdemokratischen Staates <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289970"/> <fw type="header" place="top"> Die psychologische Unmöglichkeit eines sozialdemokratischen Staates</fw><lb/> <p xml:id="ID_547" prev="#ID_546"> für Jahrhunderte oder Jahrtausende hinaus wieder auf eine Kulturstufe herab¬<lb/> sinken könnte, die einen sozialdemokratischen Staat möglich machen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_548"> Daß es Staaten gegeben hat, die, wenn sie auch nicht im heutigen Sinn<lb/> sozialdemokratisch waren, doch vielfach von sozialdemokratischen Prinzipien ge¬<lb/> leitet erschienen, ist eine geschichtliche Thatsache; man braucht nnr auf Sparta<lb/> und Peru hinzuweisen. Aber sie können nicht zum Beweise dafür heran¬<lb/> gezogen werden, daß auch auf der Grundlage der heutigen Kultur ein sozial-<lb/> demokratischer Staat möglich sei. Nicht nur die Helotenwirtschaft, auch der<lb/> niedrige Stand der spartanischen Kultur verbietet einen solchen Vergleich.<lb/> Auch erwies sich gerade der spartanische Staat trotz aller Siege als unfähig,<lb/> seine Hegemonie gegenüber den andern hochgebildeten griechischen Staaten auf¬<lb/> recht zu erhalten, weil er entweder den andern Staaten seine sozialistischen<lb/> Prinzipien hätte aufdrängen müssen, wozu er nicht die Kraft hatte, oder sie<lb/> selbst aufgeben, was er nicht wollte. Schließlich verfielen aber diese Prin¬<lb/> zipien doch dem Verfall und führten zu krasser Plutokratie.</p><lb/> <p xml:id="ID_549"> Was aber das Jnkareich in Peru betrifft, so war die große Masse des<lb/> Volkes dem Inka und dein Adel gegenüber nichts weiter als eine Heloten-<lb/> masfe, die stumpfsimng ihre Arbeit verrichtete; wie wenig innere Widerstands¬<lb/> kraft dieser Staat besaß, das zeigt seine leichte Eroberung durch die Spanier.<lb/> Ob sich aus diesen Zuständen auf sozialdemokratischer Grundlage eine ent¬<lb/> wicklungsfähige und dauerhaftere Kultur hätte bilden können, ist eine Frage,<lb/> deren geschichtliche Lösung eben durch die spanische Eroberung unterbrochen<lb/> worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_550"> Geschichtlich ist also nichts über die Möglichkeit eiues sozialdemokratischen<lb/> Staates im heutigen Sinn auszumachen; sie kann nur den Gegenstand rein<lb/> theoretischer Erörterungen bilden. Darin liegt ja die ganze Schwierigkeit und —<lb/> Leichtigkeit der Erörterungen über den Sozialismus, daß praktisch fast keine<lb/> Ergebnisse für oder wider ihn vorliegen; denn auch die kommunistischen<lb/> Gemeinden in Amerika können nicht als ein praktisches Ergebnis sozialdemo¬<lb/> kratischer Prinzipien angeführt werden, weil sie in einem nicht sozialdemokra-<lb/> tischen Staate bestehen und daher die Vorteile (natürlich auch die Nachteile)<lb/> eines nichtsozialdemvkratischen Staates in vielen Beziehungen mit genießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_551" next="#ID_552"> Indem ich mich gegen die Möglichkeit eines sozialdemokratischen Staates<lb/> wende, verkenne ich keineswegs die Übel des Konkurrenzstaates, die vor allem<lb/> darin liegen, daß er seinem Prinzip untreu geworden ist und untreu werdeu<lb/> mußte. Die freie Konkurrenz alles Kapitals und aller Arbeit ist zum bloßen<lb/> Schein geworden, denn das kleine Kapital kann mit dem großen nicht konkur-<lb/> riren und die Arbeit kann es nicht mit dem Kapital, vor allem nicht mit dem<lb/> Großkapital. So werden immer mehr und mehr Existenzen von aller Kon¬<lb/> kurrenz ausgeschlossen, sie müssen ihre geistige und körperliche Arbeit unter<lb/> dein Preise hingeben, sie können ihre kleinen Kapitalien immer schwieriger ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202]
Die psychologische Unmöglichkeit eines sozialdemokratischen Staates
für Jahrhunderte oder Jahrtausende hinaus wieder auf eine Kulturstufe herab¬
sinken könnte, die einen sozialdemokratischen Staat möglich machen würde.
Daß es Staaten gegeben hat, die, wenn sie auch nicht im heutigen Sinn
sozialdemokratisch waren, doch vielfach von sozialdemokratischen Prinzipien ge¬
leitet erschienen, ist eine geschichtliche Thatsache; man braucht nnr auf Sparta
und Peru hinzuweisen. Aber sie können nicht zum Beweise dafür heran¬
gezogen werden, daß auch auf der Grundlage der heutigen Kultur ein sozial-
demokratischer Staat möglich sei. Nicht nur die Helotenwirtschaft, auch der
niedrige Stand der spartanischen Kultur verbietet einen solchen Vergleich.
Auch erwies sich gerade der spartanische Staat trotz aller Siege als unfähig,
seine Hegemonie gegenüber den andern hochgebildeten griechischen Staaten auf¬
recht zu erhalten, weil er entweder den andern Staaten seine sozialistischen
Prinzipien hätte aufdrängen müssen, wozu er nicht die Kraft hatte, oder sie
selbst aufgeben, was er nicht wollte. Schließlich verfielen aber diese Prin¬
zipien doch dem Verfall und führten zu krasser Plutokratie.
Was aber das Jnkareich in Peru betrifft, so war die große Masse des
Volkes dem Inka und dein Adel gegenüber nichts weiter als eine Heloten-
masfe, die stumpfsimng ihre Arbeit verrichtete; wie wenig innere Widerstands¬
kraft dieser Staat besaß, das zeigt seine leichte Eroberung durch die Spanier.
Ob sich aus diesen Zuständen auf sozialdemokratischer Grundlage eine ent¬
wicklungsfähige und dauerhaftere Kultur hätte bilden können, ist eine Frage,
deren geschichtliche Lösung eben durch die spanische Eroberung unterbrochen
worden ist.
Geschichtlich ist also nichts über die Möglichkeit eiues sozialdemokratischen
Staates im heutigen Sinn auszumachen; sie kann nur den Gegenstand rein
theoretischer Erörterungen bilden. Darin liegt ja die ganze Schwierigkeit und —
Leichtigkeit der Erörterungen über den Sozialismus, daß praktisch fast keine
Ergebnisse für oder wider ihn vorliegen; denn auch die kommunistischen
Gemeinden in Amerika können nicht als ein praktisches Ergebnis sozialdemo¬
kratischer Prinzipien angeführt werden, weil sie in einem nicht sozialdemokra-
tischen Staate bestehen und daher die Vorteile (natürlich auch die Nachteile)
eines nichtsozialdemvkratischen Staates in vielen Beziehungen mit genießen.
Indem ich mich gegen die Möglichkeit eines sozialdemokratischen Staates
wende, verkenne ich keineswegs die Übel des Konkurrenzstaates, die vor allem
darin liegen, daß er seinem Prinzip untreu geworden ist und untreu werdeu
mußte. Die freie Konkurrenz alles Kapitals und aller Arbeit ist zum bloßen
Schein geworden, denn das kleine Kapital kann mit dem großen nicht konkur-
riren und die Arbeit kann es nicht mit dem Kapital, vor allem nicht mit dem
Großkapital. So werden immer mehr und mehr Existenzen von aller Kon¬
kurrenz ausgeschlossen, sie müssen ihre geistige und körperliche Arbeit unter
dein Preise hingeben, sie können ihre kleinen Kapitalien immer schwieriger ver-
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