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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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dunkel und seine Ausleger

Der Band schließt mit einem Briefe Johann Georgs vom .'N.Dezember
t7U9 ("Sonst gehts in der Schweiz so, daß es besser ist, ganz davon zu
schweigen. Sie ist hin!") und der Antwort ans Wien vom elften Tage des
folgenden Jahres, die zeigt, welche Stimmung dort geherrscht hat. Alls die
Bemerkung, daß die Armee des Erzherzogs beträchtlicher Verstärkung bedürfen
werde, wenn wirklich Bonaparte die Rheinarmee persönlich befehligen wolle,
folgt die geringschätzige Entgegnung: "Es scheint, der gegen schlechte Generale
gewaltige Held, stolzierend auf das einige halbwelke Lorbeerblättchen, das er
von Abukir noch znriickznbringen vermocht, will noch einmal versuchen, was
Trug und Kunst vermögen. . . . Übrigens halte ich mich fest überzeugt,
daß auch der Corse ans des H. Ludwigs Throne sich nicht behaupten wird;
das gegenwärtige Machwerk hat alle Partheyen wider sich .... Die Finster¬
niß, das Revolutionsreich, stemmt sich mit den letzten Kräften wider alle
Rükkehr des alten Gluks." Ein Jahr später hatten die Franzosen den ganzen
Rhein, Baiern, Tirol, das Etschland, die Lombardei.




Hamlet und seine Ausleger
v walt her Ribl'cet on

s ist noch gar nicht so la
nge her, daß man in Hamlet, dem
Dänen, die bewußte oder unbewußte Persiflage des deutschen
Volkes zu erkennen glaubte. Beide seien von der Natur mit
glänzenden Gaben des Körpers und der Seele ausgestattet, beide
Meister im Denken und Philosophiren, im kritischen Beurteilen
der Dinge und Menschen, wie im ästhetischen Genießen des Schönen, aber
beiden lahme der reflektirende Zug ihres Wesens, vermöge dessen ihnen stets
ebensoviel Gründe gegen eine Sache wie für die Sache zu sprechen schienen,
jede Fähigkeit zum Handeln und lasse sie hinter andern, weniger begabten,
aber nicht so von des Gedankens Blässe angekränkelten Naturen zurückbleiben.

Das deutsche Volk soll nun diesem seinem ungebornen Charakter seit einiger
Zeit in merkwürdiger Weise untreu geworden sein. Durch eine Reihe glän¬
zender Siege und kühne, selbst ans fremde Weltteile seine Herrschaft ausdehnende
Unternehmungen soll es bewiesen haben, daß es nicht nur zu denken, sondern
auch zu handeln verstehe. Besonders im Auslande wird man nicht müde, über


dunkel und seine Ausleger

Der Band schließt mit einem Briefe Johann Georgs vom .'N.Dezember
t7U9 („Sonst gehts in der Schweiz so, daß es besser ist, ganz davon zu
schweigen. Sie ist hin!") und der Antwort ans Wien vom elften Tage des
folgenden Jahres, die zeigt, welche Stimmung dort geherrscht hat. Alls die
Bemerkung, daß die Armee des Erzherzogs beträchtlicher Verstärkung bedürfen
werde, wenn wirklich Bonaparte die Rheinarmee persönlich befehligen wolle,
folgt die geringschätzige Entgegnung: „Es scheint, der gegen schlechte Generale
gewaltige Held, stolzierend auf das einige halbwelke Lorbeerblättchen, das er
von Abukir noch znriickznbringen vermocht, will noch einmal versuchen, was
Trug und Kunst vermögen. . . . Übrigens halte ich mich fest überzeugt,
daß auch der Corse ans des H. Ludwigs Throne sich nicht behaupten wird;
das gegenwärtige Machwerk hat alle Partheyen wider sich .... Die Finster¬
niß, das Revolutionsreich, stemmt sich mit den letzten Kräften wider alle
Rükkehr des alten Gluks." Ein Jahr später hatten die Franzosen den ganzen
Rhein, Baiern, Tirol, das Etschland, die Lombardei.




Hamlet und seine Ausleger
v walt her Ribl'cet on

s ist noch gar nicht so la
nge her, daß man in Hamlet, dem
Dänen, die bewußte oder unbewußte Persiflage des deutschen
Volkes zu erkennen glaubte. Beide seien von der Natur mit
glänzenden Gaben des Körpers und der Seele ausgestattet, beide
Meister im Denken und Philosophiren, im kritischen Beurteilen
der Dinge und Menschen, wie im ästhetischen Genießen des Schönen, aber
beiden lahme der reflektirende Zug ihres Wesens, vermöge dessen ihnen stets
ebensoviel Gründe gegen eine Sache wie für die Sache zu sprechen schienen,
jede Fähigkeit zum Handeln und lasse sie hinter andern, weniger begabten,
aber nicht so von des Gedankens Blässe angekränkelten Naturen zurückbleiben.

Das deutsche Volk soll nun diesem seinem ungebornen Charakter seit einiger
Zeit in merkwürdiger Weise untreu geworden sein. Durch eine Reihe glän¬
zender Siege und kühne, selbst ans fremde Weltteile seine Herrschaft ausdehnende
Unternehmungen soll es bewiesen haben, daß es nicht nur zu denken, sondern
auch zu handeln verstehe. Besonders im Auslande wird man nicht müde, über


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[0575] dunkel und seine Ausleger Der Band schließt mit einem Briefe Johann Georgs vom .'N.Dezember t7U9 („Sonst gehts in der Schweiz so, daß es besser ist, ganz davon zu schweigen. Sie ist hin!") und der Antwort ans Wien vom elften Tage des folgenden Jahres, die zeigt, welche Stimmung dort geherrscht hat. Alls die Bemerkung, daß die Armee des Erzherzogs beträchtlicher Verstärkung bedürfen werde, wenn wirklich Bonaparte die Rheinarmee persönlich befehligen wolle, folgt die geringschätzige Entgegnung: „Es scheint, der gegen schlechte Generale gewaltige Held, stolzierend auf das einige halbwelke Lorbeerblättchen, das er von Abukir noch znriickznbringen vermocht, will noch einmal versuchen, was Trug und Kunst vermögen. . . . Übrigens halte ich mich fest überzeugt, daß auch der Corse ans des H. Ludwigs Throne sich nicht behaupten wird; das gegenwärtige Machwerk hat alle Partheyen wider sich .... Die Finster¬ niß, das Revolutionsreich, stemmt sich mit den letzten Kräften wider alle Rükkehr des alten Gluks." Ein Jahr später hatten die Franzosen den ganzen Rhein, Baiern, Tirol, das Etschland, die Lombardei. Hamlet und seine Ausleger v walt her Ribl'cet on s ist noch gar nicht so la nge her, daß man in Hamlet, dem Dänen, die bewußte oder unbewußte Persiflage des deutschen Volkes zu erkennen glaubte. Beide seien von der Natur mit glänzenden Gaben des Körpers und der Seele ausgestattet, beide Meister im Denken und Philosophiren, im kritischen Beurteilen der Dinge und Menschen, wie im ästhetischen Genießen des Schönen, aber beiden lahme der reflektirende Zug ihres Wesens, vermöge dessen ihnen stets ebensoviel Gründe gegen eine Sache wie für die Sache zu sprechen schienen, jede Fähigkeit zum Handeln und lasse sie hinter andern, weniger begabten, aber nicht so von des Gedankens Blässe angekränkelten Naturen zurückbleiben. Das deutsche Volk soll nun diesem seinem ungebornen Charakter seit einiger Zeit in merkwürdiger Weise untreu geworden sein. Durch eine Reihe glän¬ zender Siege und kühne, selbst ans fremde Weltteile seine Herrschaft ausdehnende Unternehmungen soll es bewiesen haben, daß es nicht nur zu denken, sondern auch zu handeln verstehe. Besonders im Auslande wird man nicht müde, über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/575>, abgerufen am 24.07.2024.