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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die internationale Annstausstellung in Berlin

als sie keine Eliteansstellnng veranstalteten, sondern in einer den Umständen
entsprechenden Beschränkung mit wenige" Ausnahmen nur das boten, was
eine Jnhresansstelluug der Akademie zu bieten pflegt, die künstlerische Pro¬
duktiv" eines Jahres. Und dasselbe gilt von Düsseldorf, München, Karlsruhe,
Stuttgart, Dresden, Weimar u. s. w. Eine auserlesene Zahl deutscher Kunst¬
werke, die bei weitem mehr geeignet wäre, die wirkliche Höhe deutscher Kunst
zu kennzeichnen, ist gegenwärtig ans der deutschen Ausstellung in London zu
sehen. Dagegen enthalten die Abteilungen der fremden Nationen in Berlin
durchweg Eliteansstellungen, die teils durch Behörden und Komitees in der
Heimat, teils durch deutsche Abgeordnete mit Unterstützung der Fürsten und
Regierungen zusammengebracht worden sind. Damit Künstler wie Menzel und
Knauf, deren Namen in der Schätzung deutscher Kunst durch das Ausland
gegenwärtig am höchsten stehen, auf der Ausstellung wenigstens vertreten sind,
hat man sich genötigt gesehen, auf Arbeiten zurückzugreifen, die vielleicht nur
deshalb gewählt worden sind, weil sie gerade zu haben waren, die aber keines¬
wegs den Höhepunkt des Schaffens der beiden Meister bezeichnen. Von Menzel
ist u. a. der Gottesdienst in der Buchenhalle bei Kosen (1868) und das Ball¬
souper (1878), vou Kultus die Beratung der Hauensteiner Bauern (1872)
ausgestellt. Wenn die Jury noch strenger vorgegangen wäre und noch ein
Paar Dutzend von Reklamebildnissen hinausgewiesen hätte, würde sie ein paar
Kabinette gewonnen haben, in denen sie dnrch auserlesene Werke von Menzel,
Knauf, Gentz, A. und O. Ueberhand, Vautier u. a. dem Auslande eine weit
höhere Meinung von der deutschen Malerei Hütte beibringen können, als es
jetzt möglich ist.

Ein zweiter Umstand, der zum Nachteil der deutsche" Malerei ius Gewicht
fällt, ist der, daß ihre beste", ihre gedankenreichsten und schwnngvollsten
Schöpfungen aus dem letzten Jahrzehnt auf dem Gebiete der monumentalen
und dekorativen Malerei liegen. Man muß in die Museen, in die Ministerien,
in die Regierungs- und Gerichtsgebünde, in die Rathäuser, in das Berliner
Zeughaus, in die höher" Lehranstalten gehen, um zu sehen, welchen Auf¬
schwung die Malerei große" Stils nach de" Ereignisse" vou 1870 und 1871
genommen hat. Von dieser großen Zahl von Arbeiten hat die Ausstellung
uur wenig aufzuweisen, weil sie meist auf die Wände gemalt sind und die
Kommission von der Ausstellung von Kartons und ähnlichen Vorarbeite"
Abstand genommen zu haben scheint, mit vollen: Recht, weil diese Hilfsmittel
doch keinen richtigen Begriff von den in Farben ausgeführte" Werken geben können.
Daraus erklärt sich, daß Maler wie Geselschap, Janssen, Bleibtreu, Scheureu¬
berg, Wislieenns, E. und F. Roeber, Carl Gehrts, Henna"" Prell u. a.
entweder gar nicht oder nur durch solche Proben ihrer Kunst vertreten sind,
die nicht de" volle" Umfang ihrer Fähigkeit zeigen. Eine der wenigen Aus¬
nahmen bildet die Darstellung des Besuchs Friedrichs des Große" bei den


Die internationale Annstausstellung in Berlin

als sie keine Eliteansstellnng veranstalteten, sondern in einer den Umständen
entsprechenden Beschränkung mit wenige» Ausnahmen nur das boten, was
eine Jnhresansstelluug der Akademie zu bieten pflegt, die künstlerische Pro¬
duktiv» eines Jahres. Und dasselbe gilt von Düsseldorf, München, Karlsruhe,
Stuttgart, Dresden, Weimar u. s. w. Eine auserlesene Zahl deutscher Kunst¬
werke, die bei weitem mehr geeignet wäre, die wirkliche Höhe deutscher Kunst
zu kennzeichnen, ist gegenwärtig ans der deutschen Ausstellung in London zu
sehen. Dagegen enthalten die Abteilungen der fremden Nationen in Berlin
durchweg Eliteansstellungen, die teils durch Behörden und Komitees in der
Heimat, teils durch deutsche Abgeordnete mit Unterstützung der Fürsten und
Regierungen zusammengebracht worden sind. Damit Künstler wie Menzel und
Knauf, deren Namen in der Schätzung deutscher Kunst durch das Ausland
gegenwärtig am höchsten stehen, auf der Ausstellung wenigstens vertreten sind,
hat man sich genötigt gesehen, auf Arbeiten zurückzugreifen, die vielleicht nur
deshalb gewählt worden sind, weil sie gerade zu haben waren, die aber keines¬
wegs den Höhepunkt des Schaffens der beiden Meister bezeichnen. Von Menzel
ist u. a. der Gottesdienst in der Buchenhalle bei Kosen (1868) und das Ball¬
souper (1878), vou Kultus die Beratung der Hauensteiner Bauern (1872)
ausgestellt. Wenn die Jury noch strenger vorgegangen wäre und noch ein
Paar Dutzend von Reklamebildnissen hinausgewiesen hätte, würde sie ein paar
Kabinette gewonnen haben, in denen sie dnrch auserlesene Werke von Menzel,
Knauf, Gentz, A. und O. Ueberhand, Vautier u. a. dem Auslande eine weit
höhere Meinung von der deutschen Malerei Hütte beibringen können, als es
jetzt möglich ist.

Ein zweiter Umstand, der zum Nachteil der deutsche» Malerei ius Gewicht
fällt, ist der, daß ihre beste», ihre gedankenreichsten und schwnngvollsten
Schöpfungen aus dem letzten Jahrzehnt auf dem Gebiete der monumentalen
und dekorativen Malerei liegen. Man muß in die Museen, in die Ministerien,
in die Regierungs- und Gerichtsgebünde, in die Rathäuser, in das Berliner
Zeughaus, in die höher» Lehranstalten gehen, um zu sehen, welchen Auf¬
schwung die Malerei große» Stils nach de» Ereignisse» vou 1870 und 1871
genommen hat. Von dieser großen Zahl von Arbeiten hat die Ausstellung
uur wenig aufzuweisen, weil sie meist auf die Wände gemalt sind und die
Kommission von der Ausstellung von Kartons und ähnlichen Vorarbeite»
Abstand genommen zu haben scheint, mit vollen: Recht, weil diese Hilfsmittel
doch keinen richtigen Begriff von den in Farben ausgeführte» Werken geben können.
Daraus erklärt sich, daß Maler wie Geselschap, Janssen, Bleibtreu, Scheureu¬
berg, Wislieenns, E. und F. Roeber, Carl Gehrts, Henna»» Prell u. a.
entweder gar nicht oder nur durch solche Proben ihrer Kunst vertreten sind,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/535>, abgerufen am 29.06.2024.