Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.Hamlet und seine Ausleger Und so bin ich gerächt? Das hieß, ein Bube Also nicht der Gedanke, daß er dem Volke auf diese Weise als ein Wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut, also bei lauter Gelegenheiten, wo von einer Überführung gar keine Rede Wie denkt man sich überhaupt eine solche Überführung? Der einzige Ich hab gehört, daß schuldige Geschöpfe, obgleich es ihm, wie die folgenden Worte zeigen, zunächst nur um die eigne Hamlet und seine Ausleger Und so bin ich gerächt? Das hieß, ein Bube Also nicht der Gedanke, daß er dem Volke auf diese Weise als ein Wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut, also bei lauter Gelegenheiten, wo von einer Überführung gar keine Rede Wie denkt man sich überhaupt eine solche Überführung? Der einzige Ich hab gehört, daß schuldige Geschöpfe, obgleich es ihm, wie die folgenden Worte zeigen, zunächst nur um die eigne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0577" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210444"/> <fw type="header" place="top"> Hamlet und seine Ausleger</fw><lb/> <quote> Und so bin ich gerächt? Das hieß, ein Bube<lb/> Ermordet meinen Vater, und dafür<lb/> send ich, sein einzger Sohn, denselben Buben<lb/> Gen Himmel.<lb/> El, das wär Sold und Löhnung, Rache nicht.<lb/> Er überfiel in Wüstheit meinen Vater,<lb/> Voll Speis, in seiner Sünden Maienblüte.<lb/> Wie seine Rechnung steht, weiß nur der Himmel,<lb/> Allein nach unsrer Denkart und Vermutung<lb/> Ergehts ihm schlimm; und bin ich denn gerächt,<lb/> Wenn ich in seiner Heiligung ihn fasse,<lb/> Bereitet und geschickt zum Übergang?</quote><lb/> <p xml:id="ID_1589" next="#ID_1590"> Also nicht der Gedanke, daß er dem Volke auf diese Weise als ein<lb/> Mörder, nicht als ein Rächer erscheinen könnte, hält seinen schon aufgehobenen<lb/> Arm. zurück, sondern die Furcht, daß er den Bösewicht auf diese Weise gerades<lb/> Weges in den Himmel befördern könnte. Diese Furcht könnte im Munde<lb/> eines Philosophen wie Hamlet den Eindruck einer Ausrede machen, aber sie<lb/> ist doch im Grunde dem Charakter eines Mannes nicht so unangemessen, der<lb/> an die leibhaftige Wiederkehr Abgeschiedener glaubt und glauben muß. Und<lb/> wann will er die jetzt unterlassene That sonst ausführen? Etwa nach einem<lb/> erzwungenen Geständnis des Königs? Nein:</p><lb/> <quote> Wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut,<lb/> In seines Betts blutschänderischen Freuden,<lb/> Beim Doppeln, Fluchen oder andern, Thun,<lb/> Das keine Spur des Heiles in sich hat,</quote><lb/> <p xml:id="ID_1590" prev="#ID_1589"> also bei lauter Gelegenheiten, wo von einer Überführung gar keine Rede<lb/> sein kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1591" next="#ID_1592"> Wie denkt man sich überhaupt eine solche Überführung? Der einzige<lb/> Zeuge der That ist der König selbst, sogar die Königin scheint nicht drum<lb/> zu wissen. Nur durch ein Geständnis des Königs also wäre eine solche Über¬<lb/> führung möglich, und dieses Geständnis könnte ihm, selbst wenn man ans ein<lb/> Wunder hoffen wollte, doch nur in einem Augenblicke des Schreckens lind der<lb/> Verwirrung entrissen werden. Etwas derartiges scheint auch Hamlet durch<lb/> die Vorführung des Schauspiels mit zu bezwecken:</p><lb/> <quote> Ich hab gehört, daß schuldige Geschöpfe,<lb/> Bei einem Schauspiel sitzend, durch die Kunst<lb/> Der Bühne so getroffen worden sind<lb/> Im innersten Gemüt, daß sie sogleich<lb/> Zu ihren Missethaten sich bekannt,</quote><lb/> <p xml:id="ID_1592" prev="#ID_1591" next="#ID_1593"> obgleich es ihm, wie die folgenden Worte zeigen, zunächst nur um die eigne<lb/> Überzeugung, nicht um die der andern zu thun ist. Durch das, was nun<lb/> wirklich eintrifft, das Erschrecken und deir plötzlichen Aufbruch des Königs,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0577]
Hamlet und seine Ausleger
Und so bin ich gerächt? Das hieß, ein Bube
Ermordet meinen Vater, und dafür
send ich, sein einzger Sohn, denselben Buben
Gen Himmel.
El, das wär Sold und Löhnung, Rache nicht.
Er überfiel in Wüstheit meinen Vater,
Voll Speis, in seiner Sünden Maienblüte.
Wie seine Rechnung steht, weiß nur der Himmel,
Allein nach unsrer Denkart und Vermutung
Ergehts ihm schlimm; und bin ich denn gerächt,
Wenn ich in seiner Heiligung ihn fasse,
Bereitet und geschickt zum Übergang?
Also nicht der Gedanke, daß er dem Volke auf diese Weise als ein
Mörder, nicht als ein Rächer erscheinen könnte, hält seinen schon aufgehobenen
Arm. zurück, sondern die Furcht, daß er den Bösewicht auf diese Weise gerades
Weges in den Himmel befördern könnte. Diese Furcht könnte im Munde
eines Philosophen wie Hamlet den Eindruck einer Ausrede machen, aber sie
ist doch im Grunde dem Charakter eines Mannes nicht so unangemessen, der
an die leibhaftige Wiederkehr Abgeschiedener glaubt und glauben muß. Und
wann will er die jetzt unterlassene That sonst ausführen? Etwa nach einem
erzwungenen Geständnis des Königs? Nein:
Wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut,
In seines Betts blutschänderischen Freuden,
Beim Doppeln, Fluchen oder andern, Thun,
Das keine Spur des Heiles in sich hat,
also bei lauter Gelegenheiten, wo von einer Überführung gar keine Rede
sein kann.
Wie denkt man sich überhaupt eine solche Überführung? Der einzige
Zeuge der That ist der König selbst, sogar die Königin scheint nicht drum
zu wissen. Nur durch ein Geständnis des Königs also wäre eine solche Über¬
führung möglich, und dieses Geständnis könnte ihm, selbst wenn man ans ein
Wunder hoffen wollte, doch nur in einem Augenblicke des Schreckens lind der
Verwirrung entrissen werden. Etwas derartiges scheint auch Hamlet durch
die Vorführung des Schauspiels mit zu bezwecken:
Ich hab gehört, daß schuldige Geschöpfe,
Bei einem Schauspiel sitzend, durch die Kunst
Der Bühne so getroffen worden sind
Im innersten Gemüt, daß sie sogleich
Zu ihren Missethaten sich bekannt,
obgleich es ihm, wie die folgenden Worte zeigen, zunächst nur um die eigne
Überzeugung, nicht um die der andern zu thun ist. Durch das, was nun
wirklich eintrifft, das Erschrecken und deir plötzlichen Aufbruch des Königs,
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