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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Der Marineetat im Reichstage

el der Beratung des Marineetats hat sich in den Neichstags-
vcrhcmdlnngen dem fortdauernden Ernst der europäischen Lage
gegenüber eine auffallende Vertrauensseligkeit geltend gemacht,
die, anscheinend gepaart mit einem gewissen Mißtrauen gegen
die Ziele unsrer Marineverwaltuug, deu Gang der Verhandlungen
nachteilig beeinflußt, die Entwicklung unsrer Seestrcitkrnfte wenn nicht geradezu
geschädigt, so doch verzögert hat.

Nicht mit Unrecht wurde von einzelnen Rednern der Schwerpunkt der
Landesverteidigung in die Landarmee gelegt, dabei aber nicht berücksichtigt,
daß diese durch die Flotte entlastet und in den Stand gesetzt wird, ihre ganze
Kraft ungeschwächt an der Landesgrenze einzusetzen.

Zum großen Teile stützten sich die Ansichten der Gegner der Marine¬
vorlage anscheinend auf die Ereignisse des Kriegsjahres 1870 und auf ein
übertriebenes Vertrauen auf die Beschaffenheit unsrer Küsten. Ob uicht auch
die gegenwärtigen freundschaftlichen Beziehungen zu England bei diesen Er¬
wägungen eine Rolle gespielt haben, wollen wir unerörtert lassen.

Es lohnt daher wohl der Mühe, einen Blick auf die Machtverhültnisse
der bei der gegenwärtigen Gruppirung der europäischen Staaten im Falle
eines Krieges in Frage kommenden Großmächte zu werfen und die militärische
Lage kurz zu beleuchten.

Als Frankreich im Jahre 1870 Preußen den Krieg erklärte, stand es
dem geeinigten Deutschland allein gegenüber. Alle übrigen Staaten beobachteten
eine für uus wohlwollende Neutralität oder wurden doch durch unsre schnellen
Erfolge dazu veranlaßt. Das deutsche Heer war dem französischen nach jeder
Richtung, mit alleiniger Ansnahme der Jnfanteriebewaffnuug, überlegen, seine
Fu hrerstelleu waren durch eine Anzahl hervorragender und erprobter Männer besetzt.


Grenzboten II 1891 21


Der Marineetat im Reichstage

el der Beratung des Marineetats hat sich in den Neichstags-
vcrhcmdlnngen dem fortdauernden Ernst der europäischen Lage
gegenüber eine auffallende Vertrauensseligkeit geltend gemacht,
die, anscheinend gepaart mit einem gewissen Mißtrauen gegen
die Ziele unsrer Marineverwaltuug, deu Gang der Verhandlungen
nachteilig beeinflußt, die Entwicklung unsrer Seestrcitkrnfte wenn nicht geradezu
geschädigt, so doch verzögert hat.

Nicht mit Unrecht wurde von einzelnen Rednern der Schwerpunkt der
Landesverteidigung in die Landarmee gelegt, dabei aber nicht berücksichtigt,
daß diese durch die Flotte entlastet und in den Stand gesetzt wird, ihre ganze
Kraft ungeschwächt an der Landesgrenze einzusetzen.

Zum großen Teile stützten sich die Ansichten der Gegner der Marine¬
vorlage anscheinend auf die Ereignisse des Kriegsjahres 1870 und auf ein
übertriebenes Vertrauen auf die Beschaffenheit unsrer Küsten. Ob uicht auch
die gegenwärtigen freundschaftlichen Beziehungen zu England bei diesen Er¬
wägungen eine Rolle gespielt haben, wollen wir unerörtert lassen.

Es lohnt daher wohl der Mühe, einen Blick auf die Machtverhültnisse
der bei der gegenwärtigen Gruppirung der europäischen Staaten im Falle
eines Krieges in Frage kommenden Großmächte zu werfen und die militärische
Lage kurz zu beleuchten.

Als Frankreich im Jahre 1870 Preußen den Krieg erklärte, stand es
dem geeinigten Deutschland allein gegenüber. Alle übrigen Staaten beobachteten
eine für uus wohlwollende Neutralität oder wurden doch durch unsre schnellen
Erfolge dazu veranlaßt. Das deutsche Heer war dem französischen nach jeder
Richtung, mit alleiniger Ansnahme der Jnfanteriebewaffnuug, überlegen, seine
Fu hrerstelleu waren durch eine Anzahl hervorragender und erprobter Männer besetzt.


Grenzboten II 1891 21
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[0165] [Abbildung] Der Marineetat im Reichstage el der Beratung des Marineetats hat sich in den Neichstags- vcrhcmdlnngen dem fortdauernden Ernst der europäischen Lage gegenüber eine auffallende Vertrauensseligkeit geltend gemacht, die, anscheinend gepaart mit einem gewissen Mißtrauen gegen die Ziele unsrer Marineverwaltuug, deu Gang der Verhandlungen nachteilig beeinflußt, die Entwicklung unsrer Seestrcitkrnfte wenn nicht geradezu geschädigt, so doch verzögert hat. Nicht mit Unrecht wurde von einzelnen Rednern der Schwerpunkt der Landesverteidigung in die Landarmee gelegt, dabei aber nicht berücksichtigt, daß diese durch die Flotte entlastet und in den Stand gesetzt wird, ihre ganze Kraft ungeschwächt an der Landesgrenze einzusetzen. Zum großen Teile stützten sich die Ansichten der Gegner der Marine¬ vorlage anscheinend auf die Ereignisse des Kriegsjahres 1870 und auf ein übertriebenes Vertrauen auf die Beschaffenheit unsrer Küsten. Ob uicht auch die gegenwärtigen freundschaftlichen Beziehungen zu England bei diesen Er¬ wägungen eine Rolle gespielt haben, wollen wir unerörtert lassen. Es lohnt daher wohl der Mühe, einen Blick auf die Machtverhültnisse der bei der gegenwärtigen Gruppirung der europäischen Staaten im Falle eines Krieges in Frage kommenden Großmächte zu werfen und die militärische Lage kurz zu beleuchten. Als Frankreich im Jahre 1870 Preußen den Krieg erklärte, stand es dem geeinigten Deutschland allein gegenüber. Alle übrigen Staaten beobachteten eine für uus wohlwollende Neutralität oder wurden doch durch unsre schnellen Erfolge dazu veranlaßt. Das deutsche Heer war dem französischen nach jeder Richtung, mit alleiniger Ansnahme der Jnfanteriebewaffnuug, überlegen, seine Fu hrerstelleu waren durch eine Anzahl hervorragender und erprobter Männer besetzt. Grenzboten II 1891 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/165>, abgerufen am 24.07.2024.