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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Erfreulich war es, daß der Herzog endlich Ende 1793 dem preußischen
Dienst entsagte und sich wieder ganz seinem Lande widmete, wo er sich denn
auch persönlich von den Leistungen seiner Bühne überzeugen konnte. Aber der
ewige Wechsel der Schauspieler, die beschränkte": Mittel, das Umherziehen der
Gesellschaft, die Notwendigkeit, gegen die widerspenstigen Mitglieder mit be¬
schämenden Strafen vorzugehen (Prügel und Arrest mit oder ohne Bewachung
waren vorgesehen), verleideten ihm bald die Leitung, die auch die unbequeme
Aufsicht über die Redouten in sich schloß. Besonders empfindlich war ihm,
daß die Aufführung seiner von Reichardt trefflich gesetzten "Claudine," auf
deren Probe er so viel Zeit und Mühe verwandt hatte, aus Mangel an aus¬
reichenden Sängern mißlang. Dazu kam die unangenehme Störung in seinen
Arbeiten, sein näheres Verhältnis zu Schiller und die Kälte, die ihm der
Herzog einige Zeit zeigte. So bat er diesen denn im Dezember 1795, ihn
von der Leitung des Theaters zu entbinden. Karl August wollte nichts davon
wissen, er versicherte ihm, alle Mittel in Anwendung bringen zu wollen,
ihm das Geschäft möglichst augenehm zu machen. Die Verlegenheit des Herzogs,
der auf seine Bühne nicht gern verzichtete, bestimmte ihn freilich, auf seiner
Bitte nicht zu bestehen, doch an dem Gedanken, sich von dieser Last bald zu be¬
freien, hielt er umso fester, als er die Absicht hegte, schon im August nach
Italien zu gehen und dort längere Zeit Vorstudien zu einem großen allseitigen
Werke über dieses merkwürdige Land zu machen. Als sich darauf Jffland zu
einer Reihe von Gastrollen anbot, griff er wieder mit seiner vollen, nach¬
haltigen Kraft ein, um dieses Gastspiel zu einem Segen für die Bühne zu
machen. Damals schmeichelte er sich mit der Hoffnung, den berühmten Schau¬
spieler, da sich das Theater in Mannheim auflöste, zur Übernahme der trotz
allem ihm am Herzen liegenden Weimarischen Hofbühne zu bestimmen. Doch
dieser wollte nnr die Regie übernehmen, mit der Ökonomie nichts zu thun
haben, und auch darüber behielt er sich die nähere Einigung noch vor. Der
Herzog schien damit einverstanden. Goethes Mißstimmung wuchs, als sich
das Hvfmnrschallamt untersing, die Theaterleituug mit eiuer Rüge und der
Drohung zu beleidigen, wenn es nicht besser ginge, würde man die Bühne schließen.
Goethe wies diese Anmaßung mit dem vollen Gefühle seiner Würde zurück,
die Schuld des während seiner Abwesenheit erfolgten Unfugs trage allein das
Hofmarschallamt, das seine berechtigten Forderungen nicht erfüllt habe. Leider
ließ Jffland nichts von sich hören, und der Herzog wollte nicht zugeben, daß
er auf die vou diesem gestelltem Bedingungen eingegangen sei. Vergeblich
drang Goethe ans die Erledigung der Sache. Der Herzog, der Goethe nicht
lassen wollte, konnte zu keinem Entschlüsse kommen; den früher ihn: gemachten
Vorschlag, Schillern die Leitung zu übertragen, lehnte er ab, weil diesem die
oxwrnll xruäöickig. abgebe. Gegen Kirms äußerte Goethe damals, am besten
sei es, wenn man Jffland so stelle, wie Vellomo gestanden habe; das hieß ein-


Erfreulich war es, daß der Herzog endlich Ende 1793 dem preußischen
Dienst entsagte und sich wieder ganz seinem Lande widmete, wo er sich denn
auch persönlich von den Leistungen seiner Bühne überzeugen konnte. Aber der
ewige Wechsel der Schauspieler, die beschränkte«: Mittel, das Umherziehen der
Gesellschaft, die Notwendigkeit, gegen die widerspenstigen Mitglieder mit be¬
schämenden Strafen vorzugehen (Prügel und Arrest mit oder ohne Bewachung
waren vorgesehen), verleideten ihm bald die Leitung, die auch die unbequeme
Aufsicht über die Redouten in sich schloß. Besonders empfindlich war ihm,
daß die Aufführung seiner von Reichardt trefflich gesetzten „Claudine," auf
deren Probe er so viel Zeit und Mühe verwandt hatte, aus Mangel an aus¬
reichenden Sängern mißlang. Dazu kam die unangenehme Störung in seinen
Arbeiten, sein näheres Verhältnis zu Schiller und die Kälte, die ihm der
Herzog einige Zeit zeigte. So bat er diesen denn im Dezember 1795, ihn
von der Leitung des Theaters zu entbinden. Karl August wollte nichts davon
wissen, er versicherte ihm, alle Mittel in Anwendung bringen zu wollen,
ihm das Geschäft möglichst augenehm zu machen. Die Verlegenheit des Herzogs,
der auf seine Bühne nicht gern verzichtete, bestimmte ihn freilich, auf seiner
Bitte nicht zu bestehen, doch an dem Gedanken, sich von dieser Last bald zu be¬
freien, hielt er umso fester, als er die Absicht hegte, schon im August nach
Italien zu gehen und dort längere Zeit Vorstudien zu einem großen allseitigen
Werke über dieses merkwürdige Land zu machen. Als sich darauf Jffland zu
einer Reihe von Gastrollen anbot, griff er wieder mit seiner vollen, nach¬
haltigen Kraft ein, um dieses Gastspiel zu einem Segen für die Bühne zu
machen. Damals schmeichelte er sich mit der Hoffnung, den berühmten Schau¬
spieler, da sich das Theater in Mannheim auflöste, zur Übernahme der trotz
allem ihm am Herzen liegenden Weimarischen Hofbühne zu bestimmen. Doch
dieser wollte nnr die Regie übernehmen, mit der Ökonomie nichts zu thun
haben, und auch darüber behielt er sich die nähere Einigung noch vor. Der
Herzog schien damit einverstanden. Goethes Mißstimmung wuchs, als sich
das Hvfmnrschallamt untersing, die Theaterleituug mit eiuer Rüge und der
Drohung zu beleidigen, wenn es nicht besser ginge, würde man die Bühne schließen.
Goethe wies diese Anmaßung mit dem vollen Gefühle seiner Würde zurück,
die Schuld des während seiner Abwesenheit erfolgten Unfugs trage allein das
Hofmarschallamt, das seine berechtigten Forderungen nicht erfüllt habe. Leider
ließ Jffland nichts von sich hören, und der Herzog wollte nicht zugeben, daß
er auf die vou diesem gestelltem Bedingungen eingegangen sei. Vergeblich
drang Goethe ans die Erledigung der Sache. Der Herzog, der Goethe nicht
lassen wollte, konnte zu keinem Entschlüsse kommen; den früher ihn: gemachten
Vorschlag, Schillern die Leitung zu übertragen, lehnte er ab, weil diesem die
oxwrnll xruäöickig. abgebe. Gegen Kirms äußerte Goethe damals, am besten
sei es, wenn man Jffland so stelle, wie Vellomo gestanden habe; das hieß ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/188>, abgerufen am 24.07.2024.