Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Schumann seit 1839 persönlich kannte, berichtet in seinen "Briefen an eine
Ungenannte" dasselbe (S. 85 u. f.). Auch Herr Professor Eduard Franck,
der 1836 und 1837 in Leipzig lebte, äußerte sich in einem Briefe vom
13. Dezember 1890 über Schumanns ungewöhnliche Einsilbigkeit mit dem
Hinzufügen: "Ich erinnere mich aber, daß ich ihn doch einmal bei Gelegenheit
eines Besuches, den ich ihm machte, ausnahmsweise gesprächig und anleitend
fand, und daß seine Äußerungen, sowie der liebenswürdige Ausdruck seiner
Gesichtszüge mich ganz für ihn einnahmen. . . . Einmal, als ich nach der
Mittagsmahlzeit mit ihn? spazieren ging und wir beide eine geraume Zeit kein
Wort mit einander gesprochen hatten, sagte er: "Es scheint Ihnen zu gehen
wie mir, ich mag beim Spaziergehen uicht sprechen," wobei er offenbar sich
uicht bewußt war, wie wenig er auch bei andern Gelegenheiten das Sprechen
liebte." Hirschbach sagt in einem Briefe vom 22. Mai 1884: "Schumann
war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigentüm¬
lichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der
liebste aller schaffenden Künstler, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl
ist groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Musiklehrer A. Schulz
in Dresden bemerkt in einem Briefe vom 2. Oktober 1882: "Alle meine
Beziehungen zu Schumann beschränken sich auf meine Mitgliedschaft zu dem
uuter seiner Leitung stehenden Chorgesangverein ^1848--1850^, und daß ich
zu den Wenigen zu gehören das Glück hatte, die er sich auserwählte, um mit
ihm nach den Gesangübnngeu uoch in irgend einer Restauration ein Stündchen
zu verbringen. Wir waren nur wenige (etwa drei bis vier) und meistens
dieselben. Denn er war in dieser Beziehung sehr exklusiv, fühlte sich auch
uuter vielen nicht wohl. So schweigsam er sich im letztern Falle verhielt,
so gemütlich und mitteilsam war er, wenn er mit wenigen, für die er Sym¬
pathie hatte, zusammen war. Freilich mußte ihn auch der Stoff des Ge¬
spräches interessiren, der dann vorwiegend musikalischen Inhalts war. Ich
erinnere mich, daß ich ein paarmal von den erwähnten Wenigen der einzige
im Verein anwesende war. Ich mußte ihn daher nach den Übungen allein
begleiten. Ich sah nicht ohne Besorgnis diesem Zusammensein entgegen, da
ich mir nicht zutraute, das Gespräch mit ihm aufrecht erhalten zu können.
Doch wider Erwarten ging es vortrefflich: wir sprachen über Musik und
Litteratur, namentlich Jean Paul, deu er besouders liebte, und mit dem er
mich bekannt gemacht hatte. Ich las denselben damals mit Begeisterung, und
so hatten wir Stoff genug. Er sagte mir, seine Begeisterung für Jean Paul
sei früher so groß gewesen, daß er sich im Schreiben dessen Stil angewöhnt
habe. Er sei mit deu Werken desselben in alle Häuser gelaufen, um den
Leuten daraus vorzulesen."

Bennetts Tagebuch berichtet unterm 14. Februar 1837: "Meine Ouver¬
türe ^Die Najaden) wurde gestern Abend mit gutem Beifall aufgenommen.


Schumann seit 1839 persönlich kannte, berichtet in seinen „Briefen an eine
Ungenannte" dasselbe (S. 85 u. f.). Auch Herr Professor Eduard Franck,
der 1836 und 1837 in Leipzig lebte, äußerte sich in einem Briefe vom
13. Dezember 1890 über Schumanns ungewöhnliche Einsilbigkeit mit dem
Hinzufügen: „Ich erinnere mich aber, daß ich ihn doch einmal bei Gelegenheit
eines Besuches, den ich ihm machte, ausnahmsweise gesprächig und anleitend
fand, und daß seine Äußerungen, sowie der liebenswürdige Ausdruck seiner
Gesichtszüge mich ganz für ihn einnahmen. . . . Einmal, als ich nach der
Mittagsmahlzeit mit ihn? spazieren ging und wir beide eine geraume Zeit kein
Wort mit einander gesprochen hatten, sagte er: »Es scheint Ihnen zu gehen
wie mir, ich mag beim Spaziergehen uicht sprechen,« wobei er offenbar sich
uicht bewußt war, wie wenig er auch bei andern Gelegenheiten das Sprechen
liebte." Hirschbach sagt in einem Briefe vom 22. Mai 1884: „Schumann
war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigentüm¬
lichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der
liebste aller schaffenden Künstler, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl
ist groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Musiklehrer A. Schulz
in Dresden bemerkt in einem Briefe vom 2. Oktober 1882: „Alle meine
Beziehungen zu Schumann beschränken sich auf meine Mitgliedschaft zu dem
uuter seiner Leitung stehenden Chorgesangverein ^1848—1850^, und daß ich
zu den Wenigen zu gehören das Glück hatte, die er sich auserwählte, um mit
ihm nach den Gesangübnngeu uoch in irgend einer Restauration ein Stündchen
zu verbringen. Wir waren nur wenige (etwa drei bis vier) und meistens
dieselben. Denn er war in dieser Beziehung sehr exklusiv, fühlte sich auch
uuter vielen nicht wohl. So schweigsam er sich im letztern Falle verhielt,
so gemütlich und mitteilsam war er, wenn er mit wenigen, für die er Sym¬
pathie hatte, zusammen war. Freilich mußte ihn auch der Stoff des Ge¬
spräches interessiren, der dann vorwiegend musikalischen Inhalts war. Ich
erinnere mich, daß ich ein paarmal von den erwähnten Wenigen der einzige
im Verein anwesende war. Ich mußte ihn daher nach den Übungen allein
begleiten. Ich sah nicht ohne Besorgnis diesem Zusammensein entgegen, da
ich mir nicht zutraute, das Gespräch mit ihm aufrecht erhalten zu können.
Doch wider Erwarten ging es vortrefflich: wir sprachen über Musik und
Litteratur, namentlich Jean Paul, deu er besouders liebte, und mit dem er
mich bekannt gemacht hatte. Ich las denselben damals mit Begeisterung, und
so hatten wir Stoff genug. Er sagte mir, seine Begeisterung für Jean Paul
sei früher so groß gewesen, daß er sich im Schreiben dessen Stil angewöhnt
habe. Er sei mit deu Werken desselben in alle Häuser gelaufen, um den
Leuten daraus vorzulesen."

Bennetts Tagebuch berichtet unterm 14. Februar 1837: „Meine Ouver¬
türe ^Die Najaden) wurde gestern Abend mit gutem Beifall aufgenommen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210209"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_948" prev="#ID_947"> Schumann seit 1839 persönlich kannte, berichtet in seinen &#x201E;Briefen an eine<lb/>
Ungenannte" dasselbe (S. 85 u. f.). Auch Herr Professor Eduard Franck,<lb/>
der 1836 und 1837 in Leipzig lebte, äußerte sich in einem Briefe vom<lb/>
13. Dezember 1890 über Schumanns ungewöhnliche Einsilbigkeit mit dem<lb/>
Hinzufügen: &#x201E;Ich erinnere mich aber, daß ich ihn doch einmal bei Gelegenheit<lb/>
eines Besuches, den ich ihm machte, ausnahmsweise gesprächig und anleitend<lb/>
fand, und daß seine Äußerungen, sowie der liebenswürdige Ausdruck seiner<lb/>
Gesichtszüge mich ganz für ihn einnahmen. . . . Einmal, als ich nach der<lb/>
Mittagsmahlzeit mit ihn? spazieren ging und wir beide eine geraume Zeit kein<lb/>
Wort mit einander gesprochen hatten, sagte er: »Es scheint Ihnen zu gehen<lb/>
wie mir, ich mag beim Spaziergehen uicht sprechen,« wobei er offenbar sich<lb/>
uicht bewußt war, wie wenig er auch bei andern Gelegenheiten das Sprechen<lb/>
liebte." Hirschbach sagt in einem Briefe vom 22. Mai 1884: &#x201E;Schumann<lb/>
war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigentüm¬<lb/>
lichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der<lb/>
liebste aller schaffenden Künstler, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl<lb/>
ist groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Musiklehrer A. Schulz<lb/>
in Dresden bemerkt in einem Briefe vom 2. Oktober 1882: &#x201E;Alle meine<lb/>
Beziehungen zu Schumann beschränken sich auf meine Mitgliedschaft zu dem<lb/>
uuter seiner Leitung stehenden Chorgesangverein ^1848&#x2014;1850^, und daß ich<lb/>
zu den Wenigen zu gehören das Glück hatte, die er sich auserwählte, um mit<lb/>
ihm nach den Gesangübnngeu uoch in irgend einer Restauration ein Stündchen<lb/>
zu verbringen. Wir waren nur wenige (etwa drei bis vier) und meistens<lb/>
dieselben. Denn er war in dieser Beziehung sehr exklusiv, fühlte sich auch<lb/>
uuter vielen nicht wohl. So schweigsam er sich im letztern Falle verhielt,<lb/>
so gemütlich und mitteilsam war er, wenn er mit wenigen, für die er Sym¬<lb/>
pathie hatte, zusammen war. Freilich mußte ihn auch der Stoff des Ge¬<lb/>
spräches interessiren, der dann vorwiegend musikalischen Inhalts war. Ich<lb/>
erinnere mich, daß ich ein paarmal von den erwähnten Wenigen der einzige<lb/>
im Verein anwesende war. Ich mußte ihn daher nach den Übungen allein<lb/>
begleiten. Ich sah nicht ohne Besorgnis diesem Zusammensein entgegen, da<lb/>
ich mir nicht zutraute, das Gespräch mit ihm aufrecht erhalten zu können.<lb/>
Doch wider Erwarten ging es vortrefflich: wir sprachen über Musik und<lb/>
Litteratur, namentlich Jean Paul, deu er besouders liebte, und mit dem er<lb/>
mich bekannt gemacht hatte. Ich las denselben damals mit Begeisterung, und<lb/>
so hatten wir Stoff genug. Er sagte mir, seine Begeisterung für Jean Paul<lb/>
sei früher so groß gewesen, daß er sich im Schreiben dessen Stil angewöhnt<lb/>
habe. Er sei mit deu Werken desselben in alle Häuser gelaufen, um den<lb/>
Leuten daraus vorzulesen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_949" next="#ID_950"> Bennetts Tagebuch berichtet unterm 14. Februar 1837: &#x201E;Meine Ouver¬<lb/>
türe ^Die Najaden) wurde gestern Abend mit gutem Beifall aufgenommen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] Schumann seit 1839 persönlich kannte, berichtet in seinen „Briefen an eine Ungenannte" dasselbe (S. 85 u. f.). Auch Herr Professor Eduard Franck, der 1836 und 1837 in Leipzig lebte, äußerte sich in einem Briefe vom 13. Dezember 1890 über Schumanns ungewöhnliche Einsilbigkeit mit dem Hinzufügen: „Ich erinnere mich aber, daß ich ihn doch einmal bei Gelegenheit eines Besuches, den ich ihm machte, ausnahmsweise gesprächig und anleitend fand, und daß seine Äußerungen, sowie der liebenswürdige Ausdruck seiner Gesichtszüge mich ganz für ihn einnahmen. . . . Einmal, als ich nach der Mittagsmahlzeit mit ihn? spazieren ging und wir beide eine geraume Zeit kein Wort mit einander gesprochen hatten, sagte er: »Es scheint Ihnen zu gehen wie mir, ich mag beim Spaziergehen uicht sprechen,« wobei er offenbar sich uicht bewußt war, wie wenig er auch bei andern Gelegenheiten das Sprechen liebte." Hirschbach sagt in einem Briefe vom 22. Mai 1884: „Schumann war ein braver Mensch, echter Künstler, ein Künstler von hoher Eigentüm¬ lichkeit. . . . Persönlich hatte ich ihn sehr gern; er war mir im Umgange der liebste aller schaffenden Künstler, die ich kennen gelernt habe, und deren Anzahl ist groß. Gegen mich war er auch nicht verschlossen." Musiklehrer A. Schulz in Dresden bemerkt in einem Briefe vom 2. Oktober 1882: „Alle meine Beziehungen zu Schumann beschränken sich auf meine Mitgliedschaft zu dem uuter seiner Leitung stehenden Chorgesangverein ^1848—1850^, und daß ich zu den Wenigen zu gehören das Glück hatte, die er sich auserwählte, um mit ihm nach den Gesangübnngeu uoch in irgend einer Restauration ein Stündchen zu verbringen. Wir waren nur wenige (etwa drei bis vier) und meistens dieselben. Denn er war in dieser Beziehung sehr exklusiv, fühlte sich auch uuter vielen nicht wohl. So schweigsam er sich im letztern Falle verhielt, so gemütlich und mitteilsam war er, wenn er mit wenigen, für die er Sym¬ pathie hatte, zusammen war. Freilich mußte ihn auch der Stoff des Ge¬ spräches interessiren, der dann vorwiegend musikalischen Inhalts war. Ich erinnere mich, daß ich ein paarmal von den erwähnten Wenigen der einzige im Verein anwesende war. Ich mußte ihn daher nach den Übungen allein begleiten. Ich sah nicht ohne Besorgnis diesem Zusammensein entgegen, da ich mir nicht zutraute, das Gespräch mit ihm aufrecht erhalten zu können. Doch wider Erwarten ging es vortrefflich: wir sprachen über Musik und Litteratur, namentlich Jean Paul, deu er besouders liebte, und mit dem er mich bekannt gemacht hatte. Ich las denselben damals mit Begeisterung, und so hatten wir Stoff genug. Er sagte mir, seine Begeisterung für Jean Paul sei früher so groß gewesen, daß er sich im Schreiben dessen Stil angewöhnt habe. Er sei mit deu Werken desselben in alle Häuser gelaufen, um den Leuten daraus vorzulesen." Bennetts Tagebuch berichtet unterm 14. Februar 1837: „Meine Ouver¬ türe ^Die Najaden) wurde gestern Abend mit gutem Beifall aufgenommen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/342>, abgerufen am 24.07.2024.