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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Aaiser Friedrich "ut Bismarck

Wenn die Fortschrittspartei mich zu den ihrigen rechnen will und alles daran
setzt, so ist hiergegen ebenso wenig zu thun, als ichs verhindern kann, daß Bismarck
mich zu deu (lies: dem) seinigen zu stempeln eifrig bemüht war.

Meine Ansichten erhellen aus den Danziger Worten; mehr thun oder reden
Will ich nicht, da ich kein Oppositionsführer sein will.

Sind Waldeck und Konsorten die Fortschrittler, so habe ich keine Genreinschaft
mit diesen. Versteht man aber die Freisinnigen unter jenem Namen, mit denen
leider die Altlibernlen jetzt nicht zusammengehen, so denke ich nicht daran, jene
Fortschrittler als Feinde zu betrachten.

Mich auf unser baldiges Wiedersehen freuend, in alter Zuneigung und altem
Vertrauen u. f. w.

In der Schleswig-holsteinischen Frage war Duncker einer der wenigen, die
zur Politik Bismarcks Vertrauen hatten; ja er riet, das Abgeordnetenhaus
möge diese Gelegenheit benutzen, seinen Widerspruch gegen die Militär-
revrganisntion fallen zu lassen und so den innern Frieden herzustellen. Mit
beiden Ansichten fand er keine Billigung in den Kreisen, auf die er wirken
wollte. Am meisten mag ihn aber wohl folgender Brief des Kronprinzen ans
Windsor vom 8. Dezember 1863 in Verwunderung gesetzt haben.

Von Bismarck erwarte ich keinen Ausgang in meinem Sinne; er haßt die
Augustenbnrgcr und fielst Revolution in dem nationalen Aufschwung Deutschlands.
Er will Dänemcirck stärken und das Protokoll halten. Hiermit ist alles gesagt.
Mithin verdankt ihm Preußen ein abermaliges Zuspät, um endlich seine Stelle an
Deutschlands Spitze zu behaupten. . . . Bei uns in England habe ich inzwischen
für meinen lieben Freund, den Herzog Friedrich, Lanzen gebrochen, wacker von
meiner Frau unterstützt, die ein selteu deutsch wnrmfühleudes Herz in rührender,
erhebender Weise an den Tag legt.

Von höchstem Interesse sind die Mitteilungen über Bismarcks Unter¬
redungen mit Duncker am 19. Mai 1864, die den Zweck hatten, durch ihn
auf den Kronprinzen in der Richtung der preußischen Politik zu wirken, wie
sie Bismarck gegen den Herzog von Augustenburg eingeschlagen hatte. Drucker
that fort und fort fein Möglichstes, um den Erben der Krone von seiner
Opposition zurückzubringen, aber alles war vergeblich. Man darf freilich,
wenn man gerecht sein will, nicht vergessen, daß der Kronprinz die letzten
Regierungsjahre Friedrich Wilhelms IV. schweigend hatte durchleben müssen,
eine Zeit, wo sich die unfähigste Regierung, die Preußen je gesehen hat, in
reaktionären Velleitäten erging, die in widerlichster Weise mit geschmackloser
Frömmelei verbrämt waren und ein Strebertum züchteten, das das gesamte
Beamtentum zu demoralisiren drohte. Ist doch in jenen Jahren von dem
Kultusminister von Raumer die Vertreibung der heidnischen lateinischen
Klassiker aus den Gymnasien und ihre Ersetzung dnrch Anthologien aus den
Kirchenvätern ernstlich erwogen worden! Mußten ihn die Erinnerungen an
jene Zeit der liberalen Partei in die Arme treiben und Bismarck entfremden,


Aaiser Friedrich »ut Bismarck

Wenn die Fortschrittspartei mich zu den ihrigen rechnen will und alles daran
setzt, so ist hiergegen ebenso wenig zu thun, als ichs verhindern kann, daß Bismarck
mich zu deu (lies: dem) seinigen zu stempeln eifrig bemüht war.

Meine Ansichten erhellen aus den Danziger Worten; mehr thun oder reden
Will ich nicht, da ich kein Oppositionsführer sein will.

Sind Waldeck und Konsorten die Fortschrittler, so habe ich keine Genreinschaft
mit diesen. Versteht man aber die Freisinnigen unter jenem Namen, mit denen
leider die Altlibernlen jetzt nicht zusammengehen, so denke ich nicht daran, jene
Fortschrittler als Feinde zu betrachten.

Mich auf unser baldiges Wiedersehen freuend, in alter Zuneigung und altem
Vertrauen u. f. w.

In der Schleswig-holsteinischen Frage war Duncker einer der wenigen, die
zur Politik Bismarcks Vertrauen hatten; ja er riet, das Abgeordnetenhaus
möge diese Gelegenheit benutzen, seinen Widerspruch gegen die Militär-
revrganisntion fallen zu lassen und so den innern Frieden herzustellen. Mit
beiden Ansichten fand er keine Billigung in den Kreisen, auf die er wirken
wollte. Am meisten mag ihn aber wohl folgender Brief des Kronprinzen ans
Windsor vom 8. Dezember 1863 in Verwunderung gesetzt haben.

Von Bismarck erwarte ich keinen Ausgang in meinem Sinne; er haßt die
Augustenbnrgcr und fielst Revolution in dem nationalen Aufschwung Deutschlands.
Er will Dänemcirck stärken und das Protokoll halten. Hiermit ist alles gesagt.
Mithin verdankt ihm Preußen ein abermaliges Zuspät, um endlich seine Stelle an
Deutschlands Spitze zu behaupten. . . . Bei uns in England habe ich inzwischen
für meinen lieben Freund, den Herzog Friedrich, Lanzen gebrochen, wacker von
meiner Frau unterstützt, die ein selteu deutsch wnrmfühleudes Herz in rührender,
erhebender Weise an den Tag legt.

Von höchstem Interesse sind die Mitteilungen über Bismarcks Unter¬
redungen mit Duncker am 19. Mai 1864, die den Zweck hatten, durch ihn
auf den Kronprinzen in der Richtung der preußischen Politik zu wirken, wie
sie Bismarck gegen den Herzog von Augustenburg eingeschlagen hatte. Drucker
that fort und fort fein Möglichstes, um den Erben der Krone von seiner
Opposition zurückzubringen, aber alles war vergeblich. Man darf freilich,
wenn man gerecht sein will, nicht vergessen, daß der Kronprinz die letzten
Regierungsjahre Friedrich Wilhelms IV. schweigend hatte durchleben müssen,
eine Zeit, wo sich die unfähigste Regierung, die Preußen je gesehen hat, in
reaktionären Velleitäten erging, die in widerlichster Weise mit geschmackloser
Frömmelei verbrämt waren und ein Strebertum züchteten, das das gesamte
Beamtentum zu demoralisiren drohte. Ist doch in jenen Jahren von dem
Kultusminister von Raumer die Vertreibung der heidnischen lateinischen
Klassiker aus den Gymnasien und ihre Ersetzung dnrch Anthologien aus den
Kirchenvätern ernstlich erwogen worden! Mußten ihn die Erinnerungen an
jene Zeit der liberalen Partei in die Arme treiben und Bismarck entfremden,


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[0599] Aaiser Friedrich »ut Bismarck Wenn die Fortschrittspartei mich zu den ihrigen rechnen will und alles daran setzt, so ist hiergegen ebenso wenig zu thun, als ichs verhindern kann, daß Bismarck mich zu deu (lies: dem) seinigen zu stempeln eifrig bemüht war. Meine Ansichten erhellen aus den Danziger Worten; mehr thun oder reden Will ich nicht, da ich kein Oppositionsführer sein will. Sind Waldeck und Konsorten die Fortschrittler, so habe ich keine Genreinschaft mit diesen. Versteht man aber die Freisinnigen unter jenem Namen, mit denen leider die Altlibernlen jetzt nicht zusammengehen, so denke ich nicht daran, jene Fortschrittler als Feinde zu betrachten. Mich auf unser baldiges Wiedersehen freuend, in alter Zuneigung und altem Vertrauen u. f. w. In der Schleswig-holsteinischen Frage war Duncker einer der wenigen, die zur Politik Bismarcks Vertrauen hatten; ja er riet, das Abgeordnetenhaus möge diese Gelegenheit benutzen, seinen Widerspruch gegen die Militär- revrganisntion fallen zu lassen und so den innern Frieden herzustellen. Mit beiden Ansichten fand er keine Billigung in den Kreisen, auf die er wirken wollte. Am meisten mag ihn aber wohl folgender Brief des Kronprinzen ans Windsor vom 8. Dezember 1863 in Verwunderung gesetzt haben. Von Bismarck erwarte ich keinen Ausgang in meinem Sinne; er haßt die Augustenbnrgcr und fielst Revolution in dem nationalen Aufschwung Deutschlands. Er will Dänemcirck stärken und das Protokoll halten. Hiermit ist alles gesagt. Mithin verdankt ihm Preußen ein abermaliges Zuspät, um endlich seine Stelle an Deutschlands Spitze zu behaupten. . . . Bei uns in England habe ich inzwischen für meinen lieben Freund, den Herzog Friedrich, Lanzen gebrochen, wacker von meiner Frau unterstützt, die ein selteu deutsch wnrmfühleudes Herz in rührender, erhebender Weise an den Tag legt. Von höchstem Interesse sind die Mitteilungen über Bismarcks Unter¬ redungen mit Duncker am 19. Mai 1864, die den Zweck hatten, durch ihn auf den Kronprinzen in der Richtung der preußischen Politik zu wirken, wie sie Bismarck gegen den Herzog von Augustenburg eingeschlagen hatte. Drucker that fort und fort fein Möglichstes, um den Erben der Krone von seiner Opposition zurückzubringen, aber alles war vergeblich. Man darf freilich, wenn man gerecht sein will, nicht vergessen, daß der Kronprinz die letzten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms IV. schweigend hatte durchleben müssen, eine Zeit, wo sich die unfähigste Regierung, die Preußen je gesehen hat, in reaktionären Velleitäten erging, die in widerlichster Weise mit geschmackloser Frömmelei verbrämt waren und ein Strebertum züchteten, das das gesamte Beamtentum zu demoralisiren drohte. Ist doch in jenen Jahren von dem Kultusminister von Raumer die Vertreibung der heidnischen lateinischen Klassiker aus den Gymnasien und ihre Ersetzung dnrch Anthologien aus den Kirchenvätern ernstlich erwogen worden! Mußten ihn die Erinnerungen an jene Zeit der liberalen Partei in die Arme treiben und Bismarck entfremden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/599>, abgerufen am 24.07.2024.