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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Laudesverteidigungsplau, der nach pflichtmäßigem Ermessen der in die Landes-
verteidigungskominissivn berufenen Autoritäten aufgestellt wird. Welches Land
hätte aber wohl mehr Veranlassung als gerade Deutschland, diesen Männern,
von denen einzelne noch seine Einigkeit haben begründen helfen, das unbe¬
grenzteste Vertrauen entgegenzubringen! Sie vermögen besser als jeder andre
zu beurteilen, in welchen Grenzen sich eine offensive Küstenverteidigung zu
halten hat. Durch kleine Vorstöße, wie sie im Reichstage von freikonservativer
Seite empfohlen wurden, wird nichts erreicht, sie sind ein Schlag ins Wasser.
Es ist vielmehr ein allgemein giltiger Grundsatz, daß selbst die Küstenflotten
in den heimischen Gewässern für derartige Unternehmungen nach Art der
Schlachtflvtteu verwandt werden, und ein taktischer Fehler würde es sein,
wollten sie unausgesetzt an der Küste kleben.

Wie die Landesverleidigungskoinmission die Verpflichtung hat, den Rahmen
festzustellen, in dessen Grenzen sich Land- und Seemacht in der Verteidigung
unsers Vaterlandes die Hand reichen, so liegt der Landesvertretung die Pflicht
ob, die Landesverteidigung, soweit sich dies nach pflichtmäßiger Überzeugung
mit der Steuerkraft und sonstigen Interessen des Landes vereinbaren läßt, zu
stärken und hierzu deu Ratschlägen jener Männer und ihrer Organe Gehör
zu geben. Zur Kritik möchte ihnen denn doch in den meisten Fällen das
volle Verständnis fehlen.

Niemand wird bestreiten, daß für Deutschland die Entscheidung bei der
Landarmee liegt. Soll sie hier aber für uns günstig ausfallen, dann wird
den an unsern Grenzen stehenden Massen gegenüber auch der letzte Mann ins
Feld geführt werden müssen, und es kann nicht gleichgültig sein, wenn der
Küstenschutz ganze Heeresteile, bei einer Ausdehnung der Ostseeküste allein von
130 Meilen, mindestens ein Armeekorps und mehr in Anspruch nimmt. In
der Neichstagssitzung vom 28. Februar wurde von einer Seite die Behaup¬
tung aufgestellt, daß wir in der Ostsee schon jetzt keine Gefahr liefen, ein
Beweis dafür aber wurde nicht gebracht. Das Kriegsjahr 1870 kann durch¬
aus nicht maßgebend sein, da den Franzosen eben die Landungstruppen fehlten.
Die Seekarten beweisen, wie von andrer Seite sehr richtig ausgeführt wurde,
daß in der Ostsee Stellei: genug vorhanden sind, wo eine Landung sehr wohl
ausführbar ist.

Wenn ferner der Befürchtung Raum gegeben wird, daß es uns an Mann¬
schaften zur Besetzung der Schiffe fehlen werde, fo halten wir dem entgegen,
daß schon seit Jahren Leute der nicht schiffahrttreibenden Bevölkerung in die
Marine eingestellt wurden, ohne daß dies besondre Übelstände herbeigeführt zu
haben scheint, anderseits hat auch der Marinestaatssekretär jenen Einwurf wider¬
legt. Mit der aus dem regen Verkehr mit unsern Kolonien sich ergebenden Weiter¬
entwicklung unsrer Nhedereien wird aber auch die Vermehrung der seefahrenden Be¬
völkerung Hand in Hand gehen und den Mehrbedarf der Flotte völlig sicher stellen.


Laudesverteidigungsplau, der nach pflichtmäßigem Ermessen der in die Landes-
verteidigungskominissivn berufenen Autoritäten aufgestellt wird. Welches Land
hätte aber wohl mehr Veranlassung als gerade Deutschland, diesen Männern,
von denen einzelne noch seine Einigkeit haben begründen helfen, das unbe¬
grenzteste Vertrauen entgegenzubringen! Sie vermögen besser als jeder andre
zu beurteilen, in welchen Grenzen sich eine offensive Küstenverteidigung zu
halten hat. Durch kleine Vorstöße, wie sie im Reichstage von freikonservativer
Seite empfohlen wurden, wird nichts erreicht, sie sind ein Schlag ins Wasser.
Es ist vielmehr ein allgemein giltiger Grundsatz, daß selbst die Küstenflotten
in den heimischen Gewässern für derartige Unternehmungen nach Art der
Schlachtflvtteu verwandt werden, und ein taktischer Fehler würde es sein,
wollten sie unausgesetzt an der Küste kleben.

Wie die Landesverleidigungskoinmission die Verpflichtung hat, den Rahmen
festzustellen, in dessen Grenzen sich Land- und Seemacht in der Verteidigung
unsers Vaterlandes die Hand reichen, so liegt der Landesvertretung die Pflicht
ob, die Landesverteidigung, soweit sich dies nach pflichtmäßiger Überzeugung
mit der Steuerkraft und sonstigen Interessen des Landes vereinbaren läßt, zu
stärken und hierzu deu Ratschlägen jener Männer und ihrer Organe Gehör
zu geben. Zur Kritik möchte ihnen denn doch in den meisten Fällen das
volle Verständnis fehlen.

Niemand wird bestreiten, daß für Deutschland die Entscheidung bei der
Landarmee liegt. Soll sie hier aber für uns günstig ausfallen, dann wird
den an unsern Grenzen stehenden Massen gegenüber auch der letzte Mann ins
Feld geführt werden müssen, und es kann nicht gleichgültig sein, wenn der
Küstenschutz ganze Heeresteile, bei einer Ausdehnung der Ostseeküste allein von
130 Meilen, mindestens ein Armeekorps und mehr in Anspruch nimmt. In
der Neichstagssitzung vom 28. Februar wurde von einer Seite die Behaup¬
tung aufgestellt, daß wir in der Ostsee schon jetzt keine Gefahr liefen, ein
Beweis dafür aber wurde nicht gebracht. Das Kriegsjahr 1870 kann durch¬
aus nicht maßgebend sein, da den Franzosen eben die Landungstruppen fehlten.
Die Seekarten beweisen, wie von andrer Seite sehr richtig ausgeführt wurde,
daß in der Ostsee Stellei: genug vorhanden sind, wo eine Landung sehr wohl
ausführbar ist.

Wenn ferner der Befürchtung Raum gegeben wird, daß es uns an Mann¬
schaften zur Besetzung der Schiffe fehlen werde, fo halten wir dem entgegen,
daß schon seit Jahren Leute der nicht schiffahrttreibenden Bevölkerung in die
Marine eingestellt wurden, ohne daß dies besondre Übelstände herbeigeführt zu
haben scheint, anderseits hat auch der Marinestaatssekretär jenen Einwurf wider¬
legt. Mit der aus dem regen Verkehr mit unsern Kolonien sich ergebenden Weiter¬
entwicklung unsrer Nhedereien wird aber auch die Vermehrung der seefahrenden Be¬
völkerung Hand in Hand gehen und den Mehrbedarf der Flotte völlig sicher stellen.


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[0170] Laudesverteidigungsplau, der nach pflichtmäßigem Ermessen der in die Landes- verteidigungskominissivn berufenen Autoritäten aufgestellt wird. Welches Land hätte aber wohl mehr Veranlassung als gerade Deutschland, diesen Männern, von denen einzelne noch seine Einigkeit haben begründen helfen, das unbe¬ grenzteste Vertrauen entgegenzubringen! Sie vermögen besser als jeder andre zu beurteilen, in welchen Grenzen sich eine offensive Küstenverteidigung zu halten hat. Durch kleine Vorstöße, wie sie im Reichstage von freikonservativer Seite empfohlen wurden, wird nichts erreicht, sie sind ein Schlag ins Wasser. Es ist vielmehr ein allgemein giltiger Grundsatz, daß selbst die Küstenflotten in den heimischen Gewässern für derartige Unternehmungen nach Art der Schlachtflvtteu verwandt werden, und ein taktischer Fehler würde es sein, wollten sie unausgesetzt an der Küste kleben. Wie die Landesverleidigungskoinmission die Verpflichtung hat, den Rahmen festzustellen, in dessen Grenzen sich Land- und Seemacht in der Verteidigung unsers Vaterlandes die Hand reichen, so liegt der Landesvertretung die Pflicht ob, die Landesverteidigung, soweit sich dies nach pflichtmäßiger Überzeugung mit der Steuerkraft und sonstigen Interessen des Landes vereinbaren läßt, zu stärken und hierzu deu Ratschlägen jener Männer und ihrer Organe Gehör zu geben. Zur Kritik möchte ihnen denn doch in den meisten Fällen das volle Verständnis fehlen. Niemand wird bestreiten, daß für Deutschland die Entscheidung bei der Landarmee liegt. Soll sie hier aber für uns günstig ausfallen, dann wird den an unsern Grenzen stehenden Massen gegenüber auch der letzte Mann ins Feld geführt werden müssen, und es kann nicht gleichgültig sein, wenn der Küstenschutz ganze Heeresteile, bei einer Ausdehnung der Ostseeküste allein von 130 Meilen, mindestens ein Armeekorps und mehr in Anspruch nimmt. In der Neichstagssitzung vom 28. Februar wurde von einer Seite die Behaup¬ tung aufgestellt, daß wir in der Ostsee schon jetzt keine Gefahr liefen, ein Beweis dafür aber wurde nicht gebracht. Das Kriegsjahr 1870 kann durch¬ aus nicht maßgebend sein, da den Franzosen eben die Landungstruppen fehlten. Die Seekarten beweisen, wie von andrer Seite sehr richtig ausgeführt wurde, daß in der Ostsee Stellei: genug vorhanden sind, wo eine Landung sehr wohl ausführbar ist. Wenn ferner der Befürchtung Raum gegeben wird, daß es uns an Mann¬ schaften zur Besetzung der Schiffe fehlen werde, fo halten wir dem entgegen, daß schon seit Jahren Leute der nicht schiffahrttreibenden Bevölkerung in die Marine eingestellt wurden, ohne daß dies besondre Übelstände herbeigeführt zu haben scheint, anderseits hat auch der Marinestaatssekretär jenen Einwurf wider¬ legt. Mit der aus dem regen Verkehr mit unsern Kolonien sich ergebenden Weiter¬ entwicklung unsrer Nhedereien wird aber auch die Vermehrung der seefahrenden Be¬ völkerung Hand in Hand gehen und den Mehrbedarf der Flotte völlig sicher stellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/170>, abgerufen am 24.07.2024.