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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die Lage Deutschlands in Afrika

Küste erwächst. Es liegt hier eine Veränderung unsrer bisherigen kolonial¬
politischen Ziele vor. Wir thun, was in Hunderte" von Jahren an diesem
Teil der Küste gar kein europäischer Staat gethan hat. Wir verändern ge¬
waltsam die Handelsgewohnheiten in dieser Gegend, wir übernehmen ans
diese Weise eine sehr starke Verantwortlichkeit, und diese Verantwortlichkeit
zu tragen, dazu erklären sich meine politischen Freunde und ich nicht bereit."
Dr. v. Bar aber meinte: "Wenn die Duallas, ohne Sonveränitntsrechte ab¬
getreten zu haben, in dem Lande sitzen, so haben sie einfach deshalb das
Recht, in dein Lande zu thun, was ihnen beliebt." Zum Glück giebt es noch
vo^ol, "^"Pm, ungeschriebene Gesetze, die über dem Sonveränitätsrecht bar¬
barischer Nationen stehen, und diese ungeschriebenen Gesetze heißen uns den
Sklavenhandel brechen, den Nanbhandel unmöglich machen, Menschenfresser
vernichten und allem entgegentreten, was dem höhern Menschheitsgesetze wider¬
spricht. Oder hält der Abgeordnete v. Bar auch die Menschenfresserei für ein
Souverüuitätsrecht, das wir heilig zu halten haben? Wenn er konsequent ist,
müßte er das thun; wenn er es nicht thun will, würde es ihm schwer fallen,
den grundsätzlichen Unterschied zu behaupten, der ihn nötigt, hier zu bejahen
und dort zu verneinen. Aber zu solchen Jnkonsequenzen müssen unsre Doktrinäre
schließlich gelangen. Ein Glück, daß trotz ihrer Hartnäckigkeit der Reichstag
über ihre Köpfe hinweg seine Beschlüsse ausführen kann.

Wir kommen nun, da von Togo nicht viel zu sagen ist. auf das Schmerzens¬
kind unsrer Kolonialpolitik, ans Südwestnfrika.

Bekanntlich ist in den letzten Monaten mehrmals das Gerücht in Umlauf
gesetzt worden, Deutschland beabsichtige, seine südwestafrilanische Kolonie zu
verkaufen. Wir brauchen wohl nicht zu sagen, daß unsre Regierung diesen
Gedanken nie gehabt hat, daß er nur zeigt, wohin die Wünsche unsrer deutsch-
freisinnigen Kolonialmächte gehen. Wohl aber ist es begreiflich, wenn nach
den kalten Äußerungen unsrer Negierung während der Kolonialdebatte im
Januar des Jahres vielfach die Vorstellung Boden gewann, daß man nicht
gesonnen sei, mit rechtem Ernst an die Regelung der schwierigen südwest-
afrikanischen Verhältnisse sinuum treten. Man empfand es wie einen Schimpf,
daß unsre Schutztruppe Gewehr beim Fuß den Räubereien eines Hendrik
Witboy gegenüber eine wenig rühmliche Neutralität behauptete, und wollte nicht
einsehen, daß, so lange nicht mit größern Mitteln aufgetreten würde, ein offner
Bruch mit dem kühnen und verschlagenen Häuptling allerdings sehr übel an¬
gebracht gewesen wäre. Damara und Namaqnaland blieben trotz ihres der
europäischen Kolonisation günstigen Klimas die Stiefkinder, und das Glück
und Geschick, womit sowohl Dr. Göring als Hauptmann von Franyvis auf
diesem Boden gearbeitet haben, vermochten ebenso wenig eine Wandlung herbei¬
zuführen, wie die Aufforderungen, die eine systematische Besiedelung des Landes
Vonseiten der Kolonialgesellschaft anregten.


Die Lage Deutschlands in Afrika

Küste erwächst. Es liegt hier eine Veränderung unsrer bisherigen kolonial¬
politischen Ziele vor. Wir thun, was in Hunderte» von Jahren an diesem
Teil der Küste gar kein europäischer Staat gethan hat. Wir verändern ge¬
waltsam die Handelsgewohnheiten in dieser Gegend, wir übernehmen ans
diese Weise eine sehr starke Verantwortlichkeit, und diese Verantwortlichkeit
zu tragen, dazu erklären sich meine politischen Freunde und ich nicht bereit."
Dr. v. Bar aber meinte: „Wenn die Duallas, ohne Sonveränitntsrechte ab¬
getreten zu haben, in dem Lande sitzen, so haben sie einfach deshalb das
Recht, in dein Lande zu thun, was ihnen beliebt." Zum Glück giebt es noch
vo^ol, «^«Pm, ungeschriebene Gesetze, die über dem Sonveränitätsrecht bar¬
barischer Nationen stehen, und diese ungeschriebenen Gesetze heißen uns den
Sklavenhandel brechen, den Nanbhandel unmöglich machen, Menschenfresser
vernichten und allem entgegentreten, was dem höhern Menschheitsgesetze wider¬
spricht. Oder hält der Abgeordnete v. Bar auch die Menschenfresserei für ein
Souverüuitätsrecht, das wir heilig zu halten haben? Wenn er konsequent ist,
müßte er das thun; wenn er es nicht thun will, würde es ihm schwer fallen,
den grundsätzlichen Unterschied zu behaupten, der ihn nötigt, hier zu bejahen
und dort zu verneinen. Aber zu solchen Jnkonsequenzen müssen unsre Doktrinäre
schließlich gelangen. Ein Glück, daß trotz ihrer Hartnäckigkeit der Reichstag
über ihre Köpfe hinweg seine Beschlüsse ausführen kann.

Wir kommen nun, da von Togo nicht viel zu sagen ist. auf das Schmerzens¬
kind unsrer Kolonialpolitik, ans Südwestnfrika.

Bekanntlich ist in den letzten Monaten mehrmals das Gerücht in Umlauf
gesetzt worden, Deutschland beabsichtige, seine südwestafrilanische Kolonie zu
verkaufen. Wir brauchen wohl nicht zu sagen, daß unsre Regierung diesen
Gedanken nie gehabt hat, daß er nur zeigt, wohin die Wünsche unsrer deutsch-
freisinnigen Kolonialmächte gehen. Wohl aber ist es begreiflich, wenn nach
den kalten Äußerungen unsrer Negierung während der Kolonialdebatte im
Januar des Jahres vielfach die Vorstellung Boden gewann, daß man nicht
gesonnen sei, mit rechtem Ernst an die Regelung der schwierigen südwest-
afrikanischen Verhältnisse sinuum treten. Man empfand es wie einen Schimpf,
daß unsre Schutztruppe Gewehr beim Fuß den Räubereien eines Hendrik
Witboy gegenüber eine wenig rühmliche Neutralität behauptete, und wollte nicht
einsehen, daß, so lange nicht mit größern Mitteln aufgetreten würde, ein offner
Bruch mit dem kühnen und verschlagenen Häuptling allerdings sehr übel an¬
gebracht gewesen wäre. Damara und Namaqnaland blieben trotz ihres der
europäischen Kolonisation günstigen Klimas die Stiefkinder, und das Glück
und Geschick, womit sowohl Dr. Göring als Hauptmann von Franyvis auf
diesem Boden gearbeitet haben, vermochten ebenso wenig eine Wandlung herbei¬
zuführen, wie die Aufforderungen, die eine systematische Besiedelung des Landes
Vonseiten der Kolonialgesellschaft anregten.


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[0464] Die Lage Deutschlands in Afrika Küste erwächst. Es liegt hier eine Veränderung unsrer bisherigen kolonial¬ politischen Ziele vor. Wir thun, was in Hunderte» von Jahren an diesem Teil der Küste gar kein europäischer Staat gethan hat. Wir verändern ge¬ waltsam die Handelsgewohnheiten in dieser Gegend, wir übernehmen ans diese Weise eine sehr starke Verantwortlichkeit, und diese Verantwortlichkeit zu tragen, dazu erklären sich meine politischen Freunde und ich nicht bereit." Dr. v. Bar aber meinte: „Wenn die Duallas, ohne Sonveränitntsrechte ab¬ getreten zu haben, in dem Lande sitzen, so haben sie einfach deshalb das Recht, in dein Lande zu thun, was ihnen beliebt." Zum Glück giebt es noch vo^ol, «^«Pm, ungeschriebene Gesetze, die über dem Sonveränitätsrecht bar¬ barischer Nationen stehen, und diese ungeschriebenen Gesetze heißen uns den Sklavenhandel brechen, den Nanbhandel unmöglich machen, Menschenfresser vernichten und allem entgegentreten, was dem höhern Menschheitsgesetze wider¬ spricht. Oder hält der Abgeordnete v. Bar auch die Menschenfresserei für ein Souverüuitätsrecht, das wir heilig zu halten haben? Wenn er konsequent ist, müßte er das thun; wenn er es nicht thun will, würde es ihm schwer fallen, den grundsätzlichen Unterschied zu behaupten, der ihn nötigt, hier zu bejahen und dort zu verneinen. Aber zu solchen Jnkonsequenzen müssen unsre Doktrinäre schließlich gelangen. Ein Glück, daß trotz ihrer Hartnäckigkeit der Reichstag über ihre Köpfe hinweg seine Beschlüsse ausführen kann. Wir kommen nun, da von Togo nicht viel zu sagen ist. auf das Schmerzens¬ kind unsrer Kolonialpolitik, ans Südwestnfrika. Bekanntlich ist in den letzten Monaten mehrmals das Gerücht in Umlauf gesetzt worden, Deutschland beabsichtige, seine südwestafrilanische Kolonie zu verkaufen. Wir brauchen wohl nicht zu sagen, daß unsre Regierung diesen Gedanken nie gehabt hat, daß er nur zeigt, wohin die Wünsche unsrer deutsch- freisinnigen Kolonialmächte gehen. Wohl aber ist es begreiflich, wenn nach den kalten Äußerungen unsrer Negierung während der Kolonialdebatte im Januar des Jahres vielfach die Vorstellung Boden gewann, daß man nicht gesonnen sei, mit rechtem Ernst an die Regelung der schwierigen südwest- afrikanischen Verhältnisse sinuum treten. Man empfand es wie einen Schimpf, daß unsre Schutztruppe Gewehr beim Fuß den Räubereien eines Hendrik Witboy gegenüber eine wenig rühmliche Neutralität behauptete, und wollte nicht einsehen, daß, so lange nicht mit größern Mitteln aufgetreten würde, ein offner Bruch mit dem kühnen und verschlagenen Häuptling allerdings sehr übel an¬ gebracht gewesen wäre. Damara und Namaqnaland blieben trotz ihres der europäischen Kolonisation günstigen Klimas die Stiefkinder, und das Glück und Geschick, womit sowohl Dr. Göring als Hauptmann von Franyvis auf diesem Boden gearbeitet haben, vermochten ebenso wenig eine Wandlung herbei¬ zuführen, wie die Aufforderungen, die eine systematische Besiedelung des Landes Vonseiten der Kolonialgesellschaft anregten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/464>, abgerufen am 24.07.2024.