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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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als daß der geringste Zweifel sein könnte, welchen Weg Handel und Verkehr
in Zukunft nehmen werden. Ebenso dürfte Mr. Rhodes mit der Zeit im
Westen nach dem Atlantischen Ozean durchbrechen. Die Betschnanalandbahn
ist eine Sackgasse, die sich nicht bezahlt macht, und schon bereuen einzelne das
darauf verschwendete Geld, das im Jnnern besser hätte verwendet werden
können. Doch wird zur Besänftigung der Gemüter neuerdings von einer
"leichten" Eisenbahn über Mafeking uach Tati, einem vom Charter ausge¬
nommenen Gvldbezirk am Eingang von Matabeleland, gesprochen.

Die öffentliche Meinung der Kapkolonie ist durch die stark beeinflußte
Presse in eine selbstmörderische Wut gegen die Portugiesen hineingearbeitet
worden: wäre der portugiesische Wall im Osten und Westen stark genug,
den Rhodesschen Mauerbrechern Stand zu halten, so hätte der Süden die
Basis bleiben müssen. Diese Seifenblase ist zerplatzt, das Kapland wird sich
in Zukunft mit dem ihm geographisch zugewiesenen Absatzfelde begnügen
müssen, d. h. im wesentlichen mit dem, was es bereits hat. Zunächst zieht
es zwar noch erheblichen Vorteil von der Chartered Company, viele seiner
Söhne finden guten Erwerb, Anstellung, Beschäftigung. Aber wenn sich erst
die Verhältnisse geklärt haben, dürfte gerade der Abzug an tüchtigen Menschen-
krüften, dem wesentlichsten hier fehlenden Kapital, empfindlich werden.

Rhodes hat ferner Paul Krüger, den Präsidenten der südafrikanischen
Republik, von seinem Prvphetenstuhl gestürzt. Bevor Rhodes aufstand, war
Krüger das Orakel für Südafrika. Eine gesuchte Verständigung mißlang, da
die Imperialisten in England den verhaßten Buren keine nennenswerten Zu¬
geständnisse machen wollten. So mußte Rhodes, gewiß gegen seinen Wunsch,
allein vorgehen, und Krüger hielt sich grollend zurück. Aber die vou Rhodes
entfesselten Wogen finden an ihm vorüber, nagen an seiner Macht und drohen
ihn samt seiner Banernrepublik hinwegzuspülen.

Anderseits ist die Verstimmung Krügers auch eine Gefahr für die Char¬
tere!) Company. Neuerdings wird wieder, wie alljährlich, aber mit größerer
Bestimmtheit ein großer Treckzug für den Juni angekündigt. Darnach würden
tausend waffenfähige Buren mit ihren Familien über den Limpopv nordöstlich
in das Banjailand bis gegen den Sabiafluß auswandern und einen eignen
Staat gründen. Dies will die Chartered Company nicht dulden, und Krüger
ist auch durch die Swasikvuvention vom vorigen Jahre verpflichtet, dem ent¬
gegenzutreten. Immerhin werden durch solche Angelegenheiten Kräfte absorbirt.

Zur Charakteristik vou Rhodes ist es bezeichnend, daß er nach seiner
neulichen Ankunft in England sich offen auf Parnells Seite stellte, des
Mannes, der von der öffentlichen Meinung, von der Mehrzahl seiner bis¬
herigen Anhänger, von sämtlichen Parteien des britischen Parlaments, von der
katholischen Geistlichkeit, der größten Macht in Irland, verlassen und gewisser¬
maßen in die Acht erklärt ist. Es wäre wohl spitzfindig, anzunehmen, daß er


als daß der geringste Zweifel sein könnte, welchen Weg Handel und Verkehr
in Zukunft nehmen werden. Ebenso dürfte Mr. Rhodes mit der Zeit im
Westen nach dem Atlantischen Ozean durchbrechen. Die Betschnanalandbahn
ist eine Sackgasse, die sich nicht bezahlt macht, und schon bereuen einzelne das
darauf verschwendete Geld, das im Jnnern besser hätte verwendet werden
können. Doch wird zur Besänftigung der Gemüter neuerdings von einer
„leichten" Eisenbahn über Mafeking uach Tati, einem vom Charter ausge¬
nommenen Gvldbezirk am Eingang von Matabeleland, gesprochen.

Die öffentliche Meinung der Kapkolonie ist durch die stark beeinflußte
Presse in eine selbstmörderische Wut gegen die Portugiesen hineingearbeitet
worden: wäre der portugiesische Wall im Osten und Westen stark genug,
den Rhodesschen Mauerbrechern Stand zu halten, so hätte der Süden die
Basis bleiben müssen. Diese Seifenblase ist zerplatzt, das Kapland wird sich
in Zukunft mit dem ihm geographisch zugewiesenen Absatzfelde begnügen
müssen, d. h. im wesentlichen mit dem, was es bereits hat. Zunächst zieht
es zwar noch erheblichen Vorteil von der Chartered Company, viele seiner
Söhne finden guten Erwerb, Anstellung, Beschäftigung. Aber wenn sich erst
die Verhältnisse geklärt haben, dürfte gerade der Abzug an tüchtigen Menschen-
krüften, dem wesentlichsten hier fehlenden Kapital, empfindlich werden.

Rhodes hat ferner Paul Krüger, den Präsidenten der südafrikanischen
Republik, von seinem Prvphetenstuhl gestürzt. Bevor Rhodes aufstand, war
Krüger das Orakel für Südafrika. Eine gesuchte Verständigung mißlang, da
die Imperialisten in England den verhaßten Buren keine nennenswerten Zu¬
geständnisse machen wollten. So mußte Rhodes, gewiß gegen seinen Wunsch,
allein vorgehen, und Krüger hielt sich grollend zurück. Aber die vou Rhodes
entfesselten Wogen finden an ihm vorüber, nagen an seiner Macht und drohen
ihn samt seiner Banernrepublik hinwegzuspülen.

Anderseits ist die Verstimmung Krügers auch eine Gefahr für die Char¬
tere!) Company. Neuerdings wird wieder, wie alljährlich, aber mit größerer
Bestimmtheit ein großer Treckzug für den Juni angekündigt. Darnach würden
tausend waffenfähige Buren mit ihren Familien über den Limpopv nordöstlich
in das Banjailand bis gegen den Sabiafluß auswandern und einen eignen
Staat gründen. Dies will die Chartered Company nicht dulden, und Krüger
ist auch durch die Swasikvuvention vom vorigen Jahre verpflichtet, dem ent¬
gegenzutreten. Immerhin werden durch solche Angelegenheiten Kräfte absorbirt.

Zur Charakteristik vou Rhodes ist es bezeichnend, daß er nach seiner
neulichen Ankunft in England sich offen auf Parnells Seite stellte, des
Mannes, der von der öffentlichen Meinung, von der Mehrzahl seiner bis¬
herigen Anhänger, von sämtlichen Parteien des britischen Parlaments, von der
katholischen Geistlichkeit, der größten Macht in Irland, verlassen und gewisser¬
maßen in die Acht erklärt ist. Es wäre wohl spitzfindig, anzunehmen, daß er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/306>, abgerufen am 04.07.2024.