Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Jubelfeier des weimarischen Theaters

verfallen fand, nicht die geringste Hoffnung, daß es sich in naher Zeit aus
seiner Erschlaffung erheben könne. Nach der Rückkehr aus Schlesien im Herbste
1790 durfte sich der Herzog friedlichen Aussichten hingeben. Sogleich wurde
das Dach des neuen Schlosses gerichtet, und in einigen Jahren hoffte man es
zu beziehen. Vurkhardts Behauptung, es sei ein bedenkliches Zeichen der Zeit
gewesen, daß sich das Schloß nur langsam aus den Trümmern erhoben habe,
trifft nicht zu. Da der Vertrag mit Bellomo im Frühjahr zu Ende ging, und
der Herzog Weimar uicht gern des Theatergeuusses berauben wollte, so lag ihm
nichts näher, als bei den hoffnungsvollen Aussichten und seiner Lust am
Schauspiel ein eignes Theater zu gründen, das -- so meinte er -- mit dem
früher gegebenen Zuschüsse, da manches vom Hofmarschallamte unentgeltlich ge¬
leistet werde, auch kunstsinnige Dichter und Theaterfreunde des Hofes die Btthue
durch ihren Rat stützen würden, leicht etwas besseres als ein gewerbsmäßiges
Unternehmen leisten würde. An Goethe wurde zunächst gar uicht gedacht. Der
Herzog bot die Leitung dem mit seiner Frau am Ende des Jahres mit großem
Beifall in Weimar gastirenden Schauspieler Beck aus Mannheim an. Da
dieser die Sache als zu unsicher ablehnte, dachte er um ein Mitglied der
Bellomvschen Gesellschaft, den Schauspieler Neumann, aber dieser erkrankte.
Der Hofmarschall, dem die beabsichtigte Bühne unterstellt sein sollte, wandte
sich an den Thcateruuternehmer Seconda in Leipzig, der auch zu kommen
bereit war. Aber schon hatte der Herzog eine Theaterkommission eingesetzt
und ihren Vorsitz Goethe übertragen, der sich diesem Auftrage und dem Ver¬
langen, selbst einstweilen die Leitung zu übernehmen, nicht entziehen konnte,
wie unangenehm ihn: anch die Annahme war gerade in dem Augenblicke, wo
ihn die Farbenlehre leidenschaftlich ergriffen hatte. Das ist der wirkliche
Verlauf.

Wie Goethe alles, was er einmal übernommen hatte, mit angestrengter
Kraft durchzuführen sich gedrungen fühlte, so widmete er sich auch dem fürst¬
lichen Theater mit voller Seele, ja die vielen Bedenklichkeiten, die ihm ent¬
gegentraten, hemmten nicht, sie steigerten seinen Mut. Zunächst war es selbst¬
verständlich, daß er die Einrichtungen, die sich dem Geschäftsmanne Bellomo
bewährt hatten, beibehalten mußte. Im Geschäftlichem hatte dieser ihm die
Wege schou gebahnt. Weimar allein konnte das Theater nicht erhalten, ein
Drittel des Jahres mußte man durch auswärtige Einnahmen das Bestehen
sichern. Bellomo hatte im ersten Jahre den Sommer in Eisenach ge¬
spielt, sich aber im zweiten den kleinen Badeort Lanchstädt ausersehen, wo
er eine dürftige Bretterbude errichtete, und dabei hatte er sich wohl be¬
funden. Auch für das herzogliche Theater war Lauchstädt unentbehrlich,
und wie sehr sich auch Goethe vor der Bretterbude entsetzen mochte, sie
wurde sofort angekauft und die Berechtigung, dort zu spielen, erworben.
In Weimar hatte Bellomo ein billiges Abonnement eingeführt; auch dies


Zur Jubelfeier des weimarischen Theaters

verfallen fand, nicht die geringste Hoffnung, daß es sich in naher Zeit aus
seiner Erschlaffung erheben könne. Nach der Rückkehr aus Schlesien im Herbste
1790 durfte sich der Herzog friedlichen Aussichten hingeben. Sogleich wurde
das Dach des neuen Schlosses gerichtet, und in einigen Jahren hoffte man es
zu beziehen. Vurkhardts Behauptung, es sei ein bedenkliches Zeichen der Zeit
gewesen, daß sich das Schloß nur langsam aus den Trümmern erhoben habe,
trifft nicht zu. Da der Vertrag mit Bellomo im Frühjahr zu Ende ging, und
der Herzog Weimar uicht gern des Theatergeuusses berauben wollte, so lag ihm
nichts näher, als bei den hoffnungsvollen Aussichten und seiner Lust am
Schauspiel ein eignes Theater zu gründen, das — so meinte er — mit dem
früher gegebenen Zuschüsse, da manches vom Hofmarschallamte unentgeltlich ge¬
leistet werde, auch kunstsinnige Dichter und Theaterfreunde des Hofes die Btthue
durch ihren Rat stützen würden, leicht etwas besseres als ein gewerbsmäßiges
Unternehmen leisten würde. An Goethe wurde zunächst gar uicht gedacht. Der
Herzog bot die Leitung dem mit seiner Frau am Ende des Jahres mit großem
Beifall in Weimar gastirenden Schauspieler Beck aus Mannheim an. Da
dieser die Sache als zu unsicher ablehnte, dachte er um ein Mitglied der
Bellomvschen Gesellschaft, den Schauspieler Neumann, aber dieser erkrankte.
Der Hofmarschall, dem die beabsichtigte Bühne unterstellt sein sollte, wandte
sich an den Thcateruuternehmer Seconda in Leipzig, der auch zu kommen
bereit war. Aber schon hatte der Herzog eine Theaterkommission eingesetzt
und ihren Vorsitz Goethe übertragen, der sich diesem Auftrage und dem Ver¬
langen, selbst einstweilen die Leitung zu übernehmen, nicht entziehen konnte,
wie unangenehm ihn: anch die Annahme war gerade in dem Augenblicke, wo
ihn die Farbenlehre leidenschaftlich ergriffen hatte. Das ist der wirkliche
Verlauf.

Wie Goethe alles, was er einmal übernommen hatte, mit angestrengter
Kraft durchzuführen sich gedrungen fühlte, so widmete er sich auch dem fürst¬
lichen Theater mit voller Seele, ja die vielen Bedenklichkeiten, die ihm ent¬
gegentraten, hemmten nicht, sie steigerten seinen Mut. Zunächst war es selbst¬
verständlich, daß er die Einrichtungen, die sich dem Geschäftsmanne Bellomo
bewährt hatten, beibehalten mußte. Im Geschäftlichem hatte dieser ihm die
Wege schou gebahnt. Weimar allein konnte das Theater nicht erhalten, ein
Drittel des Jahres mußte man durch auswärtige Einnahmen das Bestehen
sichern. Bellomo hatte im ersten Jahre den Sommer in Eisenach ge¬
spielt, sich aber im zweiten den kleinen Badeort Lanchstädt ausersehen, wo
er eine dürftige Bretterbude errichtete, und dabei hatte er sich wohl be¬
funden. Auch für das herzogliche Theater war Lauchstädt unentbehrlich,
und wie sehr sich auch Goethe vor der Bretterbude entsetzen mochte, sie
wurde sofort angekauft und die Berechtigung, dort zu spielen, erworben.
In Weimar hatte Bellomo ein billiges Abonnement eingeführt; auch dies


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/210052"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Jubelfeier des weimarischen Theaters</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_487" prev="#ID_486"> verfallen fand, nicht die geringste Hoffnung, daß es sich in naher Zeit aus<lb/>
seiner Erschlaffung erheben könne. Nach der Rückkehr aus Schlesien im Herbste<lb/>
1790 durfte sich der Herzog friedlichen Aussichten hingeben. Sogleich wurde<lb/>
das Dach des neuen Schlosses gerichtet, und in einigen Jahren hoffte man es<lb/>
zu beziehen. Vurkhardts Behauptung, es sei ein bedenkliches Zeichen der Zeit<lb/>
gewesen, daß sich das Schloß nur langsam aus den Trümmern erhoben habe,<lb/>
trifft nicht zu. Da der Vertrag mit Bellomo im Frühjahr zu Ende ging, und<lb/>
der Herzog Weimar uicht gern des Theatergeuusses berauben wollte, so lag ihm<lb/>
nichts näher, als bei den hoffnungsvollen Aussichten und seiner Lust am<lb/>
Schauspiel ein eignes Theater zu gründen, das &#x2014; so meinte er &#x2014; mit dem<lb/>
früher gegebenen Zuschüsse, da manches vom Hofmarschallamte unentgeltlich ge¬<lb/>
leistet werde, auch kunstsinnige Dichter und Theaterfreunde des Hofes die Btthue<lb/>
durch ihren Rat stützen würden, leicht etwas besseres als ein gewerbsmäßiges<lb/>
Unternehmen leisten würde. An Goethe wurde zunächst gar uicht gedacht. Der<lb/>
Herzog bot die Leitung dem mit seiner Frau am Ende des Jahres mit großem<lb/>
Beifall in Weimar gastirenden Schauspieler Beck aus Mannheim an. Da<lb/>
dieser die Sache als zu unsicher ablehnte, dachte er um ein Mitglied der<lb/>
Bellomvschen Gesellschaft, den Schauspieler Neumann, aber dieser erkrankte.<lb/>
Der Hofmarschall, dem die beabsichtigte Bühne unterstellt sein sollte, wandte<lb/>
sich an den Thcateruuternehmer Seconda in Leipzig, der auch zu kommen<lb/>
bereit war. Aber schon hatte der Herzog eine Theaterkommission eingesetzt<lb/>
und ihren Vorsitz Goethe übertragen, der sich diesem Auftrage und dem Ver¬<lb/>
langen, selbst einstweilen die Leitung zu übernehmen, nicht entziehen konnte,<lb/>
wie unangenehm ihn: anch die Annahme war gerade in dem Augenblicke, wo<lb/>
ihn die Farbenlehre leidenschaftlich ergriffen hatte. Das ist der wirkliche<lb/>
Verlauf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_488" next="#ID_489"> Wie Goethe alles, was er einmal übernommen hatte, mit angestrengter<lb/>
Kraft durchzuführen sich gedrungen fühlte, so widmete er sich auch dem fürst¬<lb/>
lichen Theater mit voller Seele, ja die vielen Bedenklichkeiten, die ihm ent¬<lb/>
gegentraten, hemmten nicht, sie steigerten seinen Mut. Zunächst war es selbst¬<lb/>
verständlich, daß er die Einrichtungen, die sich dem Geschäftsmanne Bellomo<lb/>
bewährt hatten, beibehalten mußte. Im Geschäftlichem hatte dieser ihm die<lb/>
Wege schou gebahnt. Weimar allein konnte das Theater nicht erhalten, ein<lb/>
Drittel des Jahres mußte man durch auswärtige Einnahmen das Bestehen<lb/>
sichern. Bellomo hatte im ersten Jahre den Sommer in Eisenach ge¬<lb/>
spielt, sich aber im zweiten den kleinen Badeort Lanchstädt ausersehen, wo<lb/>
er eine dürftige Bretterbude errichtete, und dabei hatte er sich wohl be¬<lb/>
funden. Auch für das herzogliche Theater war Lauchstädt unentbehrlich,<lb/>
und wie sehr sich auch Goethe vor der Bretterbude entsetzen mochte, sie<lb/>
wurde sofort angekauft und die Berechtigung, dort zu spielen, erworben.<lb/>
In Weimar hatte Bellomo ein billiges Abonnement eingeführt; auch dies</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0185] Zur Jubelfeier des weimarischen Theaters verfallen fand, nicht die geringste Hoffnung, daß es sich in naher Zeit aus seiner Erschlaffung erheben könne. Nach der Rückkehr aus Schlesien im Herbste 1790 durfte sich der Herzog friedlichen Aussichten hingeben. Sogleich wurde das Dach des neuen Schlosses gerichtet, und in einigen Jahren hoffte man es zu beziehen. Vurkhardts Behauptung, es sei ein bedenkliches Zeichen der Zeit gewesen, daß sich das Schloß nur langsam aus den Trümmern erhoben habe, trifft nicht zu. Da der Vertrag mit Bellomo im Frühjahr zu Ende ging, und der Herzog Weimar uicht gern des Theatergeuusses berauben wollte, so lag ihm nichts näher, als bei den hoffnungsvollen Aussichten und seiner Lust am Schauspiel ein eignes Theater zu gründen, das — so meinte er — mit dem früher gegebenen Zuschüsse, da manches vom Hofmarschallamte unentgeltlich ge¬ leistet werde, auch kunstsinnige Dichter und Theaterfreunde des Hofes die Btthue durch ihren Rat stützen würden, leicht etwas besseres als ein gewerbsmäßiges Unternehmen leisten würde. An Goethe wurde zunächst gar uicht gedacht. Der Herzog bot die Leitung dem mit seiner Frau am Ende des Jahres mit großem Beifall in Weimar gastirenden Schauspieler Beck aus Mannheim an. Da dieser die Sache als zu unsicher ablehnte, dachte er um ein Mitglied der Bellomvschen Gesellschaft, den Schauspieler Neumann, aber dieser erkrankte. Der Hofmarschall, dem die beabsichtigte Bühne unterstellt sein sollte, wandte sich an den Thcateruuternehmer Seconda in Leipzig, der auch zu kommen bereit war. Aber schon hatte der Herzog eine Theaterkommission eingesetzt und ihren Vorsitz Goethe übertragen, der sich diesem Auftrage und dem Ver¬ langen, selbst einstweilen die Leitung zu übernehmen, nicht entziehen konnte, wie unangenehm ihn: anch die Annahme war gerade in dem Augenblicke, wo ihn die Farbenlehre leidenschaftlich ergriffen hatte. Das ist der wirkliche Verlauf. Wie Goethe alles, was er einmal übernommen hatte, mit angestrengter Kraft durchzuführen sich gedrungen fühlte, so widmete er sich auch dem fürst¬ lichen Theater mit voller Seele, ja die vielen Bedenklichkeiten, die ihm ent¬ gegentraten, hemmten nicht, sie steigerten seinen Mut. Zunächst war es selbst¬ verständlich, daß er die Einrichtungen, die sich dem Geschäftsmanne Bellomo bewährt hatten, beibehalten mußte. Im Geschäftlichem hatte dieser ihm die Wege schou gebahnt. Weimar allein konnte das Theater nicht erhalten, ein Drittel des Jahres mußte man durch auswärtige Einnahmen das Bestehen sichern. Bellomo hatte im ersten Jahre den Sommer in Eisenach ge¬ spielt, sich aber im zweiten den kleinen Badeort Lanchstädt ausersehen, wo er eine dürftige Bretterbude errichtete, und dabei hatte er sich wohl be¬ funden. Auch für das herzogliche Theater war Lauchstädt unentbehrlich, und wie sehr sich auch Goethe vor der Bretterbude entsetzen mochte, sie wurde sofort angekauft und die Berechtigung, dort zu spielen, erworben. In Weimar hatte Bellomo ein billiges Abonnement eingeführt; auch dies

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/185
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/185>, abgerufen am 24.07.2024.