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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Zur Reform der Giseiibahnfalirpreise

Die heutigen Persvneutnrife der verschiedenen deutschen Eisenbahnverwal-
tungen sind so bunt und verwickelt, daß sie Ednnrd Engel n>it Recht als
einen wahren Rattenkönig bezeichnen konnte. In Süddeutschland giebt es
drei, in Norddelltschland meist vier Wagenklassen, und dazu kommen ans Hanpt-
bahnen noch die Salon- und Schlafwagen, die teils nnr den Reisenden erster,
teils auch denen zweiter Klasse gegen Znsatzkarten zugänglich sind. Wagen
vierter Klasse werden aber gewöhnlich nur in einigen Zügen geführt, und auch
die dritte Klasse erobert sich erst allmählich die Zulassung zu den Schnell¬
zügen; es ist kein Zweifel, daß sich die preußische Staatsbahnverlvaltniig ein
großes Verdienst in dieser Richtung erworben hat.

Für jede Klasse mit Ausnahme der vierten Klasse, für die es nnr ein¬
fache Fahrkarten giebt, ist nun aber eine große Zahl verschiedener Fahrkarten
vorhanden. Neben den einfachen Fahrkarten giebt es, wenn wir von den
Abonnementbillets ganz absehen, zunächst, als Erbstück aus der Zeit des
Wettbewerbes verschiedener Eisenbahnverwaltungen, Rückfahrkarte,,, die bald
nnr eine", bald zwei, bald drei und mehr Tage gelten, bald ohne weiteres,
bald nur bei Lösung von Zusatzkarteu und manchmal überhaupt nicht zur
Benutzung von Schnellzügen berechtigen. Dazu kommen die sogenannten
Sommer- oder Saisonkarten, d. h. Rückfahrkarten mit fttnfuudvierzigtägiger
Giltigkeit, von einigen Hanptstntivnen nach bekannten Badeorten und Sommer¬
frischen und die auf kleiner" Stationen ausgegebenen Anschlnßlarten. Den
Wünschen der Vergnügnngsreisenden kam man zunächst dnrch N"ndreisekarte"
entgegen, die für bestimmte, besonders beliebte Reisewege ermäßigte Preise ge¬
währten. Als dann die Zahl der Sommerfrischen und Reiseziele immer größer
wurde und die festen Rundreisen dem Bedürfnisse nicht mehr entspräche",
führte man die "tombinirbaren Rnndreisebillets" oder "zusanunenstellbaren
Fahrscheinhefte" ein, bei denen aber die zurückzulegende Strecke wenigstens
600 Kilometer betragen mußte und nur el" kleiner Teil davo" doppelt zurück¬
gelegt werden durfte. Später hat mau diese Beschränkung aufgehoben und
Hin- und Rückreise auf demselben Wege gestattet, auch sonst einige Verein¬
fachungen eingeführt, aber das Ausklügeln eines solchen znsammenstellbaren
Fahrscheinheftes ist auch heute noch eine umständliche und für viele Leute
eine gar schwere Sache geblieben, und niemand ist davor sicher, daß ihm
Krankheit oder irgend ein andrer Zufall das ganze Billet unbrauchbar macht.
Mit so großer Freude die zusammenstellbaren Fahrscheinhefte anfangs begrüßt
wurden, und so viel sie auch heute noch wegen der großen Preisermäßigung,
die sie gewähren, benutzt werden, so können sie doch wegen jener Nachteile
nur noch als ein Notbehelf gelten.

Die Buntheit der bestehenden Tarife wird noch durch die verschiedene
Behandlung des Gepäcks vermehrt. Auf den norddeutschen Bahnen wird im
allgemeinen Freigepäck gewährt, auf den süddeutschen Bahnen nicht oder


Zur Reform der Giseiibahnfalirpreise

Die heutigen Persvneutnrife der verschiedenen deutschen Eisenbahnverwal-
tungen sind so bunt und verwickelt, daß sie Ednnrd Engel n>it Recht als
einen wahren Rattenkönig bezeichnen konnte. In Süddeutschland giebt es
drei, in Norddelltschland meist vier Wagenklassen, und dazu kommen ans Hanpt-
bahnen noch die Salon- und Schlafwagen, die teils nnr den Reisenden erster,
teils auch denen zweiter Klasse gegen Znsatzkarten zugänglich sind. Wagen
vierter Klasse werden aber gewöhnlich nur in einigen Zügen geführt, und auch
die dritte Klasse erobert sich erst allmählich die Zulassung zu den Schnell¬
zügen; es ist kein Zweifel, daß sich die preußische Staatsbahnverlvaltniig ein
großes Verdienst in dieser Richtung erworben hat.

Für jede Klasse mit Ausnahme der vierten Klasse, für die es nnr ein¬
fache Fahrkarten giebt, ist nun aber eine große Zahl verschiedener Fahrkarten
vorhanden. Neben den einfachen Fahrkarten giebt es, wenn wir von den
Abonnementbillets ganz absehen, zunächst, als Erbstück aus der Zeit des
Wettbewerbes verschiedener Eisenbahnverwaltungen, Rückfahrkarte,,, die bald
nnr eine», bald zwei, bald drei und mehr Tage gelten, bald ohne weiteres,
bald nur bei Lösung von Zusatzkarteu und manchmal überhaupt nicht zur
Benutzung von Schnellzügen berechtigen. Dazu kommen die sogenannten
Sommer- oder Saisonkarten, d. h. Rückfahrkarten mit fttnfuudvierzigtägiger
Giltigkeit, von einigen Hanptstntivnen nach bekannten Badeorten und Sommer¬
frischen und die auf kleiner» Stationen ausgegebenen Anschlnßlarten. Den
Wünschen der Vergnügnngsreisenden kam man zunächst dnrch N»ndreisekarte»
entgegen, die für bestimmte, besonders beliebte Reisewege ermäßigte Preise ge¬
währten. Als dann die Zahl der Sommerfrischen und Reiseziele immer größer
wurde und die festen Rundreisen dem Bedürfnisse nicht mehr entspräche»,
führte man die „tombinirbaren Rnndreisebillets" oder „zusanunenstellbaren
Fahrscheinhefte" ein, bei denen aber die zurückzulegende Strecke wenigstens
600 Kilometer betragen mußte und nur el» kleiner Teil davo» doppelt zurück¬
gelegt werden durfte. Später hat mau diese Beschränkung aufgehoben und
Hin- und Rückreise auf demselben Wege gestattet, auch sonst einige Verein¬
fachungen eingeführt, aber das Ausklügeln eines solchen znsammenstellbaren
Fahrscheinheftes ist auch heute noch eine umständliche und für viele Leute
eine gar schwere Sache geblieben, und niemand ist davor sicher, daß ihm
Krankheit oder irgend ein andrer Zufall das ganze Billet unbrauchbar macht.
Mit so großer Freude die zusammenstellbaren Fahrscheinhefte anfangs begrüßt
wurden, und so viel sie auch heute noch wegen der großen Preisermäßigung,
die sie gewähren, benutzt werden, so können sie doch wegen jener Nachteile
nur noch als ein Notbehelf gelten.

Die Buntheit der bestehenden Tarife wird noch durch die verschiedene
Behandlung des Gepäcks vermehrt. Auf den norddeutschen Bahnen wird im
allgemeinen Freigepäck gewährt, auf den süddeutschen Bahnen nicht oder


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[0018] Zur Reform der Giseiibahnfalirpreise Die heutigen Persvneutnrife der verschiedenen deutschen Eisenbahnverwal- tungen sind so bunt und verwickelt, daß sie Ednnrd Engel n>it Recht als einen wahren Rattenkönig bezeichnen konnte. In Süddeutschland giebt es drei, in Norddelltschland meist vier Wagenklassen, und dazu kommen ans Hanpt- bahnen noch die Salon- und Schlafwagen, die teils nnr den Reisenden erster, teils auch denen zweiter Klasse gegen Znsatzkarten zugänglich sind. Wagen vierter Klasse werden aber gewöhnlich nur in einigen Zügen geführt, und auch die dritte Klasse erobert sich erst allmählich die Zulassung zu den Schnell¬ zügen; es ist kein Zweifel, daß sich die preußische Staatsbahnverlvaltniig ein großes Verdienst in dieser Richtung erworben hat. Für jede Klasse mit Ausnahme der vierten Klasse, für die es nnr ein¬ fache Fahrkarten giebt, ist nun aber eine große Zahl verschiedener Fahrkarten vorhanden. Neben den einfachen Fahrkarten giebt es, wenn wir von den Abonnementbillets ganz absehen, zunächst, als Erbstück aus der Zeit des Wettbewerbes verschiedener Eisenbahnverwaltungen, Rückfahrkarte,,, die bald nnr eine», bald zwei, bald drei und mehr Tage gelten, bald ohne weiteres, bald nur bei Lösung von Zusatzkarteu und manchmal überhaupt nicht zur Benutzung von Schnellzügen berechtigen. Dazu kommen die sogenannten Sommer- oder Saisonkarten, d. h. Rückfahrkarten mit fttnfuudvierzigtägiger Giltigkeit, von einigen Hanptstntivnen nach bekannten Badeorten und Sommer¬ frischen und die auf kleiner» Stationen ausgegebenen Anschlnßlarten. Den Wünschen der Vergnügnngsreisenden kam man zunächst dnrch N»ndreisekarte» entgegen, die für bestimmte, besonders beliebte Reisewege ermäßigte Preise ge¬ währten. Als dann die Zahl der Sommerfrischen und Reiseziele immer größer wurde und die festen Rundreisen dem Bedürfnisse nicht mehr entspräche», führte man die „tombinirbaren Rnndreisebillets" oder „zusanunenstellbaren Fahrscheinhefte" ein, bei denen aber die zurückzulegende Strecke wenigstens 600 Kilometer betragen mußte und nur el» kleiner Teil davo» doppelt zurück¬ gelegt werden durfte. Später hat mau diese Beschränkung aufgehoben und Hin- und Rückreise auf demselben Wege gestattet, auch sonst einige Verein¬ fachungen eingeführt, aber das Ausklügeln eines solchen znsammenstellbaren Fahrscheinheftes ist auch heute noch eine umständliche und für viele Leute eine gar schwere Sache geblieben, und niemand ist davor sicher, daß ihm Krankheit oder irgend ein andrer Zufall das ganze Billet unbrauchbar macht. Mit so großer Freude die zusammenstellbaren Fahrscheinhefte anfangs begrüßt wurden, und so viel sie auch heute noch wegen der großen Preisermäßigung, die sie gewähren, benutzt werden, so können sie doch wegen jener Nachteile nur noch als ein Notbehelf gelten. Die Buntheit der bestehenden Tarife wird noch durch die verschiedene Behandlung des Gepäcks vermehrt. Auf den norddeutschen Bahnen wird im allgemeinen Freigepäck gewährt, auf den süddeutschen Bahnen nicht oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/18>, abgerufen am 23.07.2024.