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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Die Fragen 2 bis 6 gehen dann auf die geistige Arbeit der Schule ein.
Hier handelt sichs in erster Linie um eine richtige Lehrplantheorie. Das ist
-- nach einem bekannten Wort -- das praktischste, was es geben kann.
Frage 2 richtet den Blick auf die Lehrplanarbeit im ganzen, Frage 3 im
einzelnem erst handelt sichs um Aufstellung der Lehrziele und der davon ab¬
hängigen Auswahl des Stoffes, daun um Anwendung der grundlegenden
Bestimmungen auf den Lehrplan der einzelnen Klassen. Darum heißt es:
2. Ist die Ermäßigung der Lehrziele, also die Verminderung des Lehrstoffes,
scharf ins Auge gefaßt und wenigstens das Auszuscheidende genau festgestellt?
3. Sind die Lehrpläne klassenweise für die einzelnen Fächer festgelegt?

Die vierte Frage bezieht sich auf die Unterrichtsarbeit, auf die methodische
Durcharbeitung der im Lehrplane bereitgestellten Unterrichtsstoffe. Sie kündet:
Sind für die neue Lehrmethode wenigstens die Hauptpunkte aufgestellt?
Frage 5 weist auf die Prüfungen hin, in denen die Ergebnisse der gesamten
Unterrichtsarbeit zu Tage treten sollen. Der Ballast aber, den diese mit¬
zuschleppen pflegen, führt in Frage <i auf die vielbeklagte Überbürdung. Daher
heißt es: 5. Ist der in den Prüfungen bisher zu Tage getretene Ballast für
immer beseitigt und dadurch t>. auch der noch durch andre Mittel zu be¬
kämpfenden Überbürdung für die Zukunft vorgebeugt?

Die letzte Frage aber regt den Gedanken einer eingehenden Beaufsichtigung
durch die Schulbehörden an: 7. Wie ist die Kontrolle gedacht, ohne welche
all das wohlmeinend geplante doch nur uns dein Papiere bleibt? Ist hin¬
reichend auf regelmäßige und außerordentliche Revisionen dnrch die verschiednen
Oberbehörden Bedacht genommen?

Versuchen wir die Beantwortung dieser Fragen des Kaisers, wobei wir
uns möglichster Kürze und größter Offenherzigkeit befleißigen wollen. Um es
rund heraus zu sagen: Nur beantworten sämtliche Fragen mit Nein. Nach
jeder der vom Kaiser angedeuteten Richtungen hin muß viel geschehen, wenn
es besser werden soll.

Nicht am wenigsten in Bezug auf die körperliche Ausbildung und die
genaue Beobachtung fchulhygieuischer Bvrschrifteu. Mag auch an einzelnen
Anstalten in beiden Beziehungen anerkennenswertes geleistet werden; in der
Regel beruhigt man sich doch bei dem hergebrachten, also vor allein bei den
herkömmlichen zwei Turnstunden in der Woche. Und man könnte das auch
recht gut, wenn in unsrer Jugend selbst der Trieb nach körperlicher Bewegung,
nach Schwimmen, Laufen, Klettern, Rudern, Ballspiel u. s. w. rege wäre.
Daun bedürfte es keiner Anregung von außen, die sehr leicht deu Charakter
eiuer künstlichen Zucht annimmt und dann nur wenig fruchtet. Da aber im
gauzeu der Sinn für ein frisches, frohes Sichtummeln im Freien nicht sehr
lebendig ist, weil der Gott Gnmbrinus die Spannkräfte unsrer Jugend zu
früh zu lahmen scheint, so muß mau eben auf andre Mittel sinnen. Wo die


Die Fragen 2 bis 6 gehen dann auf die geistige Arbeit der Schule ein.
Hier handelt sichs in erster Linie um eine richtige Lehrplantheorie. Das ist
— nach einem bekannten Wort — das praktischste, was es geben kann.
Frage 2 richtet den Blick auf die Lehrplanarbeit im ganzen, Frage 3 im
einzelnem erst handelt sichs um Aufstellung der Lehrziele und der davon ab¬
hängigen Auswahl des Stoffes, daun um Anwendung der grundlegenden
Bestimmungen auf den Lehrplan der einzelnen Klassen. Darum heißt es:
2. Ist die Ermäßigung der Lehrziele, also die Verminderung des Lehrstoffes,
scharf ins Auge gefaßt und wenigstens das Auszuscheidende genau festgestellt?
3. Sind die Lehrpläne klassenweise für die einzelnen Fächer festgelegt?

Die vierte Frage bezieht sich auf die Unterrichtsarbeit, auf die methodische
Durcharbeitung der im Lehrplane bereitgestellten Unterrichtsstoffe. Sie kündet:
Sind für die neue Lehrmethode wenigstens die Hauptpunkte aufgestellt?
Frage 5 weist auf die Prüfungen hin, in denen die Ergebnisse der gesamten
Unterrichtsarbeit zu Tage treten sollen. Der Ballast aber, den diese mit¬
zuschleppen pflegen, führt in Frage <i auf die vielbeklagte Überbürdung. Daher
heißt es: 5. Ist der in den Prüfungen bisher zu Tage getretene Ballast für
immer beseitigt und dadurch t>. auch der noch durch andre Mittel zu be¬
kämpfenden Überbürdung für die Zukunft vorgebeugt?

Die letzte Frage aber regt den Gedanken einer eingehenden Beaufsichtigung
durch die Schulbehörden an: 7. Wie ist die Kontrolle gedacht, ohne welche
all das wohlmeinend geplante doch nur uns dein Papiere bleibt? Ist hin¬
reichend auf regelmäßige und außerordentliche Revisionen dnrch die verschiednen
Oberbehörden Bedacht genommen?

Versuchen wir die Beantwortung dieser Fragen des Kaisers, wobei wir
uns möglichster Kürze und größter Offenherzigkeit befleißigen wollen. Um es
rund heraus zu sagen: Nur beantworten sämtliche Fragen mit Nein. Nach
jeder der vom Kaiser angedeuteten Richtungen hin muß viel geschehen, wenn
es besser werden soll.

Nicht am wenigsten in Bezug auf die körperliche Ausbildung und die
genaue Beobachtung fchulhygieuischer Bvrschrifteu. Mag auch an einzelnen
Anstalten in beiden Beziehungen anerkennenswertes geleistet werden; in der
Regel beruhigt man sich doch bei dem hergebrachten, also vor allein bei den
herkömmlichen zwei Turnstunden in der Woche. Und man könnte das auch
recht gut, wenn in unsrer Jugend selbst der Trieb nach körperlicher Bewegung,
nach Schwimmen, Laufen, Klettern, Rudern, Ballspiel u. s. w. rege wäre.
Daun bedürfte es keiner Anregung von außen, die sehr leicht deu Charakter
eiuer künstlichen Zucht annimmt und dann nur wenig fruchtet. Da aber im
gauzeu der Sinn für ein frisches, frohes Sichtummeln im Freien nicht sehr
lebendig ist, weil der Gott Gnmbrinus die Spannkräfte unsrer Jugend zu
früh zu lahmen scheint, so muß mau eben auf andre Mittel sinnen. Wo die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/223>, abgerufen am 04.07.2024.