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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Franz Schuberts Tonwcisen waren es, die Schumann zuerst von ihren beredten
Lippen vernahm. Stunden und Tage verbrachte er am Klavier, um mit der
schwärmerisch von ihm verehrten Frau vierbändig zu spielen oder sie zu ihren
Liedern zu begleiten.

In dem Hause, das diese unvergleichlichen Genüsse darbot, war Schumann
schon längere Zeit heimisch. Es gehörte dem kunstsinnigen Oheim des Colditzer
Arztes, dem Geschäftsführer der großen Devrientschen Fabrik, Karl Erdmann
Carus. An den Namen dieses "würdigen Mannes" (so schrieb Schumann
später in seinem Nekrolog,"') "der bis zum letzten Hauch ein treuer Verehrer
der Kunst, ein warmer Freund der Künstler war," knüpften sich für ihn "die
teuersten Jugenderinnerungen."

"War es doch in seinem Hause, wo die Namen Mozart, Haydn, Beethoven
zu den täglich mit Begeisterung genannten gehörten, in seinem Hause, wo die
sonst in kleinen Städten gar nicht zu hörenden selteneren Werke dieser Meister,
vorzugsweise Quartette,*"') mir zuerst bekannt wurden, wo ich oft selbst am
Klavier mitwirken durfte, in dem den meisten vaterländischen Künstlern gar
wohlbekannten Carusschen Hause, wo alles Freude, Heiterkeit, Musik war."
Dies wird von andrer Seite bestätigt und namentlich hervorgehoben, daß
Carus mit richtigem und geübtem Blick oft bei jungen Leuten seiner Umgebung
die in ihnen schlummernden Talente entdeckt, sie darauf aufmerksam gemacht
und zu deren Ausbildung ermuntert habe.*""") Auch Schumann erfuhr solche
freundliche Aufmunterung, und es entsprach ganz seinem dankbaren Gemüt, daß
ihm der Name seines "väterlichen Freundes" zeitlebens "lieb und teuer" blieb.
Von seiner Anhänglichkeit zeugt ein Gedicht, das er 1838 an Carus sandte,
als dieser das Doppelfest seiner silbernen Hochzeit und der Verheiratung seiner
Tochter Josephine feierte. Es lautet:


Herrn und Madame Carus, Herrn und Madame Bamberger zur freundlichen Erinnerung.

Zum 24. August 1838.


Der einst in Eurem Kreise
Wie Kind divin Hause war,
Bringt heut' so innig wie leise
Euch seine Wünsche dar.
Ihr habt ihn gern gelitten,
Wenn er in kindischem Flug




*) Neue Zeitschrift 1843, Bd. XVIII, S. 27.
Carus selber beteiligte sich daran als Geiger.
***) So geschah es z. B. mit den Brüdern Karl und Emil Devrient, die anfänglich fiir
den Kaufmannsstand bestimmt und in der Fabrik ihres Zwickauer Oheims beschäftigt waren.

Franz Schuberts Tonwcisen waren es, die Schumann zuerst von ihren beredten
Lippen vernahm. Stunden und Tage verbrachte er am Klavier, um mit der
schwärmerisch von ihm verehrten Frau vierbändig zu spielen oder sie zu ihren
Liedern zu begleiten.

In dem Hause, das diese unvergleichlichen Genüsse darbot, war Schumann
schon längere Zeit heimisch. Es gehörte dem kunstsinnigen Oheim des Colditzer
Arztes, dem Geschäftsführer der großen Devrientschen Fabrik, Karl Erdmann
Carus. An den Namen dieses „würdigen Mannes" (so schrieb Schumann
später in seinem Nekrolog,"') „der bis zum letzten Hauch ein treuer Verehrer
der Kunst, ein warmer Freund der Künstler war," knüpften sich für ihn „die
teuersten Jugenderinnerungen."

„War es doch in seinem Hause, wo die Namen Mozart, Haydn, Beethoven
zu den täglich mit Begeisterung genannten gehörten, in seinem Hause, wo die
sonst in kleinen Städten gar nicht zu hörenden selteneren Werke dieser Meister,
vorzugsweise Quartette,*"') mir zuerst bekannt wurden, wo ich oft selbst am
Klavier mitwirken durfte, in dem den meisten vaterländischen Künstlern gar
wohlbekannten Carusschen Hause, wo alles Freude, Heiterkeit, Musik war."
Dies wird von andrer Seite bestätigt und namentlich hervorgehoben, daß
Carus mit richtigem und geübtem Blick oft bei jungen Leuten seiner Umgebung
die in ihnen schlummernden Talente entdeckt, sie darauf aufmerksam gemacht
und zu deren Ausbildung ermuntert habe.*""") Auch Schumann erfuhr solche
freundliche Aufmunterung, und es entsprach ganz seinem dankbaren Gemüt, daß
ihm der Name seines „väterlichen Freundes" zeitlebens „lieb und teuer" blieb.
Von seiner Anhänglichkeit zeugt ein Gedicht, das er 1838 an Carus sandte,
als dieser das Doppelfest seiner silbernen Hochzeit und der Verheiratung seiner
Tochter Josephine feierte. Es lautet:


Herrn und Madame Carus, Herrn und Madame Bamberger zur freundlichen Erinnerung.

Zum 24. August 1838.


Der einst in Eurem Kreise
Wie Kind divin Hause war,
Bringt heut' so innig wie leise
Euch seine Wünsche dar.
Ihr habt ihn gern gelitten,
Wenn er in kindischem Flug




*) Neue Zeitschrift 1843, Bd. XVIII, S. 27.
Carus selber beteiligte sich daran als Geiger.
***) So geschah es z. B. mit den Brüdern Karl und Emil Devrient, die anfänglich fiir
den Kaufmannsstand bestimmt und in der Fabrik ihres Zwickauer Oheims beschäftigt waren.
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[0337] Franz Schuberts Tonwcisen waren es, die Schumann zuerst von ihren beredten Lippen vernahm. Stunden und Tage verbrachte er am Klavier, um mit der schwärmerisch von ihm verehrten Frau vierbändig zu spielen oder sie zu ihren Liedern zu begleiten. In dem Hause, das diese unvergleichlichen Genüsse darbot, war Schumann schon längere Zeit heimisch. Es gehörte dem kunstsinnigen Oheim des Colditzer Arztes, dem Geschäftsführer der großen Devrientschen Fabrik, Karl Erdmann Carus. An den Namen dieses „würdigen Mannes" (so schrieb Schumann später in seinem Nekrolog,"') „der bis zum letzten Hauch ein treuer Verehrer der Kunst, ein warmer Freund der Künstler war," knüpften sich für ihn „die teuersten Jugenderinnerungen." „War es doch in seinem Hause, wo die Namen Mozart, Haydn, Beethoven zu den täglich mit Begeisterung genannten gehörten, in seinem Hause, wo die sonst in kleinen Städten gar nicht zu hörenden selteneren Werke dieser Meister, vorzugsweise Quartette,*"') mir zuerst bekannt wurden, wo ich oft selbst am Klavier mitwirken durfte, in dem den meisten vaterländischen Künstlern gar wohlbekannten Carusschen Hause, wo alles Freude, Heiterkeit, Musik war." Dies wird von andrer Seite bestätigt und namentlich hervorgehoben, daß Carus mit richtigem und geübtem Blick oft bei jungen Leuten seiner Umgebung die in ihnen schlummernden Talente entdeckt, sie darauf aufmerksam gemacht und zu deren Ausbildung ermuntert habe.*""") Auch Schumann erfuhr solche freundliche Aufmunterung, und es entsprach ganz seinem dankbaren Gemüt, daß ihm der Name seines „väterlichen Freundes" zeitlebens „lieb und teuer" blieb. Von seiner Anhänglichkeit zeugt ein Gedicht, das er 1838 an Carus sandte, als dieser das Doppelfest seiner silbernen Hochzeit und der Verheiratung seiner Tochter Josephine feierte. Es lautet: Herrn und Madame Carus, Herrn und Madame Bamberger zur freundlichen Erinnerung. Zum 24. August 1838. Der einst in Eurem Kreise Wie Kind divin Hause war, Bringt heut' so innig wie leise Euch seine Wünsche dar. Ihr habt ihn gern gelitten, Wenn er in kindischem Flug *) Neue Zeitschrift 1843, Bd. XVIII, S. 27. Carus selber beteiligte sich daran als Geiger. ***) So geschah es z. B. mit den Brüdern Karl und Emil Devrient, die anfänglich fiir den Kaufmannsstand bestimmt und in der Fabrik ihres Zwickauer Oheims beschäftigt waren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/337>, abgerufen am 24.07.2024.