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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer

solcher Handlungsweise kein Aufgeben von Hoheitsrechten gegen ihn hergeleitet
werden könnte. Dagegen konnte er den ferner ausbedungenen 100 Pfund
Sterling monatlich nicht widerstehen. Es zeugt von viel Verständnis für den
Charakter der Wilden, daß diese Jahresabgabe von 1200 Pfund Sterling in
monatlichen Raten vereinbart wurde und pünktlich gezahlt wird. Hat Loben-
gula ein Gelüste, zu Gewaltthätigkeiten überzugehen, und ist die Hälfte des
Monats verstrichen, so wartet er lieber uoch den nächsten Ersten ab, um vor¬
her die 100 Pfund oder deren Gegenwert in Waren einzustreichen. Inzwischen
wird Zeit gewonnen, ihn zu besänftigen und auf andre Gedanken zu bringen.

Doch droht von Lobengula selbst kaum eine ernstliche Gefahr. Er ist
nicht mehr jung, ist sehr schwer und schwerfällig und klug genug, um ein¬
zusehen, daß sich die einmal entsandte Goldgier der Weißen nicht mehr völlig
zurückdrängen läßt, daß dagegen durch vorsichtiges Komprvmittireu der Betrag
der Abgaben, Geschenke und dergleichen nicht nur erhalten, sondern vermehrt,
und der Strom der eindringenden Goldgräber von seinem eigentlichen Um¬
kreis auf fremde Gebiete abgelenkt werden kann. Für solche, namentlich das
sogenannte Maschonaland -- ein willkürlicher und zur Zeit noch ziemlich un¬
begrenzter Begriff --, mag er denn bereitwillig anch ausgedehntere Vollmachten
erteilt haben. In seinem eignen Herrschaftsbereich ist das Goldsuchen nach
wie vor untersagt, und wehe dem, der das Verbot zu übertreten wagte!

Die Lobengnlaschen Regimenter dagegen, ungefähr 15000 Mann, von
denen jedoch kaum ein Drittel vollblütige Matabeles sind, die fast dnrch
ausschließliche Fleischnahrung, Waffenspiele, Raub- und Mordzüge zur Blut¬
gier erzogen sind, könnten, wenn man ihnen nicht sehr weit ans dein Wege
geht, sich bei Gelegenheit fortreißen lassen; und wenn einmal Blut geflossen
ist, muß der Vernichtungskrieg durchgeführt werden.

Im April, wenn der Regen nachgelassen hat, und die Vegetation üppig
sprießt, Pflegen die Matabeles Vieh- und Sklavenjagden zu unternehmen. Sie
dürften dann anch an einzelnen Stellen des sogenannten Maschvnalandes, d. h.
in der Nähe der Rhodesschen Goldgräber, auftauchen und diese, die sämtlich
wehrpflichtig sind, sowie die eigentlichen Militärposten vor das üble Dilemma
stellen, entweder Gewehr beim Fuß unter ihren Augen Weiber, Kiuder und Herden
rauben und die Männer totschlagen zu lassen, woraus ihnen ein empfindlicher
moralischer und materieller Nachteil erwüchse, oder sich dem zu widersetzen
und damit das Signal zum Kampf zu geben. Die Verbindung nach Betschuana-
land wird nur dnrch zwei oder drei schwach besetzte Forts aufrecht erhalten
und dürfte dann als abgebrochen zu betrachten sein.

Es ist hier als bekannt vorausgesetzt, daß im Mai vorigen Jahres eine
mit größter Umsicht umfassend vorbereitete xionssr-expöäition von einigen
hundert Weißen ans Betschuanaland mit weiter östlicher Umgehung der
Matabeles nach Maschonaland entsandt und wider allgemeines Erwarten ohne


Das Zukunftsreich Zambesia und dessen Begründer

solcher Handlungsweise kein Aufgeben von Hoheitsrechten gegen ihn hergeleitet
werden könnte. Dagegen konnte er den ferner ausbedungenen 100 Pfund
Sterling monatlich nicht widerstehen. Es zeugt von viel Verständnis für den
Charakter der Wilden, daß diese Jahresabgabe von 1200 Pfund Sterling in
monatlichen Raten vereinbart wurde und pünktlich gezahlt wird. Hat Loben-
gula ein Gelüste, zu Gewaltthätigkeiten überzugehen, und ist die Hälfte des
Monats verstrichen, so wartet er lieber uoch den nächsten Ersten ab, um vor¬
her die 100 Pfund oder deren Gegenwert in Waren einzustreichen. Inzwischen
wird Zeit gewonnen, ihn zu besänftigen und auf andre Gedanken zu bringen.

Doch droht von Lobengula selbst kaum eine ernstliche Gefahr. Er ist
nicht mehr jung, ist sehr schwer und schwerfällig und klug genug, um ein¬
zusehen, daß sich die einmal entsandte Goldgier der Weißen nicht mehr völlig
zurückdrängen läßt, daß dagegen durch vorsichtiges Komprvmittireu der Betrag
der Abgaben, Geschenke und dergleichen nicht nur erhalten, sondern vermehrt,
und der Strom der eindringenden Goldgräber von seinem eigentlichen Um¬
kreis auf fremde Gebiete abgelenkt werden kann. Für solche, namentlich das
sogenannte Maschonaland — ein willkürlicher und zur Zeit noch ziemlich un¬
begrenzter Begriff —, mag er denn bereitwillig anch ausgedehntere Vollmachten
erteilt haben. In seinem eignen Herrschaftsbereich ist das Goldsuchen nach
wie vor untersagt, und wehe dem, der das Verbot zu übertreten wagte!

Die Lobengnlaschen Regimenter dagegen, ungefähr 15000 Mann, von
denen jedoch kaum ein Drittel vollblütige Matabeles sind, die fast dnrch
ausschließliche Fleischnahrung, Waffenspiele, Raub- und Mordzüge zur Blut¬
gier erzogen sind, könnten, wenn man ihnen nicht sehr weit ans dein Wege
geht, sich bei Gelegenheit fortreißen lassen; und wenn einmal Blut geflossen
ist, muß der Vernichtungskrieg durchgeführt werden.

Im April, wenn der Regen nachgelassen hat, und die Vegetation üppig
sprießt, Pflegen die Matabeles Vieh- und Sklavenjagden zu unternehmen. Sie
dürften dann anch an einzelnen Stellen des sogenannten Maschvnalandes, d. h.
in der Nähe der Rhodesschen Goldgräber, auftauchen und diese, die sämtlich
wehrpflichtig sind, sowie die eigentlichen Militärposten vor das üble Dilemma
stellen, entweder Gewehr beim Fuß unter ihren Augen Weiber, Kiuder und Herden
rauben und die Männer totschlagen zu lassen, woraus ihnen ein empfindlicher
moralischer und materieller Nachteil erwüchse, oder sich dem zu widersetzen
und damit das Signal zum Kampf zu geben. Die Verbindung nach Betschuana-
land wird nur dnrch zwei oder drei schwach besetzte Forts aufrecht erhalten
und dürfte dann als abgebrochen zu betrachten sein.

Es ist hier als bekannt vorausgesetzt, daß im Mai vorigen Jahres eine
mit größter Umsicht umfassend vorbereitete xionssr-expöäition von einigen
hundert Weißen ans Betschuanaland mit weiter östlicher Umgehung der
Matabeles nach Maschonaland entsandt und wider allgemeines Erwarten ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/302>, abgerufen am 24.07.2024.