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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Der Lcmdwncher

Sakramente lind des christlichen Begräbnisses. Die spätere weltliche Gesetz¬
gebung aber hat daran nicht festgehalten, sondern hat wie auch schon das
römische Recht strafbaren Wucher nur in dem übermäßigen Zinsenuehmen,
also in der Überschreitung eines bestimmten Zinssatzes gefunden und die
Ausbedingung vou Zinseszinsen verboten. So bestrafte die deutsche Reichs-
polizeiordnung vom 9. November 1577 (Tit. 17) die Übung solches und
ähnlichen Wuchers mit dem vierten Teil des Hauptgeldes und erklärte zugleich
das ganze Geschäft für ungiltig. Es finden sich in diesem Gesetz (Tit. 18)
auch noch Vorschriften gegen "die Nonopolm und schädliche Aufs- und Für-
känff." Solche ebenfalls schon im römischen Recht als "Dardanariat" ver¬
worfene "Ringbildungen" werde", wie folgt, bezeichnet: "seynd in kurtzem
Jahren etwa viel grosse Gesellschafft in Kaufmanns-Geschäften aufgestanden,
die allerley Waaren und Kaufmanns-Gttthcr in ihre Hand und Gewalt allein
zu bringen unterstehen. Auff- und Fürkauff damit zu treiben, und denselben
Waaren einen Werth nach ihrem Willen lind Gefallen zu setzen." Dergleichen
sollte, was anch schon frühere Reichsgesetze verordnet hatten, mit Vermögens-
einziehnng und Landesverweisung (!) geahndet werden. Daran schließen sich
(Tit. 19) Strafandrohungen für die Fälle, daß jemand erst noch zu erntende
Früchte zu einem andern Preise als dem zur Zeit des Vertragsabschlusses
oder der Ernte oder vierzehn Tage darauf üblichen Marktpreise verkaufte.
Bestimmungen wie die letzterwähnten sind in die neuern Strafgesetzbücher der
einzelnen deutschen Staaten nicht übergegangen, da man sie als mit der wirt¬
schaftlichen Freiheit unvereinbar ansah. Aber an dem Verbot der Überschrei¬
tung des gesetzlichen Zinsfußes (meist 5 Prozent, in Handelssachen anch
6 Prozent), also an dem Begriff des Zinswuchers, wurde von einzelnen Staaten,
insbesondre von Preußen, auch dann noch festgehalten, als das allgemeine
deutsche Handelsgesetzbuch für Darlehen an einen Kaufmann und für Schulden
eines Kaufmanns aus seinen Handelsgeschäften jede Zinssatzbeschränkung be¬
seitigt hatte. Völlige Wucherfreiheit, abgesehen von dem Zinseszinsverbvt,
hat für Deutschland bekanntlich das Bundesgesetz vom 14. November 1867
(I^sx Laster) sowohl für das bürgerliche Recht wie für das Strafrecht ein¬
geführt; nur das Pfandleihgewerbe ist davon ausgenommen. Daß zwischen
dem Wucher und dem Volksstamme, dem der Abgeordnete Laster angehörte,
seit alter Zeit ein gewisser Zusammenhang besteht, ergiebt sich schon aus der
oben erwähnten Reichspolizeiordnung, in der unmittelbar ans die mitgeteilten
Titel 17, 18, 19 als Titel 20 ein "Von Juden und ihrem Wucher" über-
schriebener Abschnitt folgt. So mag es sich wohl auch erklären, daß ein zweites,
kurz nach dem Laskerschen, von einem jüdischen Volksvertreter veranlaßtes
Gesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869 betreffend die Gleichberechtigung
der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung (I^sx Kosch),
bald ganz unerträgliche Zustände herbeiführte, die schon nach einiger Zeit


Der Lcmdwncher

Sakramente lind des christlichen Begräbnisses. Die spätere weltliche Gesetz¬
gebung aber hat daran nicht festgehalten, sondern hat wie auch schon das
römische Recht strafbaren Wucher nur in dem übermäßigen Zinsenuehmen,
also in der Überschreitung eines bestimmten Zinssatzes gefunden und die
Ausbedingung vou Zinseszinsen verboten. So bestrafte die deutsche Reichs-
polizeiordnung vom 9. November 1577 (Tit. 17) die Übung solches und
ähnlichen Wuchers mit dem vierten Teil des Hauptgeldes und erklärte zugleich
das ganze Geschäft für ungiltig. Es finden sich in diesem Gesetz (Tit. 18)
auch noch Vorschriften gegen „die Nonopolm und schädliche Aufs- und Für-
känff." Solche ebenfalls schon im römischen Recht als „Dardanariat" ver¬
worfene „Ringbildungen" werde», wie folgt, bezeichnet: „seynd in kurtzem
Jahren etwa viel grosse Gesellschafft in Kaufmanns-Geschäften aufgestanden,
die allerley Waaren und Kaufmanns-Gttthcr in ihre Hand und Gewalt allein
zu bringen unterstehen. Auff- und Fürkauff damit zu treiben, und denselben
Waaren einen Werth nach ihrem Willen lind Gefallen zu setzen." Dergleichen
sollte, was anch schon frühere Reichsgesetze verordnet hatten, mit Vermögens-
einziehnng und Landesverweisung (!) geahndet werden. Daran schließen sich
(Tit. 19) Strafandrohungen für die Fälle, daß jemand erst noch zu erntende
Früchte zu einem andern Preise als dem zur Zeit des Vertragsabschlusses
oder der Ernte oder vierzehn Tage darauf üblichen Marktpreise verkaufte.
Bestimmungen wie die letzterwähnten sind in die neuern Strafgesetzbücher der
einzelnen deutschen Staaten nicht übergegangen, da man sie als mit der wirt¬
schaftlichen Freiheit unvereinbar ansah. Aber an dem Verbot der Überschrei¬
tung des gesetzlichen Zinsfußes (meist 5 Prozent, in Handelssachen anch
6 Prozent), also an dem Begriff des Zinswuchers, wurde von einzelnen Staaten,
insbesondre von Preußen, auch dann noch festgehalten, als das allgemeine
deutsche Handelsgesetzbuch für Darlehen an einen Kaufmann und für Schulden
eines Kaufmanns aus seinen Handelsgeschäften jede Zinssatzbeschränkung be¬
seitigt hatte. Völlige Wucherfreiheit, abgesehen von dem Zinseszinsverbvt,
hat für Deutschland bekanntlich das Bundesgesetz vom 14. November 1867
(I^sx Laster) sowohl für das bürgerliche Recht wie für das Strafrecht ein¬
geführt; nur das Pfandleihgewerbe ist davon ausgenommen. Daß zwischen
dem Wucher und dem Volksstamme, dem der Abgeordnete Laster angehörte,
seit alter Zeit ein gewisser Zusammenhang besteht, ergiebt sich schon aus der
oben erwähnten Reichspolizeiordnung, in der unmittelbar ans die mitgeteilten
Titel 17, 18, 19 als Titel 20 ein „Von Juden und ihrem Wucher" über-
schriebener Abschnitt folgt. So mag es sich wohl auch erklären, daß ein zweites,
kurz nach dem Laskerschen, von einem jüdischen Volksvertreter veranlaßtes
Gesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869 betreffend die Gleichberechtigung
der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung (I^sx Kosch),
bald ganz unerträgliche Zustände herbeiführte, die schon nach einiger Zeit


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[0123] Der Lcmdwncher Sakramente lind des christlichen Begräbnisses. Die spätere weltliche Gesetz¬ gebung aber hat daran nicht festgehalten, sondern hat wie auch schon das römische Recht strafbaren Wucher nur in dem übermäßigen Zinsenuehmen, also in der Überschreitung eines bestimmten Zinssatzes gefunden und die Ausbedingung vou Zinseszinsen verboten. So bestrafte die deutsche Reichs- polizeiordnung vom 9. November 1577 (Tit. 17) die Übung solches und ähnlichen Wuchers mit dem vierten Teil des Hauptgeldes und erklärte zugleich das ganze Geschäft für ungiltig. Es finden sich in diesem Gesetz (Tit. 18) auch noch Vorschriften gegen „die Nonopolm und schädliche Aufs- und Für- känff." Solche ebenfalls schon im römischen Recht als „Dardanariat" ver¬ worfene „Ringbildungen" werde», wie folgt, bezeichnet: „seynd in kurtzem Jahren etwa viel grosse Gesellschafft in Kaufmanns-Geschäften aufgestanden, die allerley Waaren und Kaufmanns-Gttthcr in ihre Hand und Gewalt allein zu bringen unterstehen. Auff- und Fürkauff damit zu treiben, und denselben Waaren einen Werth nach ihrem Willen lind Gefallen zu setzen." Dergleichen sollte, was anch schon frühere Reichsgesetze verordnet hatten, mit Vermögens- einziehnng und Landesverweisung (!) geahndet werden. Daran schließen sich (Tit. 19) Strafandrohungen für die Fälle, daß jemand erst noch zu erntende Früchte zu einem andern Preise als dem zur Zeit des Vertragsabschlusses oder der Ernte oder vierzehn Tage darauf üblichen Marktpreise verkaufte. Bestimmungen wie die letzterwähnten sind in die neuern Strafgesetzbücher der einzelnen deutschen Staaten nicht übergegangen, da man sie als mit der wirt¬ schaftlichen Freiheit unvereinbar ansah. Aber an dem Verbot der Überschrei¬ tung des gesetzlichen Zinsfußes (meist 5 Prozent, in Handelssachen anch 6 Prozent), also an dem Begriff des Zinswuchers, wurde von einzelnen Staaten, insbesondre von Preußen, auch dann noch festgehalten, als das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch für Darlehen an einen Kaufmann und für Schulden eines Kaufmanns aus seinen Handelsgeschäften jede Zinssatzbeschränkung be¬ seitigt hatte. Völlige Wucherfreiheit, abgesehen von dem Zinseszinsverbvt, hat für Deutschland bekanntlich das Bundesgesetz vom 14. November 1867 (I^sx Laster) sowohl für das bürgerliche Recht wie für das Strafrecht ein¬ geführt; nur das Pfandleihgewerbe ist davon ausgenommen. Daß zwischen dem Wucher und dem Volksstamme, dem der Abgeordnete Laster angehörte, seit alter Zeit ein gewisser Zusammenhang besteht, ergiebt sich schon aus der oben erwähnten Reichspolizeiordnung, in der unmittelbar ans die mitgeteilten Titel 17, 18, 19 als Titel 20 ein „Von Juden und ihrem Wucher" über- schriebener Abschnitt folgt. So mag es sich wohl auch erklären, daß ein zweites, kurz nach dem Laskerschen, von einem jüdischen Volksvertreter veranlaßtes Gesetz, das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869 betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung (I^sx Kosch), bald ganz unerträgliche Zustände herbeiführte, die schon nach einiger Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/123>, abgerufen am 23.07.2024.