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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Florenz und die Ainhe

kam es 1375) znur Kriege. Verdächtige Priester wurden zu Tode gemartert.
Eine neue Behörde wurde eingesetzt, die OUu av' xroti, die Achtherren gegen
die Priester, die durch Besteuerung und Vrandschntzung des Klerus die Kriegs¬
kosten aufzubringen hatte. Eine neue Reihe von Gesetzen wurde gegen die
Kleriker erlassen. "In Anbetracht der abscheulichen Gewaltthaten -- heißt es
in einem --, die die Verwandten der Bischöfe von Fiesole und Florenz verübt
haben, darf kein Florentiner, selbst wenn er unehelicher Geburt wäre, eines
dieser beiden Bistümer annehmen, bei Strafe, unter die Magnaten versetzt
zu werden." (Durch die Ernennung zum Magnaten ging der Bürger seiner
bürgerlichen Rechte verlustig; wollte man einen Magnaten strafen, so ernannte
man ihn zum Obermaguaten.) Wer behaupte, dieses Verbot widerstreite der
Freiheit der Kirche, der habe 1000 Gvldfioren Strafe zu zahlen. Die Leitung
des Krieges wurde einer besonders hierfür ernannten Behörde, den Acht Kriegs¬
herren (Otto äöUti g'uvriÄ) übertragen, denen die Popularität des Krieges deu
Namen der Acht Heiligen und ein in der florentinischen Geschichte beispiel¬
loses Vertrauen eintrug. Denn während mau sonst Staatsümter, die von
Einheimischen verwaltet wurden, immer mir auf zwei Monate verlieh (Podefta
und Cnpitcmo, die auf ein Jahr gewählt wurden, waren Auswärtige), ließ
das Volk die Acht Heiligen drei ganze Jahre im Amte. Sendboten der
Florentiner wiegelten fast alle Städte des Kirchenstaates ans.

Der Papst machte den kühnen Freiheitskämpfern deu Prozeß. Das Ur¬
teil wurde in der durch Gregvrovius allgemein bekannt gewordnen Bulle aus-
gesprochen, die die Florentiner für vogelfrei erklärt; jedermann dürfe sie ihrer
Habe berauben und zu Sklaven machen, ihre Schuldner seien nicht verpflichtet,
etwas zu bezahlen. (Weniger bekannt ist, daß die 63 Jahre vorher von
Kaiser Heinrich VII. gegen sämtliche welfische Städte erlassenen Achtbriefe fast
denselben Wortlaut haben.) Am 31. Mürz 1370 wurde die Bulle von der Kurie
zu Avignon verlesen. Einem der Beisitzer wurde bei Beginn der Verlesung
übel, und er fiel um. Da rief Donato Barbadori, einer der Florentiner
Oratvren, dem Papste zu: "Mein Herr, eure Hofleute fallen schon in Ohn¬
macht, ehe das ungerechte Urteil verlesen worden ist, was wird erst nachher
geschehen? Im Namen des Himmels, laßt dieses ungerechte Urteil nicht ver¬
kündigen!" Der Papst war wütend, aber Barbadori ließ sich nicht zum
Schweigen bringen, sondern redete noch längere Zeit begeistert fort. Zum
Schluß appellirte er an Christus, deu höchsten Richter. Die Oratoren machten
einen Notar von Avignon ausfindig, der mutig genug war, einen Protest auf-
zusetzen. Der Mann mußte nach Florenz flüchten und erhielt dort das Bürger¬
recht. Die Florentiner waren weit entfernt davon, sich zu beugen. Sie
brachen in Verwünschungen gegen den Papst ans, verhängten neue Straf¬
gesetze über den Klerus und knüpften Verbindungen bis nach Polen hin an.
Dn die Priester das Interdikt beobachteten und ihre Verrichtungen einstellten,


Florenz und die Ainhe

kam es 1375) znur Kriege. Verdächtige Priester wurden zu Tode gemartert.
Eine neue Behörde wurde eingesetzt, die OUu av' xroti, die Achtherren gegen
die Priester, die durch Besteuerung und Vrandschntzung des Klerus die Kriegs¬
kosten aufzubringen hatte. Eine neue Reihe von Gesetzen wurde gegen die
Kleriker erlassen. „In Anbetracht der abscheulichen Gewaltthaten — heißt es
in einem —, die die Verwandten der Bischöfe von Fiesole und Florenz verübt
haben, darf kein Florentiner, selbst wenn er unehelicher Geburt wäre, eines
dieser beiden Bistümer annehmen, bei Strafe, unter die Magnaten versetzt
zu werden." (Durch die Ernennung zum Magnaten ging der Bürger seiner
bürgerlichen Rechte verlustig; wollte man einen Magnaten strafen, so ernannte
man ihn zum Obermaguaten.) Wer behaupte, dieses Verbot widerstreite der
Freiheit der Kirche, der habe 1000 Gvldfioren Strafe zu zahlen. Die Leitung
des Krieges wurde einer besonders hierfür ernannten Behörde, den Acht Kriegs¬
herren (Otto äöUti g'uvriÄ) übertragen, denen die Popularität des Krieges deu
Namen der Acht Heiligen und ein in der florentinischen Geschichte beispiel¬
loses Vertrauen eintrug. Denn während mau sonst Staatsümter, die von
Einheimischen verwaltet wurden, immer mir auf zwei Monate verlieh (Podefta
und Cnpitcmo, die auf ein Jahr gewählt wurden, waren Auswärtige), ließ
das Volk die Acht Heiligen drei ganze Jahre im Amte. Sendboten der
Florentiner wiegelten fast alle Städte des Kirchenstaates ans.

Der Papst machte den kühnen Freiheitskämpfern deu Prozeß. Das Ur¬
teil wurde in der durch Gregvrovius allgemein bekannt gewordnen Bulle aus-
gesprochen, die die Florentiner für vogelfrei erklärt; jedermann dürfe sie ihrer
Habe berauben und zu Sklaven machen, ihre Schuldner seien nicht verpflichtet,
etwas zu bezahlen. (Weniger bekannt ist, daß die 63 Jahre vorher von
Kaiser Heinrich VII. gegen sämtliche welfische Städte erlassenen Achtbriefe fast
denselben Wortlaut haben.) Am 31. Mürz 1370 wurde die Bulle von der Kurie
zu Avignon verlesen. Einem der Beisitzer wurde bei Beginn der Verlesung
übel, und er fiel um. Da rief Donato Barbadori, einer der Florentiner
Oratvren, dem Papste zu: „Mein Herr, eure Hofleute fallen schon in Ohn¬
macht, ehe das ungerechte Urteil verlesen worden ist, was wird erst nachher
geschehen? Im Namen des Himmels, laßt dieses ungerechte Urteil nicht ver¬
kündigen!" Der Papst war wütend, aber Barbadori ließ sich nicht zum
Schweigen bringen, sondern redete noch längere Zeit begeistert fort. Zum
Schluß appellirte er an Christus, deu höchsten Richter. Die Oratoren machten
einen Notar von Avignon ausfindig, der mutig genug war, einen Protest auf-
zusetzen. Der Mann mußte nach Florenz flüchten und erhielt dort das Bürger¬
recht. Die Florentiner waren weit entfernt davon, sich zu beugen. Sie
brachen in Verwünschungen gegen den Papst ans, verhängten neue Straf¬
gesetze über den Klerus und knüpften Verbindungen bis nach Polen hin an.
Dn die Priester das Interdikt beobachteten und ihre Verrichtungen einstellten,


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[0431] Florenz und die Ainhe kam es 1375) znur Kriege. Verdächtige Priester wurden zu Tode gemartert. Eine neue Behörde wurde eingesetzt, die OUu av' xroti, die Achtherren gegen die Priester, die durch Besteuerung und Vrandschntzung des Klerus die Kriegs¬ kosten aufzubringen hatte. Eine neue Reihe von Gesetzen wurde gegen die Kleriker erlassen. „In Anbetracht der abscheulichen Gewaltthaten — heißt es in einem —, die die Verwandten der Bischöfe von Fiesole und Florenz verübt haben, darf kein Florentiner, selbst wenn er unehelicher Geburt wäre, eines dieser beiden Bistümer annehmen, bei Strafe, unter die Magnaten versetzt zu werden." (Durch die Ernennung zum Magnaten ging der Bürger seiner bürgerlichen Rechte verlustig; wollte man einen Magnaten strafen, so ernannte man ihn zum Obermaguaten.) Wer behaupte, dieses Verbot widerstreite der Freiheit der Kirche, der habe 1000 Gvldfioren Strafe zu zahlen. Die Leitung des Krieges wurde einer besonders hierfür ernannten Behörde, den Acht Kriegs¬ herren (Otto äöUti g'uvriÄ) übertragen, denen die Popularität des Krieges deu Namen der Acht Heiligen und ein in der florentinischen Geschichte beispiel¬ loses Vertrauen eintrug. Denn während mau sonst Staatsümter, die von Einheimischen verwaltet wurden, immer mir auf zwei Monate verlieh (Podefta und Cnpitcmo, die auf ein Jahr gewählt wurden, waren Auswärtige), ließ das Volk die Acht Heiligen drei ganze Jahre im Amte. Sendboten der Florentiner wiegelten fast alle Städte des Kirchenstaates ans. Der Papst machte den kühnen Freiheitskämpfern deu Prozeß. Das Ur¬ teil wurde in der durch Gregvrovius allgemein bekannt gewordnen Bulle aus- gesprochen, die die Florentiner für vogelfrei erklärt; jedermann dürfe sie ihrer Habe berauben und zu Sklaven machen, ihre Schuldner seien nicht verpflichtet, etwas zu bezahlen. (Weniger bekannt ist, daß die 63 Jahre vorher von Kaiser Heinrich VII. gegen sämtliche welfische Städte erlassenen Achtbriefe fast denselben Wortlaut haben.) Am 31. Mürz 1370 wurde die Bulle von der Kurie zu Avignon verlesen. Einem der Beisitzer wurde bei Beginn der Verlesung übel, und er fiel um. Da rief Donato Barbadori, einer der Florentiner Oratvren, dem Papste zu: „Mein Herr, eure Hofleute fallen schon in Ohn¬ macht, ehe das ungerechte Urteil verlesen worden ist, was wird erst nachher geschehen? Im Namen des Himmels, laßt dieses ungerechte Urteil nicht ver¬ kündigen!" Der Papst war wütend, aber Barbadori ließ sich nicht zum Schweigen bringen, sondern redete noch längere Zeit begeistert fort. Zum Schluß appellirte er an Christus, deu höchsten Richter. Die Oratoren machten einen Notar von Avignon ausfindig, der mutig genug war, einen Protest auf- zusetzen. Der Mann mußte nach Florenz flüchten und erhielt dort das Bürger¬ recht. Die Florentiner waren weit entfernt davon, sich zu beugen. Sie brachen in Verwünschungen gegen den Papst ans, verhängten neue Straf¬ gesetze über den Klerus und knüpften Verbindungen bis nach Polen hin an. Dn die Priester das Interdikt beobachteten und ihre Verrichtungen einstellten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/431>, abgerufen am 24.07.2024.